Der Blick auf die Uhr als Diskussionsbremse

Der Sportausschuss im Bundestag hing mehr an Formalien als an Inhalten – Eine Bilanz vom meist geschlossenen Zuhörerrang  

Mit Stellungnahmen der sportpolitischen Sprecher im Anhang

Berlin, 24. August. Was bleibt interessierten BürgerInnen und journalistischen BegleiterInnen von vier Jahren Arbeit des Sportausschusses im Deutschen Bundestag im Gedächtnis? Ein Anti-Dopinggesetz, um das lange gezerrt und gestritten wurde. Und drei gut besetzte Anhörungen: zwei zur Spitzensportreform und eine mit dem unabhängigen Doping-Aufklärer Richard McLaren. Ansonsten?

Die Uhr. Denn Parlamentarismus vollzieht sich im Minutentakt: Das vermittelte jedenfalls der Sportausschuss. Dessen Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD) führte ein unerbittliches Zeitregiment. So konnten Labertaschen Zeit verplempern. Interessante Redebeiträge wurden dagegen nicht selten gekappt, weil nun der/die andere an der Reihe war. Formalien müssen sein, das ist richtig, weil auch Abgeordnete zu Ko-Referaten neigen, beim Hauptbahnhof anfangen und in Stoiberscher Manier am Flughafen… aber lassen wir das. Manchmal ist ein Abwürgen auch gut, um den/die Redende/n vor sich selbst und seinen/ihren Beiträgen zu schützen.

Schlecht vorbereitet

Der Sportausschuss des Bundestages tagt seit 2011 nur noch in Ausnahmefällen öffentlich. Die „böse Journaille“ hatte ja geschrieben, manche Mitglieder würden sich in den Sitzungen nicht unbedingt auf den zu verhandelnden Sachverhalt konzentrieren, sondern alles mögliche andere tun.

Auch wenn man den Abgeordneten zugesteht, dass sie viel zu tun haben, ließ die Qualität der Diskussion in den Sitzungen, an denen die Öffentlichkeit teilhaben durfte, manchmal doch zu wünschen übrig. Etwa wenn es um Fragen an externe Experten ging, waren manche SportpolitikerInnen nicht auf Ballhöhe – sprich schlecht vorbereitet.

72 Sitzungen waren in diesen vier Jahren abzusitzen, auszuhalten, zu überstehen – 72 Gelegenheiten, den deutschen Sport weiterzubringen. Aber wurden diese 72 Chancen auch genutzt? Ein klares Nein. Zu zögerlich, zu unentschlossen waren die Vertreter der Regierungsparteien von CDU/CSU und SPD, die mit 14:4 Stimmen eine erdrückende Mehrheit hatten. Die Oppositionsparteien Linke und Grüne strampelten sich ab, stellten viele Anfragen und Anträge. Mitgestalten, sich einbringen? Fehlanzeige: Die beiden Anträge, die die Koalition einbrachte, sind dürftig und sprechen doch Bände.

Getriebene

Man hatte in dieser Legislatur häufig den Eindruck, dass die Sportpolitiker in erster Linie Getriebene der nahezu täglichen Katastrophenmeldungen aus dem nationalen und internationalen Sport waren. Eigene Inspiration und Entscheidungsfreude waren nicht zu erkennen. Die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung wirkte halbherzig.

Die Geschichte des Sportausschusses, den es seit 1969 gibt, verzeichnet einige Jahre, in denen Parlamentarier sehr kreativ waren, in denen sie die öffentliche, nicht selten heftige Diskussion mit und für den Sport suchten und vieles in der Balance zwischen Ansprüchen des Sports und der Politik voranbrachten.

A propos öffentliche Diskussion und Transparenz: Die forderte der Sportausschuss von Bundesinnenministerium (BMI) und Deutschem Olympischem Sportbund (DOSB), als diese hinter verschlossenen Türen die Neustrukturierung der Spitzensportförderung und des Leistungssports aushandelten.

Zu spät

Diese Forderung macht sich besonders gut, wenn man selbst hinter verschlossenen Türen tagt.

