Vom IOC-Turbo überrascht

Olympisches Scheitern: DOSB weist Kritik entschieden zurück

Berlin, 1.März – Deutschland und Olympiabewerbungen – diese 1972 zum letzten Mal geglückte Versuchsreihe steht unter keinem guten Stern. Die Initiative Rhein Ruhr City (RRC) und Sportveranstalter Michael Mronz können erst mal die Bewerbungsaktivitäten ruhen lassen, denn das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sich im Schnelldurchlauf für das australische Brisbane als Kandidatenstadt für 2032 ausgesprochen.

Nun geht es mal wieder um Schuldzuweisung, wer denn das ganze versiebt hat. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wehrt sich gegen Vorwürfe, sich nicht genügend engagiert und die Gespräche mit dem IOC zu früh abgebrochen zu haben. Präsident Alfons Hörmann sagte am Montag, dass man nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Bewerbungsländern überrascht gewesen sei, dass das IOC im Auswahlprozess „den Turbo eingeschaltet“ habe. Bei einer virtuellen Pressekonferenz legte der DOSB in bisher nicht gekannter Freizügigkeit Zeitabläufe und Kommunikation zwischen den Beteiligten IOC, der RRC und dem DOSB vor und zitierte aus internen Mails. Die Botschaft: Der DOSB ist für den neuerlichen olympischen Fehlversuch nicht verantwortlich.

Wer aber dann? Es war eine Art Befreiungsschlag des DOSB. Denn: Auf einer denkwürdigen Pressekonferenz vergangene Woche, zu der die Initiative Rhein-Ruhr-City – federführend Michael Mronz – und Ministerpräsident Armin Laschet eingeladen hatten, musste der DOSB heftige Vorwürfe und Kritik einstecken. Das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. „Der DOSB, der in dem Thema am wenigsten involviert war, wird nun elegant in die Ecke des Buhmanns gestellt“, sagte Hörmann. „Dass uns der Zustand nicht erfreut und dass wir den nicht als akzeptabel ansehen, ist hoffentlich verständlich.“

Nennenswerte Informationen

Am Freitag manövrierte sich ein offensichtlich schlecht informierter und erboster nordrhein-westfälischer Ministerpräsident ins Abseits. Der hat am Montag mit Hörmann ein Telefonat geführt. „Es ist mir beziehungsweise uns gemeinsam klar geworden, dass der Ministerpräsident nennenswerte Informationen seitens Rhein Ruhr City nicht vorliegen hatte. Das heißt: Die Beschleunigung, die angekündigt war im Januar, war im genauso wenig bekannt wie zahlreiche weitere klare Äußerungen“, so der DOSB- Präsident.

Frage: Warum hat das unmittelbar agierende Sportteam um ihn herum nichts mitbekommen? Dass Laschet sicher in den letzten Monaten wegen der Pandemie, aber auch seiner Kür als CDU-Vorsitzender den Sport und Olympia Erwerbung nicht ganz vorne auf der Prioritätenliste hatte, dürfte verständlich sein.

Im engen Kontakt mit den IOC war aber Mronz. Der Sportmanager hat sich inzwischen mit einem Statement gemeldet: In der Darstellung des DOSB sieht er den Beleg dafür, dass „wir bis zur Verkündung von Brisbane durch das IOC ganz klar darauf vertrauen durften, unsere Anstrengungen mit Blick auf den Herbst als Datum des Ratsbürgerentscheides zielorientiert weiterzuverfolgen“. Und: Es habe „für sein Team keinerlei belastbare Faktenlage oder gar Datums-Perspektiven für so eine frühe Entscheidung gegeben, die eine Änderung des Arbeitsprogrammes oder eine Mitteilung an unsere Partner notwendig gemacht hätte.“

Also wurden Zeitabläufe offenbar unterschiedlich interpretiert, die Kommunikation zwischen Politik und Initiative ließ offensichtlich zu wünschen übrig. Und der DOSB sah seine Rolle als abwartender und beobachtender Akteur am Spielfeldrand.

Pandemie als Beschleunigungs-Faktor

Aber das IOC agierte anders und überraschte – vor allem die Deutschen. Sicher nicht nur wegen der Pandemie, „die auf Seiten des IOC insbesondere vor dem Hintergrund zu erwartender extremer ökonomische Konsequenzen aus der Krise zu einer enormen Beschleunigung der Vergabe der Olympischen Spiele 2032 geführt“ hat, wie es in der DOSB-Darstellung am Montag hieß. Man ist ja trotzdem kein schlechter Verlierer – zumindest gegenüber der potenziellen Olympiastadt Brisbane. „Aus Sicht des IOC und des Weltsports ist Brisbane ein exzellenter Bewerber und deshalb ist die Entscheidung durchaus nachvollziehbar“, meinte Hörmann.

Er übte für seine Verhältnisse deutlich Kritik am IOC, vor allem an der Art der Kommunikation. Laut IOC habe der DOSB den formalen Bewerbungs-Dialog vorzeitig abgebrochen. Und habe bestätigt, dass man dieses Projekt gerade in dieser Phase nicht unterstützen könnte. Das stimme aber so nicht sagt Hörmann. Der DOSB legte eine in Englisch verfasste IOC-Mail vor. „Was nun in Rot dargestellt ist, entspricht nach unserer Sicht schlichtweg Falschaussagen oder Fehlinformationen, weil es diesen Akt „has confirmed“ (hat bestätigt) nicht gegeben hat“, so Hörmann.

