Sportausschuss befasst sich u.a. mit Folgeschäden, Impfungen und den Tokioer Spielen
Berlin,14.Januar. Wie sieht’s denn nun sieben Monate und einen Lockdown weiter mit den finanziellen Schäden für Vereine und Verbände in Sportdeutschland aus? Diese Frage hatte der Sportausschuss des Deutschen Bundestages in dieser Woche als Punkt drei auf der Tagesordnung. „Aktueller Sachstand zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie“. Bereits im Mai hatte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die Abgeordneten mit einem möglichen Schaden von einer Milliarde Euro konfrontiert.
Mit Verspätung startete die Sportausschusssitzung, denn die Abgeordneten erlebten live, was SchülerInnen und ArbeitnehmerInnen häufig widerfährt – nämlich die digitale Alltags-Pleite. Technischen Problemen folgten dann inhaltliche Neuigkeiten. Was nicht so ganz richtig ist. Denn in Sachen Pandemiefolgen für die Sportvereine war auch diesmal das vom DOSB gezeichnete Bild eher diffus. Vielleicht hatten einige schon mit einem neuen Sachstand gerechnet, nicht zuletzt weil DOSB-Präsident Alfons Hörmann am 11. Januar 2021 in der Augsburger Allgemeinen auf die Frage „Im Mai 2020 haben Sie den coronabedingten Schaden für den Sport in Deutschland auf mindestens eine Milliarde Euro beziffert. Ist dieser Betrag inzwischen gewachsen?“ folgendes geantwortet hat: „Das war eine erste grobe Schätzung. Mittlerweile muss die Zahl deutlich nach oben korrigiert werden. Unter dem Strich werden es mehrere Milliarden sein, wobei das momentan niemand genau beziffern kann. Wer in die Vereine schaut, erkennt massive Auswirkungen – vom Mitgliederschwund bis hin zu unzähligen Veranstaltungen, die nicht stattfinden. Da geht viel Geld verloren. Das ist durch Einsparungen nicht zu kompensieren – vor allem dort nicht, wo professionelle Strukturen geschaffen werden. Mehr und mehr Vereine und Verbände stehen somit vor existenziellen Problemen.“
Neue Studie nicht fertig
Aber nichts Konkretes weiß man nicht. Auch im neuen Sportentwicklungsbericht 2020/2022, den die Sporthochschule Köln im Auftrag von Bisp, DOSB und Landessportbünden durchführt, befasste man sich mit Covid. Und stellte auf dem 13 Seiten umfassenden Fragebogen fünf Fragen zur Pandemie. In einer Pressemitteilung legte man nun Zahlen vor. So ergab sich in der Feldstudie, dass sich Mitgliedsabgänge (36,6 %) und -zugänge (35,0 %) beim ersten Lockdown die Waage hielten. Inzwischen habe sich das Bild geändert: Jetzt würden 44 % der Vereine Rückgänge und nur 29 % Mitgliederzuwachs melden. Studienleiter Christoph Breuer räumt ein, dass man sich die Zahlen nun noch einmal genauer ansehen müsse, um präzise Aussagen machen zu können. Der Bericht ist erst im März fertig, dann wird auch Klarheit darüber herrschen, welche Vereine unter den über 20 000, die teilgenommen haben, nach eigenen Aussagen welche Probleme bekommen werden.
Hilfestellung
Und so blieb der sportpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eberhard Gienger, nicht allein ohne wirklich „neuen Sachstand“ bei diesem Tagesordnungspunkt. „Natürlich geben wir Hilfestellung, wenn sie gebraucht wird. Die Rechnungen zu den Coronaschäden sind für mich, wie schon im Mai, Orientierungshilfen.“ Die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag (SPD) zeigte sich wenig überrascht, dass „wir keine wirklich neuen Erkenntnisse in Bezug auf faktenbasierende Zahlen erfahren haben.“
Kollegin Monika Lazar, sportpolitische Sprecherin der Grünen, ist offen für die Anliegen des Sports, aber: „Ich denke, allen Akteuren ist klar, dass der Sport in einer – auch ökonomisch – schwierigen Lage ist. Auf Landesebene gibt es daher ja bereits Hilfsprogramme für den Breitensport und auf Bundesebene beispielsweise die „Coronahilfen Profisport“. Die Zahlen von Deloitte und DOSB kann man als erste Schätzung für entgangene Einnahmen nehmen, besonders valide sind sie aber nicht. Schäden in Milliardenhöhe, wie von Alfons Hörmann behauptet, erkenne ich hier noch nicht.“ Dagmar Freitag findet außerdem, dass „mit Geld allein die Probleme nicht zu lösen sind“.