Am Beispiel des Leistungssports werden die Schwächen dieses Sportausschusses sehr deutlich: BMI und DOSB bastelten schon eine Weile an der Reform, Medien prangerten das Fehlen einer gesamtgesellschaftlichen Debatte an, da wurde plötzlich auch der Sportausschuss wach und forderte eine öffentliche Diskussion über den (Spitzen-) Sport in der Republik. Zu spät. Wieder einmal: Der Sportausschuss reagiert, anstatt mal selbst das Heft in die Hand zu nehmen und etwas anzustoßen. Um nicht ungerecht zu sein: Die Grünen setzten sich nicht nur mit einer eigenen Veranstaltung über Großereignisse auch mit nachhaltiger Sportentwicklung in einer umfangreichen Broschüre auseinander. Und deren Sprecher Öczan Mutlu meldete sich häufig von der Seitenlinie zu Wort. Die Grünen behielten besonders auch in der Dopingdiskussion etwa um Russland Dopingopfer und den Dopingopferhilfeverein im Blick. Die Linken kümmerten sich intensiv um Behindertensport. Und entdeckten kurz vor Ende der Wahlperiode, dass immer weniger Kinder schwimmen lernen – eine Erkenntnis, auf die die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft seit Jahren hinweist. Immerhin: Es wurde thematisiert. Aber gerade auch im Breitensportbereich wurden kaum Akzente gesetzt – meist mit dem Hinweis: „Das ist Ländersache“, wie etwa Schulsport oder Sportstätten.

Zwei Quellen

Noch mal zurück zur Leistungssportreform: Ärgerlich war auch das ständige Jammern, dass der Ausschuss von jeglicher Information ausgeschlossen sei und man von den Reform-Machern keine Infos bekomme. Während JournalistInnen recherchierten und Auskünfte bekamen, sollten Bundestagsabgeordnete, von denen ja alle selbst an einer und manche gar an zwei Quellen sitzen, an Unterlagen nicht herankommen?

Die Auschuss-Vorsitzende Freitag ist gleichzeitig Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletikverbandes. Der Sportsprecher der CDU/CSU, Turn-Weltmeister Eberhard Gienger, stand dem Deutschen Sportbund und steht dessen Nachfolgeorganisation DOSB und dem Deutschen Turnerbund immer noch nahe. Michaela Engelmeier, SPD-Sportsprecherin, sitzt im Landessportbund Nordrhein-Westfalen und ist gleichzeitig Vizepräsidentin im Deutschen Judo Bundes . Sie alle hatten lange keine Infos? Wenn nicht sie, wer sollte dann Mittel und Wege finden, auf der politischen wie sportlichen Schiene die Informationen zu bekommen? Als man sich endlich zu einer Anhörung mit Experten entschlossen hatte, war die Reform schon gelaufen.

Die Verknüpfung zwischen einem führenden Funktionärsamt und dem Sportausschuss-Mandat sehen viele als Interessenkonflikt. Sport-Lobbyismus im Zusammenhang mit der Leistungssportreform – ein neuer Blickwinkel tut sich auf, der nachdenklich stimmt.

Neue Saison – neue Taktik

Ein Trainer würde sich vor der neuen Saison eine neue Taktik zurechtlegen, um erfolgreich zu sein. Das wäre auch eine Idee für den Sportausschuss, der – parteienübergreifend und sachorientiert – sich vielleicht einmal genau überlegen sollte, für welchen Sport der deutsche Steuerzahler wirklich Geld ausgeben sollte. In den Wahlkreisen bekommen die Parlamentarier sicher ein Meinungsbild zusammen, das sie als Grundlage für ein sportpolitisches Konzept nehmen könnten. Der Sport ist mit seiner Sparte Leistungssport medial und ökonomisch so präsent und fordernd, dass u.a. auch die Politik als Regulativ agieren muss. Dass der Sportausschuss diese Rolle übernehmen kann, wenn er Auswüchse wie Spielmanipulation und Doping anprangert und dagegen vorgeht – das hat er bewiesen.

Stärke und Ansehen gewinnt das Gremium, dem immer noch das schlechte Image vom inkompetenten Reisekader anhängt, nur dann, wenn es öffentlich debattiert, Transparenz und Werte vertritt und sich als sachorientierter Vermittler zwischen Sport und Politik versteht. Und als demokratische Vertretung des Volkes auch eventuell überzogene Forderungen des Sports gegenüber dem Steuerzahler ablehnt.

