Beunruhigende Peking-Spiele

Sportausschuss fragte bei Präsidenten von DOSB, DBS und Athleten nach

Berlin, 26. Januar. Eigentlich wollte sich der neu formierte Sportausschuss des Deutschen Bundestages über die Folgen der Corona-Pandemie für den deutschen Sport informieren. Das tat er in der teilweise öffentlichen Sitzung am Mittwoch auch, aber die bevorstehenden Olympischen und Paralympischen Winterspiele in Peking drängten den „Sachstandsbericht zu Auswirkungen der Coronapandemie auf den Sport“ dann doch in den Hintergrund. Während der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe eine Erklärung zu den Winterspielen 2022 veröffentlichte, blieb es im Sportausschuss bei einem Austausch bekannter Argumente und einiger Kritik. Auch die beiden Präsidenten Thomas Weikert vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und Friedhelm Julius Beucher Deutscher Behindertensportverband (DBS) gaben später eine Stellungnahme ab.

Als sich die SportpolitikerInnen trafen, war der Verein Athleten Deutschland ihnen schon wieder viele Schritte voraus. Er veröffentlichte unter dem Titel: „Sport und Menschenrechte. Handlungsoptionen für Athlet*innen, Staaten, Verbände und Sponsoren“ ein überfälliges Papier. Inhaltlich hätte eine derartige Erklärung von den früheren DOSB-Spitzengremien unter den Präsidenten Thomas Bach und Alfons Hörmann wie auch von früheren Sportausschüssen schon längst angeleiert werden müssen und können, wenn die Verantwortlichen aus den Erfahrungen vergangener Spiele – besonders der Sommerspiele in Peking 2008 – gelernt und entsprechende Konsequenzen gezogen hätten. So leisteten die AthletInnen mal wieder die Arbeit der FunktionärInnen und SportpolitikerInnen.

Im Dilemma

Karla Borger, Präsidentin von Athleten Deutschland, findet klare Worte für das Dilemma, in dem vor allem die Aktiven stecken, wenn Sportereignisse an autoritäre Regime vergeben werden. „Vor Olympia regt sich ja immer viel Kritik, aber die Themenschwemme, die derzeit über die Athleten hereinbricht, übersteigt unsere Vorstellungskraft.“ Nicht nur die Herausforderungen rund um Corona sorgten für Unsicherheiten, auch Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Datensicherheit bringen die SportlerInnen an einen mentalen Anschlag. Borger spricht von „krassen Spielen“, die man erwarte. Die Peking-Spiele sorgen für allgemeine Verunsicherung. Und Beunruhigung.

Was nun? Der DBS-Präsident Beucher sagt deutlich, man hätte die Spiele nicht an China vergeben dürfen. Aber man habe wenig Spielraum, wenn Bürger und Bürgerinnen gegen eine Bewerbung stimmten und am Ende nur noch Kasachstan und China übrig blieben.

Mit Blick auf die gescheiterte Olympiabewerbung Münchens für die Winterspiele 2022 sagte Beucher, es sei nicht gelungen, „in der Gesellschaft eine Bereitschaft für die Olympischen und Paralympischen Spiele im eigenen Land zu schaffen.“ Das gilt nicht nur für die Münchener Bewerbung. Weikert stimmte ihm zu. Man müsse „Bevölkerung, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft“ zusammenbringen, um Olympische Spiele wieder in Sportdeutschland austragen zu können.

Die ganze Republik

Aber: Nicht nur das PR-kreierte „Sportdeutschland“, sondern die gesamte reale Republik muss man hinter sich bringen. An Sport-Begeisterung fehlt es sicher nicht. Aber an Vertrauen in nationale und internationale Sportorganisationen. Die Institution IOC, viele Weltverbände, aber auch nationale SportvertreterInnen haben Glaubwürdigkeit verspielt, stehen für Intransparenz, Korruption, Vetternwirtschaft, Kostenexplosion, Anspruchshaltung, Arroganz und leere Versprechen.

Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland, forderte die Politik auf, große Sportverbände ähnlich wie globale Unternehmen zu behandeln, wenn es um die Achtung von Menschenrechten geht.

Drohung aus dem OK

Der DOSB, so Herber, habe für die AthletInnen eine Menge in Vorbereitung auf die Lage in China getan. Dennoch herrscht weiter große Verunsicherung. Besonders nach der Aussage des Pekinger OK-Mitglieds Yang-Shubei auf einer Pressekonferenz vor ein paar Tagen. Athleten müssten mit Sanktionen rechnen, wenn sie mit Äußerungen „chinesische Gesetze oder Regeln“ verletzten. Weikert sagt, das IOC habe ihm zugesichert, dass Athleten sich frei äußern dürfen. Man werde seine Athleten schützen, soweit es möglich ist, so der DOSB-Chef weiter. Was immer das in letzter Konsequenz dann heißen mag.

3G muss reichen

Das Thema Pandemie hat natürlich auch auf die Peking-Reisenden Auswirkungen. Viele AthletInnen hätten sich im Vorfeld in persönliche Blasen begeben, sagt Herber, „haben aber trotzdem vor jedem neuen Test gezittert“.

„Von Normalität sind wir im Sport meilenweit entfernt“, so Weikert. Er fordert pragmatische Lösungen, vor allem im Kinder- und Jugendsport. „3G muss hier ausreichend sein.“ Die Mitgliederentwicklung in den Vereinen ist ambivalent – es gibt vor allem bei Indoor-Sportarten Rückgänge, aber es gibt auch Zuwächse. Anders sieht es im Behindertensport aus. Die Mitgliederzahl ist von 600 000 auf 511 000 gesunken. „Da wissen wir nicht, wie wir das wieder auffangen können“ sagt Beucher. Nicht nur die Neuen im Sportausschuss, inklusive seinem neuen Vorsitzenden Frank Ullrich, werden auch da nach Antworten suchen müssen.