Diese Reform ist zum Erfolg verdammt

Sportausschussvorsitzende Freitag zieht Fazit vor der Wahl: Endlich ein Anti-Doping-Gesetz, Olympia-Chance vertan

Berlin, im August. Trotz Sommerpause – die Telenovela „Leistungssportreform“ wird auch in den Ferien fortgesetzt. Auch in der Bilanz der Vorsitzenden des Sportauschusses im deutschen Bundestag, Dagmar Freitag (SPD), nimmt die Leistungssportrefrom breiten Raum ein. „Sportspitze“ bat um ein Fazit der vergangenen vier Jahre: Im Sommerinterview diesmal Dagmar Freitag

Die gelernte Lehrerin Dagmar Freitag sitzt seit 1994 für die SPD im Deutschen Bundestag. Seit November 2009 ist die heute 64-Jährige Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. Die gebürtige Iserlohnerin kennt den Sport, seine Strukturen und Eigenheiten aus dem Effeff: Schließlich ist sie seit 2001 auch Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV).

Wie erfolgreich war aus Ihrer Sicht die Arbeit des Sportausschusses?

Freitag: In einer vierjährigen Wahlperiode gibt es natürlich immer Höhen und Tiefen. Ich habe in der letzten Sitzung des Sportausschusses in dieser Wahlperiode meinen Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten für die zum Teil auch durchaus kontroversen Debatten gedankt, die letztlich immer Ausdruck um das Ringen für die beste Lösung sportpolitischer Herausforderungen waren. Wir haben die unterschiedlichsten Themen aufgegriffen – übrigens auch, wenn nicht unmittelbar Bundeskompetenz gegeben war –, um die gesamte Breite des Sports auch in den Diskussionen im Ausschuss abzubilden. Unsere Sachverständigenliste kann sich sehen lassen und reichte von Vertretern der Vereine an der Basis bis hin zu hochrangingen Funktionären internationaler Spitzenverbände. Schlussendlich bin ich mit dem, was wir erreicht haben, zufrieden. Was natürlich nicht heißt, dass für den Sportausschuss der kommenden Legislaturperiode keine Herausforderungen mehr übrig wären.

Was waren für Sie die Höhepunkte ihrer Arbeit?

Freitag: Wir haben endlich ein Antidopinggesetz! Nach fast zwei Jahrzehnten des politischen Werbens und auch harter Diskussionen für eine strafrechtliche Verfolgung des Dopings konnten wir das Projekt in dieser Wahlperiode schließlich umsetzen. Die SPD war hier stets Vorreiter – und hat trotz der ständigen Bemühungen des DOSB, ein solches Gesetz zu torpedieren, daran festgehalten. Aber nicht nur die SPD-Sportpolitikerinnen und -politiker haben schlussendlich mit guten Argumenten überzeugt. Mit Justizminister Heiko Maas gab es einen weiteren gewichtigen Fürsprecher, der gemeinsam mit Innenminister Thomas de Maizière auf Seiten der Bundesregierung eine klare Haltung gezeigt hat.

Auch das vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug und Manipulation ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung der Integrität des Sports. Ein Highlight war auch der Besuch von Prof. McLaren, der meiner Einladung gefolgt ist und uns aus erster Hand einen Einblick in die Abgründe der Dopingpraktiken gegeben hat. Leider werden diese gravierenden Regelverletzungen in internationalen Sportverbänden zumindest bisher nicht mit der nötigen Konsequenz angegangen; Ausnahmen bilden die IAAF und das IPC. Das IOC dagegen taktiert und nimmt hin, dass die Integrität des Sports weiter mit Füßen getreten werden darf. Zwei Entscheidungen, die unmittelbar für die Sportvereine Wirkung zeigten: Es ist uns gelungen, die Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung im Sinne des Sports zu begleiten, und wir haben Sportstätten in das Programm zur Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur aufgenommen, mit dem u.a. auch Sportanlagen saniert werden konnten.

Was ist aus Ihrer Sicht nicht so gut gelaufen?

Freitag: Deutschland ist ein sportbegeistertes Land – und diese Feststellung geht weit über den Fußball hinaus. Daher war ganz sicher die gescheiterte Olympiabewerbung Hamburgs ein Rückschlag, denn mit einer solchen Bewerbung hätten wir die Chance gehabt, eine breit angelegte gesamtgesellschaftliche Debatte über den Stellenwert des Sports in seiner ganzen Vielfalt zu führen. Damit meine ich nicht nur den Spitzensport, der bei Olympischen und Paralympischen Spielen im Mittelpunkt steht. Die Bandbreite wäre dann vom Schulsport über den Vereinssport und den (Nachwuchs-) Leistungssport bis hin zu betrieblichen Bewegungsangeboten und dem Sport-für-Alle-Konzept gegangen. Wir hätten uns über Formen der modernen Sportstättenplanung unterhalten und eine Sportentwicklungsplanung strategisch angehen können. Diese gesamtgesellschaftliche Chance wurde leider vertan.

