Die Ministerin in der Pole Position

Christine Schenderlein stellt sich im Sportausschuss vor / Nun das Doppel Sport und Ehrenamt

Berlin, 4. Juni. Premiere für die Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Christiane Schenderlein, im Sportausschuss. Gestern stellte sie sich dem Gremium vor, das nun auch fürs Ehrenamt zuständig ist, das vorher im Bundesfamilienministerium betreut wurde.

Dass man nach vier Wochen Amtszeit als Staatsministerin keine fertigen Konzepte oder Erfolgsrezepte von der politischen Vorturnerin erwarten durfte, war wohl jedem und jeder im Ausschuss klar. Auch wenn Fragen von Sportausschussmitgliedern schon eine gewisse Ungeduld zeigten, wie es etwa mit der Spitzensportreform weitergehen wird. Schließlich hat man sich im Ausschuss in den letzten Jahren immer wieder damit abgemüht – ohne zu einem erfolgversprechenden Reformpapier zu kommen. Oder gar zu einem Gesetz. So war die erste Begegnung von gegenseitigem Wohlwollen und Bekundungen einer guten Zusammenarbeit aller Fraktionen mit der Staatsministerin geprägt.

Findungsprozess

Den Ausführungen der Staatsministerin war zu entnehmen, dass der (Zurecht-)Findungsprozess läuft. Man arbeitet sich durch Unterlagen, tastet sich nach vorne, klärt Abläufe und Organisation sowie Zuständigkeiten mit dem Innen- und dem Familienministerium, die nötig sind nach so einer neuen Zuordnung in einem neuen Amt.

Und sie stellte fest: „Sport und Ehrenamt sind beim Bundeskanzler angekommen.“ Damit habe sich also nicht nur ein Wunsch des deutschen Sports erfüllt. Auch werde dem Ehrenamt und den Ehrenamtlichen die Wertschätzung entgegengebracht, „die sie verdienen“.

Die beiden Bereiche passten sehr gut zusammen, sagte die Ministerin in ihrer kurzen Rede und der Vorstellung  der Themenschwerpunkten und nächsten Schritte – und nahm dann auch jenen im Sport die Bedenken, dass sie hinten runterfallen könnten, weil man sich nun eine Ministerin mit dem Ehrenamt teilen müsste. „Im Sport und Ehrenamt treffen Menschen jeglicher Couleur aufeinander und schaffen gemeinsam einen gesellschaftlichen Mehrwert.“ Und „sie wirken  auch über soziale und kulturelle Unterschiede hinweg.“

Grundlage Koalitionsvertrag

Als Grundlage für ihre Arbeit sieht Schenderlein, die mit ihrer neuen Abteilungsleiterin Babette Kiberle gekommen war, den Koalitionsvertrag. Die Frage des sportpolitischen Sprechers der CDU/CSU, Stephan Mayer, ob denn nicht das eine oder andere im Koalitionsvertrag fehle, beantwortete die Ministerin so: „Es wurde sehr gut verhandelt, ich nehme das so wie es ist.“ Wobei sie natürlich auch eigene Vorstellungen hat, was man – neben den gesetzten Schwerpunkten Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele und Leistungssportreform – noch alles so machen könnte. Etwa im Frauensport.

Olympia, Olympia

Doch jetzt erstmal Olympisches. Auch Frau Ministerin scheint von der in den letzten Tagen unerklärlicherweise wieder aufgekommenen Olympia-Euphorie angesteckt zu sein. „Eines der großen Ziele der Sportpolitik ist die Bewerbung um deren Ausrichtung.“ Auf ein Jahr, wann man denn damit rechne, wollte sie sich nicht festlegen, aber es müsse darum gehen, „beim IOC in die Pole Position zu kommen. Ich sehe die Olympiabewerbung als Zukunftsaufgabe.“

Und die könne man nur mit Zustimmung der BürgerInnen hinbekommen. Wie man die Menschen für Olympia begeistern will? Und wie man den Menschen verklickern will, dass Spiele eine teuere Angelegenheit für die SteuerzahlerInnen sind? In Paris, das auch die Ministerin als Vorbild für die deutschen Olympiabemühungen sieht, waren es offiziell neun Milliarden. Auf diese Fragen gab es noch keine wirkliche Antwort. „Da haben wir noch keine Zauberformel gehört“, fasste dann auch die neue Sportausschussvorsitzende Aydan Özoguz (SPD) zusammen.

Starter von morgen sind heute in der Kita

Es ist eigentlich logisch, dass mit einer angestrebten Olympiabewerbung Überlegungen einhergehen müssen, wie es mit dem Spitzensport weitergehen soll, vor allem mit den SportlerInnen, die dann die deutschen Farben vertreten sollen. „Diejenigen, die dann beispielsweise 2040 starten werden , gehen heute in die Kita oder Schule“ so die Ministerin. Richtig.

Die große motivierende und euphorisierende Bewegungskampagne samt Konzept, um die Deutschen nicht nur als begeistere Zuschauer, sondern auch als erfolgversprechende SportlerInnen vorzubereiten – die gibt es (bisher) nicht. Alle schwärmen von den Spielen in Paris – die aber, so wie sie waren, aus vielen Gründen für deutsche Bewerber unerreichbar sind und nicht kompatibel. Und man könnte sich nur mit einer schlechten Kopie blamieren. Paris ist unnachahmlich. Was auch gut so ist.