Der neue Sportausschuss wird gefordert sein. Vielleicht wird er mutiger als der bisherige, wie der Obmann der Linken, André Hahn, fordert. Wilhelm Schmidt, sportpolitischer Sprecher der SPD, bis 1994 im Sportausschuss, war immer überzeugt, dass man mit den richtigen Leuten einiges bewegen könnte.

Anforderungsprofil wäre dann: „distanzierte“ Sachkenntnis und gesunde Streitkultur. Denn rumsitzendes Dekor gibt es viel im Sportausschuss, Zierden nur wenige.

Die Bilanz der Koalitionsvertreter

Sportspitze bat die Sprecher und Sprecherinnen der im Sportauschuss des Deutschen Bundestages vertretenen Fraktionen um eine Bilanz ihrer vierjährigen Arbeit. Den Parlamentariern Eberhard Gienger (CDU/CSU), Michaela Engelmeier (SPD), André Hahn ( Linke) und Özcan Mutlu (Grüne) wurden dieselben Fragen gestellt: Was war positiv, was lief nicht so gut und wie stehen Sie zur öffentlichen Tagung des Gremiums. Hier die Rückmeldungen.

Eberhard Gienger, CDU/CSU:

Zu den Erfolgen der Unionsfraktion im Sportausschuss zählen zentrale Gesetzesinitiativen, wie auch wichtige, förderpolitische Entscheidungen: So wird mit dem neuen Anti-Doping Gesetz und dem Gesetz zur Bekämpfung von Spiel- und Wettmanipulation die Integrität des Sports künftig besser geschützt. Für den Spitzensport stehen ca. 36 Mio. Euro mehr zur Verfügung als noch vor vier Jahren. Der Behindertenleistungssport und die neuen olympischen Sportarten profitieren fortan von einem Aufwuchs in Höhe von 4,5 Mio. Euro. Mit der nun weiter umzusetzenden Reform der Spitzensportförderung werden wir die Athletinnen und Athleten stärker in den Mittelpunkt stellen. Die Förderung soll effektiver, transparenter und für jeden nachvollziehbar sein. Das neue BMI-Förderprogramm „Sprungbrett“ verbessert zudem die duale Karriere und Vereinbarkeit mit beruflichen Zielen. Nach einer aktuellen Erhebung konnten die Trainergehälter durchschnittlich um 7 Prozent erhöht werden. Für die Opfer des DDR- Zwangsdopings konnten wir einen Hilfe-Fonds in Höhe von 10,5 Mio. Euro einrichten.

Wegweisende Verbesserungen

Aber auch im Bereich des Breitensports haben wir wegweisende Verbesserungen und förderpolitische Ziele erreichen können: Hier ist zum Beispiel das Präventionsgesetz des Bundesgesundheitsministeriums zu nennen, das ein „Rezept auf Bewegung“ ermöglicht. Die Krankenkassen wollen insgesamt ca. 500 Mio. Euro für Maßnahmen in diesem Bereich einplanen. Das BMUB-Programm zur Sanierung von Sportstätten und kommunalen Einrichtungen (140 Mio. Euro/100 Mio. Euro) mindert den Sanierungsstau und hilft den hier vorrangig verantwortlichen Bundesländern. Zudem konnten die Lärmschutzbestimmungen bei Sportanlagen gelockert werden, um auch in urbanen Räumen ein wohnortnahes Sportangebot aufrechtzuerhalten. Das BMI-Förderprogramm „Integration durch Sport“ haben wir – im Rahmen der Flüchtlingshilfe – auf über 10 Mio. Euro verdoppelt und 10.000 zusätzliche Bundesfreiwilligendienststellen geschaffen.

Was lief nicht gut?

Die wenn auch knapp gescheiterte Olympiabewerbung Hamburgs ist hier sicherlich zu nennen, gerade weil man ein innovatives und nachhaltiges Konzept vorweisen konnte. Die Bewerbung Hamburgs war ein Gegenmodell zu Gigantismus, Verletzung von Bürgerrechten oder Umweltzerstörung. „Sportdeutschland“ und die Stadt Hamburg hätten von Olympischen Spielen maßgeblich und langfristig profitieren können.