Zwischen den Zeilen

So weit so klar? An anderer Stelle dann doch eine Frage: Hörmann verweist darauf, dass es Hinweise auf ein beschleunigtes Verfahren schon gegeben habe, nämlich, wenn man zwischen den Zeilen der IOC-Erklärungen oder auch Aussagen lese. So habe IOC-Präsident Thomas Bach in einem Interview mit dpa im Dezember 2020 gesagt: „Alle zwölf Interessenten , die wir bereits jetzt für 2030 und 2032 haben, bleiben weiterhin im Boot …. Einige von Ihnen haben uns gebeten, das Verfahren beschleunigt voranzutreiben.“ Folgt man dem DOSB-Präsidenten, dann hätte man an diesen Sätzen erkennen müssen, dass da was im Busch ist. Aber wenn eher unerfahrene Menschen des Zwischenzeilen-Lesens in Sachen IOC-Kommunikation nicht mächtig sind – hätten dann die Experten diese nicht informieren sollen, ja müssen?

An Vorgaben gehalten

Dem DOSB kann man nicht vorwerfen, er hätte sich diesmal nicht an eigene Vorgaben und Absprachen gehalten. Hörmann kommunizierte immer wieder, dass erst ein Gesamtkonzept, dann eine gesicherte Finanzierung und schließlich eine Bürgerbefragung vorliegen müsse, wenn man sich bewerben wolle. „Wir haben im Gegensatz zu mancher Behauptung, dass wir aus den vergangenen Bewerbungen nichts gelernt haben, doch unsre Lehren gezogen“, so der Präsident.

Aus Fehlern lernen, Strategien entwickeln. Das war ja auch ein Grund, warum das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat ein Ressort in der Sportabteilung eingerichtet hat, das sich mit Sportgroßveranstaltungen beschäftigt. Übrigens  wird am Mittwoch (3. März) ein Hearing im Sportausschuss des Deutschen Bundestages stattfinden, wo über ein  Strategiepapier zum Thema Sportgroßveranstaltungen diskutiert wird.

Ob die Erkenntnisse, die da zusammengetragen wurden der Stein der Weisen ist und wirklich für die Zukunft weiterhelfen, ist mit einem dicken Fragezeichen zu versehen. Wirklich Neues und Erhellendes ist darin nämlich nicht zu finden…..

Stimmung gegen Spitzensport

Denn die Stimmung in der Gesellschaft tendiert eher gegen Spitzensport und Großveranstaltungen. Es war schon vor der Pandemie so, dass sich eine gewisse Müdigkeit und vor allem Ablehnung bei BürgerInnen breit macht, die es leid sind, häufig über Spitzensport nur noch in Verbindung mit Korruption, Intransparenz, Doping, Betrug und FunktionärInnen ohne Unrechtsbewusstsein zu hören.

Junge Menschen scheinen sich mehr für Klima- und Gerechtigkeitsfragen ehrenamtlich zu engagieren als für fragwürdigen Spitzensport. Da ist kommunikativ vieles aufzuarbeiten – was derzeit, wie auch die Pandemie zeigt – allgemein nicht gerade eine Stärke deutscher Verantwortungsträger ist.

Mediale Herausforderung

Ob IOC-Präsident Bach, der nun eine zweite Amtszeit anstrebt, über die jüngste Entwicklung unglücklich ist? Sicher nicht. Der Tauberbischofsheimer hat in seiner Heimat viele KritikerInnen – nicht nur in den Medien, wie er selbst beklagt -, die einen Bewerbungsprozess und alles was damit zu tun hat, für die IOC-Macher und den deutschen Oberolympier zu einer täglichen und über einen langen Zeitraum medialen Herausforderung gemacht hätte. Aus seiner Sicht ist Brisbane sicher die bessere Kandidatenwahl.

Gut vernetzt

Alfons Hörmann antwortete auf die Frage, ob man im IOC gut vernetzt sei, man habe ja mit dem Präsidenten den ersten Vertreter des Sports. Und mit der ehemaligen Fechterin Britta Heidemann eine exzellente Vertreterin in der Athletenkommission. IOC-Insider sehen die deutsche Präsenz im IOC dagegen sehr kritisch. Und der kürzlich verstorbene Walther Tröger sah den deutschen Sport auf internationaler Ebene und im IOC „mehr am Spielfeldrand sitzen als auf dem Platz aktiv.“

Vom Image der Deutschen als Organisations-Weltmeister ist zumindest in der Sportwelt der Lack ab. „Made in Germany“ steht momentan eher für Skandale wie VW, Wirecard oder WM-Sommermärchen.

Laschet hatte am Freitag dem DOSB vorgeworfen, kein Gespür dafür zu haben, was sich im IOC tut. Da stehen sich Politik und Sport aber in nichts nach. Wer eine Bevölkerung nicht für Spiele begeistern kann, der sollte vor allem sich selbst mal fragen, warum das so ist. Mit seinen Vorhaltungen und seiner Wortwahl zu IOC und Mronz war Hörmann am Montag nicht zimperlich – er, der selbst gerne in solchen Fällen Anwälte bemüht.

Dann ein versöhnliches Ende: Das Gespräch mit Laschet „habe ihm Mut gemacht“, und man sei sich einig „ dass wir in aller Ruhe ohne Zeitdruck die Karten neu legen“. Was heißt das? „Für 36/40 und folgende Jahre.“ Das hört sich genau nach Kartenlegen an und vielleicht stehen dann die Sterne für eine neuerliche deutsche Bewerbung tatsächlich günstiger.