Chance vertan, da kommt man zwangsläufig zur Spitzensportreform?

Freitag: Anfänglich gestaltete sich auch die Einbeziehung des Parlaments in die Spitzensportreform durchaus holprig. Wir hatten schon das Gefühl, dass DOSB und BMI vorzugsweise hinter verschlossenen Türen agierten und das Parlament – und damit den Haushaltsgesetzgeber – irgendwann vor annähernd vollendete Tatsachen stellen wollten. Das haben wir den Akteuren zunächst deutlich machen müssen, und dann gab es auch einen stetigen Informationsfluss. Der Ausschuss konnte seine Vorstellungen und Forderungen, die u.a. auch in den Fraktionsanträgen von Koalition und Opposition parlamentarisch dokumentiert und diskutiert wurden, einbringen. Wichtig war auch die zu dieser Reform durchgeführte öffentliche Anhörung, bei der Athleten, Verbandsvertreter und Sportwissenschaftler ihre Expertise darstellen konnten. Erwähnenswert ist auch die im Jahr 2014 durchgeführte Anhörung zu möglichen neuen Strukturen für die Spitzensportförderung, in der UK Sports das sehr stringente, aber offenbar auch ziemlich erfolgreiche Sportfördermodell in Großbritannien vorstellte.

Wie beurteilen Sie das Verhältnis zwischen Parlamentariern und Sportfunktionären?

Freitag: Es gibt ja nicht DIE Parlamentarier und DIE Sportfunktionäre. Im Grunde liegt sowohl dem Parlament als auch den Vertretern des Sports daran, die Rahmenbedingungen für den Sport möglichst optimal zu gestalten. Es ist normal, dass es dabei unterschiedliche Herangehensweisen und Lösungsansätze gibt. Die Zusammenarbeit war daher größtenteils auch inhaltlich konstruktiv, und in den meisten Fällen waren Unstimmigkeiten auf sachliche Differenzen zurückzuführen. Es ist allerdings auch kein Geheimnis, dass es zwischen Akteuren aus Sport und Politik persönliche Befindlichkeiten gab, die die Arbeit belastet haben.

Glauben Sie noch daran, dass die Leistungssportreform ein Erfolg wird? Was ist da alles aus Ihrer Sicht schief gelaufen?

Freitag: Ehrlich gesagt, ist diese Reform zum Erfolg verdammt. Wir können doch nicht mehr als zwei Jahre lang diskutieren und Konzepte erarbeiten, um dann doch nur einen „kleinen Wurf“ hinzubekommen. Ich denke, dass insbesondere der Sport unterschätzt hat, welche zum Teil auch schmerzhaften Auswirkungen eine echte Neustrukturierung haben würde. Es ging und geht ja nicht nur um eine kleine Kurskorrektur, sondern um teilweise komplett neue Konzepte mit Aufwüchsen und Einschnitten mit dem Ziel, den deutschen Spitzensport international wettbewerbsfähig zu halten. Da musste jedem klar sein, dass nicht alle als Gewinner herausgehen würden. Einige Verbände haben wohl eine Reform nach dem Motto „Wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass“ erwartet. Aus meiner Sicht hat es der DOSB innerhalb seiner Spitzenverbände versäumt, rechtzeitig und umfassend zu informieren, und darüber hinaus nicht genug deutlich gemacht, dass es auch harte Entscheidungen mit weitgehenden Konsequenzen würde geben müssen.

Abgesehen von all dem: Auch hier ist die große Chance zu einer gesamtgesellschaftlichen Debatte darüber verpasst worden, welche Form des Spitzensports wir uns in unserem Land wünschen. Diese hat leider nie stattgefunden – und wenn, wäre sie eine hervorragende Grundlage und gleichzeitig Legitimation gewesen für eine darauf aufbauende Reform der Spitzensportförderung.

Angesichts des großen Interesses am Sport: Würden Sie sich für die nächste Legislatur für öffentliche Sitzungen des Sportausschusses einsetzen? Nicht zuletzt auch deshalb, weil man damit ja auch die Arbeit des Gremiums besser präsentieren könnte?

Freitag: Das kann ich kurz machen: Ich habe immer dafür geworben, dass der Sportausschuss öffentlich tagt; das war in dieser Legislaturperiode mit dem Koalitionspartner leider nicht umsetzbar. Sollte sich das in der nächsten Legislaturperiode realisieren lassen, würde ich das ausdrücklich begrüßen. Ich muss aber auch deutlich machen, dass die Fraktionen der Opposition, die im Ausschuss immer wieder die Öffentlichkeit beantragt haben, zum Teil in den Landtagen, in denen sie den Regierungsfraktionen angehören, auch nicht grundsätzlich öffentlich tagen.