Beim Mindestlohngesetz von Frau Nahles konnten wir Ausnahmeregelungen für den Sport und das Ehrenamt erwirken, aber – aufgrund von Widerständen im BMAS – noch keine vollumfängliche Rechtssicherheit für die betroffenen Personenkreise schaffen. Dies muss in der nächsten Legislaturperiode nachgebessert werden.

Öffentliches Interesse – mehr öffentliche Sitzungen?

Die Union wird sich weiterhin für öffentliche Anhörungen des Sportausschusses einsetzen und diese beantragen, wie zuletzt bei der Thematisierung des McLaren-Reports.

Michaela Engelmeier, SPD:

Zunächst einmal war die Arbeit des Sportausschusses im Deutschen Bundestag in den letzten Jahren von großer Kollegialität getragen. In einem guten Umfeld kann man über Parteigrenzen hinweg gute Arbeit leisten. So haben wir in den 72 Sitzungen des Sportausschusses nicht nur zahllose Anträge und Gesetze beschlossen, sondern uns mit unzähligen Gesprächspartnern aus dem Sport und seinem Umfeld ausgetauscht.

Für mich bleiben von dieser Legislaturperiode drei wegweisende Beschlüsse noch lange in Erinnerung: das Anti-Doping-Gesetz, das Gesetz gegen Spielmanipulation und die Sportanlagenlärmschutzverordnung. Es war die SPD-Bundestagsfraktion, die über ein Vierteljahrhundert für die Einführung eines Anti-Doping-Gesetzes gekämpft hat. Auch das Gesetz gegen Spielmanipulation war leider dringend notwendig. Mit beiden Gesetzen leisten wir einen Beitrag für einen fairen und sauberen Sport. Denn Betrug missachtet die Sport prägenden Werte wie Leistungsbereitschaft, Fairness und Teamgeist.

Um den über 90.000 Vereinen in Deutschland einen Vorteil in ihrer alltäglichen Arbeit zu geben, haben wir die Sportanlagenlärmschutzverordnung angepasst. Viel zu häufig konnten Vereine keine weiteren Mitglieder mehr aufnehmen bzw. weitere Mannschaften bilden, ohne gegen Lärm-Vorschriften zu verstoßen. Nun gelten für die Vereine am Abend und mittags an den Wochenenden die gleichen Werte wie tagsüber und die Randbebauung sowie die Sicherung von Alt-Anlagen ist neu geregelt worden.

Was lief nicht gut?

Der Spitzensport in Deutschland hat sich einer Reform verschrieben. Wir verstehen eine Reform als Chance, so dass marode Strukturen aufgebrochen werden und sich neue Synergien freisetzen. Jedoch hätten wir uns hierzu eine breite gesellschaftliche Debatte gewünscht. Den Reformprozess hinter verschlossenen Türen zu beschließen, ist für uns kein demokratisches Instrument. Schließlich geht die Frage, in welchem Sport-Deutschland wir leben möchten, weit über die Spitzenverbände hinaus.

Meine Fraktion hat hierzu einen Antrag beschlossen, an dem sich die Bundesregierung und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zu orientieren haben. In dem Antrag fordern wir, dass keine Disziplin ins Bodenlose fällt, weil es an internationalen Erfolgen mangelt. Darüber hinaus wünschen wir uns für die Athletinnen und Athleten, dass über ein geeignetes Instrument einer Alterssicherung nachgedacht wird sowie die Etablierung einer eigenständigen Athletenvertretung zu unterstützen ist. Die Rahmenbedingungen für die Sportlerinnen und Sportler sowie Trainerinnen und Trainer sind nachhaltig zu verbessern.

Hätte der organisierte Sport sein Reformvorhaben gemeinsam mit dem Sportausschuss geplant, wäre die Kritik gegenüber des DOSB in der Öffentlichkeit sicherlich geringer ausgefallen. Dieses Misstrauen seitens des Sports ist in Teilen bis heute spürbar.

Öffentlich – ja oder nein?

Die Frage von öffentlichen Sitzungen hat mich die letzten Jahre immer wieder begleitet. Ich halte es grundsätzlich für sinnvoll, wenn wir öffentlich tagen. Jedoch gilt dies nicht für jede Sitzung. Da Funktionäre bzw. Sportler unter Umständen interne Vorgänge berichten, die sie bei öffentlichen Sitzungen nicht bereit wären zu erzählen. Daher halte ich eine pauschale Lösung: öffentlich oder nicht-öffentlich für schwierig, da es immer eine Einzelfallprüfung benötigt. Gibt es keine Vorbehalte von Gästen, sollten die Türen offen stehen – was die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bisher kategorisch abgelehnt hat.