Die Ministerin lässt sich also auf den Refomgedanken so ein: „Die Sportförderung muss deutlich unbürokratischer und flexibler werden“, sagt sie, und die vorliegende Reform müsse „endlich“  zu einem Abschluss gebracht werden. Sie stimmte Mayers Einwand zu, dass man sich da aber erst noch einmal genau mit dem Leistungssport befassen müsse – da müsse Qualität vor Eile gehen. Stimmt – aber dafür braucht es inhaltlich neue Ideen und Ansätze und nicht jahrzehntealte Vorschläge, die weder zeitgemäß sind noch funktionieren. Und es braucht Mut, auch mal zu sagen: Wer vom Status quo nicht abrückt, hat nicht begriffen, dass es Bewegung braucht, um Fortschritt zu erreichen.

Dimension nicht klar

Gerade beim Thema Leistungssportrefrom wurde an diesem frühen Nachmittag im Ausschuss deutlich, dass sich die Staatsministerin der Dimension ihrer Aufgaben noch nicht ganz gewahr ist. Aber vor allem hat sie noch nicht erfahren, wie der organisierte deutsche Sport tickt – welche Widerstände und Schwierigkeiten sie erwarten werden.

Also warten wir ab, ob die Ministerin mehr als freundlich lächeln kann. Die sportpolitische Sprecherin der Grünen, Tina Winklmann gestand dann der Staatsministerin die üblichen 100 Tage Schonfrist zu.

Dass sie als Neueinsteigerin nicht wirklich wissen kann, was da so alles auf sie zukommt, wird etwa am Beispiel Trainer deutlich. Sie nimmt auf, was im Koalitionsvertrag steht. Es sei wichtig, gut ausgebildete und motivierte TrainerInnen in Deutschland zu halten, wolle man Erfolg haben, sagt Frau Schenderlein. Dass der deutsche Sport seit Jahrzehnten an einer Traineroffensive erfolg- und auch einsichtslos herumdoktert, sei nur mal so erwähnt.

Auch Unterstützung und Rahmenbedingungen für AthletInnen will sie weiter verbessern. Oder auch die Gründung des Zentrums Safe Sport weiter forcieren   -ein Thema im Sport, das nach wie vor nicht unumstritten ist.

Sportstätten ein Dauerbrenner

Die Sportstätteninfrastruktur ist ebenfalls schon ein Dauerbrenner auf der Tagesordnungsliste im Sportausschuss. Die eine Milliarde, die nun zur Verfügung gestellt werden soll – auf vier Jahre verteilt – ist den Abgeordneten zu wenig. Da scheinen sich alle einig zu sein. Schließlich gibt es einen hohen Sanierungsstau, den Experten mittlerweile auf 40 Milliarden Euro beziffern. „Auch hier stärkt uns der Koalitionsvertrag den Rücken“, sagt die Staatsministerin, die der Meinung ist, dass der Bund zusammen mit Ländern und Kommunen Sportanlagen und Schwimmbäder modernisieren wird und dann exzellente Trainingsbedingungen zur Verfügung stehen. Wäre schön, auch eine Staatsministerin darf träumen.

Ob Mittel aus dem Sondervermögen noch locker gemacht werden könnten, wie der Linke Christian Görke fragte? Ein klares Ja oder Nein bekam er nicht.

Noch ungewohnt im Doppel

Ungewohnt für den Sportausschuss, dass man sich ja nun im Doppel bewähren muss. Fragen zum Ehrenamt blieben erstmal aus, weil man ja SportpolitikerIn  in erster Linie ist. Aber das kann ja noch werden. Da baute dann die Ministerin, die in ihrer ersten Rede im Bundestag vor allem über das Ehrenamt, weniger über den Spitzensport sprach, die Brücke schon mal selbst zwischen den Themenbereichen. Schließlich würde der deutsche Sport ohne Ehrenamtler ja gar nicht funktionieren. „Wir wollen ehrenamtlich Engagierte besser unterstützen, fördern und stärken.“

Geplant sei die Anhebung der Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale, um die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) seit langem bisher vergeblich kämpfte. Auch ein „Bürokratierückbaugesetz“ für Vereine und ehrenamtliches Engagement kündigte sie an, Und man wolle den Schutz vor verbalen und körperlichen Angriffen verbessern. Sanitäter, Feuerwehrleute oder Schiedsrichter werden immer häufiger attackiert.

Nach einer Stunde hatte die Staatsministerien ihren ersten Sportausschuss-Auftritt solide hinter sich gebracht und eilte ins Parlament, nicht ohne zugesagt zu haben, dass sie sicher in diesem Jahr in Sachen Olympia und Spitzensportstrategie wieder Rede und Antwort stehen werde. Dann mit tieferen Einblicken in die Sportverbandswelt – und ihre Tücken. Bleibt zu hoffen, dass die gute Laune und das Miteinander die Legislatur über anhalten, der Sportausschuss seine parlamentarischen Aufgaben wirklich wahrnimmt und sich nicht als Sportfanklub versteht und alle Beteiligten, vor allem auch aus dem Sport, die weitere neue Chance nicht wieder versemmeln.