Die Bilanz der Oppositionsvertreter

Das Fazit der sportpolitischen Sprecher der Oppositionsparteien fällt naturgemäß ambivalenter aus als das der Vertreter der Koalitionsparteien. Der Sportsprecher der Linken, Dr. André Hahn fordert, der „Sportausschuss muss mutiger werden“, und auch sein Kollege von den Grünen, Özcan Mutlu, erwartet, dass sich der Ausschuss „von seiner passiven Rolle verabschieden und damit beginnen muss, mitgestalten zu wollen.“

André Hahn, Die Linke:

Gut, dass es im Bundestag einen Sportausschuss gibt – das ist dennoch in aller Kürze das Fazit meiner vierjähriger Arbeit als Abgeordneter der LINKEN in diesem Gremium. Gäbe es ihn nicht, würde die Sportpolitik als ein Thema unter vielen wohl gänzlich von den Tagesordnungen des Bundestages und seiner Ausschüsse verschwinden.

Aus meiner Sicht beeinträchtigte jedoch die erdrückende Mehrheit der „großen Koalition“ und die damit einhergehende Arroganz der Macht die Arbeit im Sportausschuss – hier ist das Zahlenverhältnis 14 : 4 – erheblich. Sprach man früher gerne noch von einer “Fraktion Sport“, weil sich die Abgeordneten in vielen Punkten fraktionsübergreifend einig waren und gemeinsam für ein größeres Gewicht des Sports in der Gesellschaft engagierten, hat sich in der zu Ende gehenden Wahlperiode die Arbeitsatmosphäre im Ausschuss eher verschlechtert. Das hängt zum einen von den handelnden Personen ab, insbesondere vom Ausschussvorsitz und den jeweiligen Obleuten.

Zum anderen tagt der Sportausschuss seit dem Oktober 2011 nicht mehr öffentlich, so dass über dessen Arbeit zwangsläufig auch weniger berichtet wird. Das sollte dringend wieder geändert werden. Diesbezügliche Anträge der Opposition wurden von der Regierungskoalition immer wieder abgelehnt.

Ablehnung

Dies galt leider auch für alle (!) inhaltlichen Anträge der Opposition. Ein besonders absurdes Beispiel ist der Antrag der Linksfraktion zum Haushalt 2017, die Förderung der Behindertensports betreffend. Wir hatten von den Behindertensportverbänden konkrete Zahlen hinsichtlich des finanziellen Mehrbedarfs abgefragt und auf dieser Grundlage eine Anhebung der Förderung um zwei Mio. Euro beantragt. Union und SPD waren im Sportausschuss nicht bereit, darüber ernsthaft zu diskutieren, weder über den Etatentwurf der Bundesregierung noch über die von uns beantragte Aufstockung. Wenig später brachte die Koalition im Haushaltsausschuss einen fast gleichlautenden Antrag ein, um sich anschließend für dessen Annahme selbst zu feiern.

Inhaltlich war die Wahlperiode von der Reform der Spitzensportförderung, vom Thema Doping, gescheiterten Olympiabewerbungen und diversen Skandalen bei internationalen und nationalen Sportverbänden wie IOC, FIFA, UEFA und DFB geprägt. Unsere Versuche, den Breitensport, aber auch den Behinderten-, Schul- und Gesundheitssport stärker in den Fokus des Ausschusses zu rücken, wurden von der Koalition immer wieder blockiert. Themen wie die Schwimmfähigkeit von Kindern oder die dringend erforderliche Sportstättensanierung  spielten leider nur am Rande eine Rolle.

Beim Thema Spitzensportreform hat die Linksfraktion nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir mit der Vorgehensweise und mit den inhaltlichen Maßgaben (z.B. der fast ausschließlichen Fixierung auf Medaillen und dem PotAS-System) nicht einverstanden sind. Hinsichtlich des aktuellen Reformprozesses haben wir stets die öffentliche Debatte in der Gesellschaft und im Bundestag über die Rolle des Spitzensports in unserem Land eingefordert. Stattdessen führten Bundesinnenministerium und DOSB hinter verschlossenen Türen Geheimverhandlungen.

Die Ende 2016 von Minister de Maizière und Präsident Hörmann verkündete Reform – das wird immer offensichtlicher – entwickelt sich zum sportpolitischen Desaster. Die Wechselwirkungen zwischen Spitzen- und Breitensport darf nicht zu einer inhaltsleeren Worthülse verkommen, dann kann auch eine Reform des Spitzen- und Leistungssports gelingen. Hier muss der Sportausschuss in der kommenden Wahlperiode gänzlich anders und deutlich mutiger wirken als bisher.

Ein greifbarer Erfolg

Einzig greifbarer „Erfolg“ des Sportausschusses war letztlich das Anti-Doping-Gesetz, das die Linksfraktion bereits zu Beginn der Legislatur mit konkreten inhaltlichen Vorschlägen eingefordert hatte. Die nun beschlossene Fassung des Gesetzes ist in vielerlei Hinsicht unbefriedigend, gerade was mögliche strafrechtliche Konsequenzen für das Umfeld der Athletinnen und Athleten sowie die Hintermänner anbelangt. Auch wurde der von uns geforderte Whistleblower-Schutz komplett außen vor gelassen. Das Gesetz blieb also nur Stückwerk. Dem Sportausschuss der kommenden Wahlperiode bleibt also noch einiges zu tun!

Özcan Mutlu, Bündnis 90/Die Grünen:

Wenn ich eine Schulnote geben sollte, dann würde ich sagen: Der Sportausschuss hat sich stets bemüht. Wir hatten einige wichtige Themen auf der Tagesordnung. Leider hat sich der Ausschuss mit Mehrheit der Großen Koalition aber selbst irrelevant gemacht, indem keine politischen Entscheidungen getroffen wurden, indem er sich kaum eingemischt hat, wenn andere politische Entscheidungen über Sport getroffen haben, und indem er seine Arbeit hinter verschlossene Türen verbannt hat. Bei gesellschaftsrelevanten Themen hat der Sportausschuss stets die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Debatten angestoßen

Es ist uns immer wieder – auch trotz Widerständen aus der Großen Koalition – gelungen, wichtige Themen auf die Tagesordnung des Sportausschusses zu bringen und damit öffentliche Debatten anzustoßen oder weiter voranzutreiben. Das war z.B. beim Thema Dopingvergangenheit in Westdeutschland mitsamt der Freiburger Dopingdoktoren so, das wir in der allerletzten Sitzung mit wichtigen Sachverständigen noch behandelt haben.

Die wiederholte Aufsetzung und Behandlung des WM-Skandals 2006 war ebenfalls ein großer Erfolg. Wir haben hier nicht locker gelassen und kein Gras über das Thema wachsen lassen, wie der DFB sich das wohl gerne gewünscht hätte. Allerdings wäre die eine oder andere Sitzung, die wir beantragt hatten und die die Gro-Ko verhindern wollte oder an der der DFB nicht teilnehmen wollte, ohne öffentlichen Druck durch die Medien nicht zustande gekommen. Auch hier gab es aber immer Geheimsitzungen ohne Öffentlichkeit.

Es ist auch als Erfolg zu werten, dass wir die Themen Anti-Doping-Kampf, Anti-Korruptionskampf und Schutz vor sexualisierter und sonstiger Gewalt im Sport durch unsere ständige Wiederholung nun endlich auf den Radar des Innenministeriums bekommen haben. Jetzt muss die Regierung allerdings noch die richtigen Konsequenzen aus ihren neuen Erkenntnissen ziehen. Das ist aus unserer Sicht noch nicht erkennbar.

Letztlich war der Ausschuss immer dann stark, wenn er externe Sachverständige hinzugezogen hat und sich nicht allein auf die Meinung des DOSB verlassen hat. Oft haben wir die Arbeit gemacht, die eigentlich Aufgabe des DOSB gewesen wäre.

Zahnloser Tiger

Der Sportausschuss war alles in allem ein zahnloser Tiger. Hier wurde kaum etwas gestaltet und nichts Wichtiges mitentschieden, kein Problem wirklich angegangen. Nicht mal in Haushaltsfragen.

Die Spitzensportreform hat Innen- und Sportminister de Maizière am Sportausschuss vorbei mit dem DOSB heimlich ausklamüsert. Der massive Nachbesserungsbedarf der Reform liegt auch daran, wie sie entstanden ist. Schon wenige Tage nach Vorlage des Konzeptes kritisierten wir zahlreiche Punkte. In der neuen Legislaturperiode muss der Sportausschuss gleich von Beginn an in diese Reform intensiv mit einbezogen werden.

Die Große Koalition hat während der vergangenen vier Jahre lediglich zwei selbständige Sportanträge im Bundestag vorgelegt. So eine schlechte Bilanz hatte keine Regierung seit zwanzig Jahren. Das zeugt davon, dass auf Seiten der Regierungsfraktionen kaum Gestaltungswille vorhanden ist. Weiterhin kam von den Sportpolitiker*innen der Großen Koalition kein einziger Haushaltsantrag. Dabei ist das Haushaltsrecht das Königsrecht des Parlaments.

In dieses Bild passt auch z.B. das – im Übrigen in dieser Form überflüssige – Gesetz gegen Sportwettbetrug und Spielmanipulation. Es weist sowohl sportfachlich als auch juristisch aus Grüner Sicht – aber auch aus Sicht zahlreicher Sachverständiger – erhebliche Mängel auf und wurde ohne Aufschrei aus dem Sportausschuss durch den Bundestag geschmuggelt. Die erste Debatte ging zu Protokoll, eine tiefere Befassung im Sportausschuss gab es nicht, da der Rechtsausschuss federführend war, und die zweite Debatte fand gemeinsam mit der Abstimmung um ein Uhr nachts statt. Das Gesetz wurde schließlich mit Mehrheit der Großen Koalition verabschiedet.

Auch die bitter notwendige gesellschaftliche Debatte darüber, was für einen Spitzensport wir in Deutschland fördern möchten, hat der Sportausschuss nicht angestoßen. Lieber mischten sich die Regierungsfraktionen in die Unabhängigkeit der Medien ein und befragten dreimal innerhalb eines Jahres sämtliche Fernsehsender über deren zukünftige Übertragungen von Sportveranstaltungen.

Die Interessenverquickung von Abgeordneten mit Bundestagsmandat und Sportverbandsämtern ist ein echtes Problem. In gewisser Weise sitzt die Sportlobby im Ausschuss.

Mitgestalten

Der Sportausschuss muss öffentlich tagen und muss seine Sitzungsdokumente veröffentlichen, um dadurch wirklich Relevanz in öffentlichen Debatten zu erhalten.

Außerdem muss der Ausschuss sich von seiner passiven Rolle verabschieden und damit beginnen, mitgestalten zu wollen. Jeder Versuch, den wir in diese Richtung unternommen haben, scheiterte leider wie so vieles an der Regierungskoalition. Unser Antrag zur Zukunft von internationalen Sportgroßveranstaltungen wurde vier Jahre lang verschleppt, die geplante öffentliche Anhörung abgesetzt, und der Antrag in der letzten Sitzung der Legislaturperiode abgelehnt. Und das alles vor dem Hintergrund einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise des internationalen Sports und trotz einhelliger Zustimmung zu unserem Antrag von vielen Seiten.

Öffentliche Sitzungen

Grüne haben zu Beginn dieser Legislaturperiode in einem Grundsatzantrag die Öffentlichkeit sämtlicher Ausschusssitzungen des Bundestags beantragt. Dies wurde jedoch abgelehnt. Ich selbst habe mich im Sportausschuss, immer wieder gegen den Widerstand der Großen Koalition, für Öffentlichkeit der Sitzungen eingesetzt und bestimmt 15 Mal die Öffentlichkeit beantragt. Die Regierungsfraktionen haben jedes Mal abgelehnt.

Dabei sollte besonders der Sportausschuss die Monopolstellung des organisierten Sports kritisch diskutieren und einen Kontrapunkt gegen Hinterzimmerpolitik setzen. Ich sehe weiter keinen Grund für eine Nicht-Öffentlichkeit. Im Gegenteil: Demokratische politische Prozesse müssen für Wählerinnen und Wähler transparent nachvollziehbar sein.