Im September hatte der DOSB bereits seine zweite Deloitte- Erhebung nachgeschoben. Auch hier, so die Kritik, sei wie bei der Vorlage im Mai die Datengrundlage wenig valide. Diesmal hatten von 112 abgefragten Organisationen 40 Prozent geantwortet.
Corona-Gipfel
Unzufrieden ist André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Linken, mit der Situation. „Es wäre gut, wenn wir ein umfangreicheres Bild von Problemen und Schäden hätten.“ Und fordert deshalb einen „Corona-Gipfel“ im Kanzleramt. „Es ist immer weniger vermittelbar, warum der Profi- und Spitzensport angesichts der Corona-Infektionszahlen – wenn auch mit Einschränkungen – weiter betrieben werden kann, während der Breiten- und Gesundheitssport faktisch komplett stillgelegt ist.“
Der DOSB hatte als Tischvorlage für die Abgeordneten und als Beleg für das Mantra der finanziellen Schäden Zitate von Vereins- und Verbandsvorsitzenden mitgebracht. Und DOSB-Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker sagte im Deutschlandfunk: „Vor allem machen wir uns Sorgen um die Vielfalt von Sportdeutschland.“
Um diese Vielfalt zu erhalten, müsse der DOSB nun auch aktiv werden, forderte Freitag. „Ich erwarte vom DOSB Antworten auf die drängendste Frage: Was konkret tut der Dachverband, um die Vereine konzeptionell vorzubereiten auf den Tag, an dem sie ihr Angebot wieder ohne Einschränkungen an den Start bringen können? Und ich erwarte darüber hinaus, dass man diese Frage nicht erneut einer externen Agentur zur Beantwortung übergibt.“ Man habe Papiere in den Schubladen so Rücker.
Die Vertreter des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, hielten sich, so Teilnehmer, bei diesem Tagesordnungspunkt auffällig zurück. Warum wohl…?
Keine Bevorzugung
Thema waren auch die Olympischen Spiele in Tokio. Auch hier scheint man erst einmal die Monstranz Optimismus vor sich herzutragen – denn so einen richtigen Plan, was passiert, wenn the worst case eintreten sollte und die Spiele gänzlich abgesagt werden, hat man offensichtlich nicht.
Mal abgesehen davon, dass in einer Reihe von Sportarten noch gar keine oder kaum Qualifikationen stattgefunden haben, stellt sich zum Beispiel die Frage, ob SpitzenathletInnen eine Sonderrolle in Sachen Impfen eingeräumt werden soll.Da sind sich bis jetzt offensichtlich alle einig: Nein. „Max Hartung hat es ja deutlich gesagt – keine Extrabehandlung für SpitzensportlerInnen. Der Meinung schließe ich mich an“, sagt Freitag. Und Monika Lazar ist sich ganz sicher: „Eine Priorisierung von Olympia-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern bei der Impfung wird es nicht geben, es gilt die Priorisierung nach der Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministers.“ Und weiter: „Es wäre der Bevölkerung nicht zu vermitteln, wieso Athletinnen und Athleten bevorzugt werden sollten. Man muss hoffen, dass die Impfungen nun so schnell vonstatten gehen, dass auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Spiele bis zum Sommer an der Reihe waren.“
Impf-Einigkeit
Hahn denkt sicher an die berühmten Pferde vor der Apotheke , denn der anhaltenden Impf-Einigkeit traut er nicht. „Die Auffassung der Bundesregierung und aus den Reihen des Sports, dass keine Notwendigkeit besteht, Berufs- und Spitzensportler sowie deren Trainer und Trainerinnen vorrangig gegen Corona zu impfen, teile ich grundsätzlich. Ich bin allerdings gespannt, wie lange angesichts der vielen Ausnahmen, die für den Spitzen- und Profisport gemacht wurden, diese Position auch tatsächlich beibehalten wird.“
Gleichbehandlung
Auch unter dem Gleichheitsgrundsatz und der Gleichbehandlung wird die Impffrage national und international sicher noch für viel Diskussion sorgen, denn es ist kaum anzunehmen, dass alle Nationen bis dahin genug Impfstoff haben – und sich alle auch impfen lassen wollen. Gienger, der „optimistisch ist, dass die Spiele von Tokio stattfinden,“ ist sicher, dass sich die Frage des Impfens bis zu den Spielen so nicht mehr stellen wird. Über Impfpflicht wird ja momentan nicht nur in systemrelevanten Berufsgruppen kontrovers diskutiert. Da möchte man sich nicht vorstellen, wie das im Sport dann aussehen könnte, wenn sich die Frage zeitnah stellen könnte.Wie sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn richtig: „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen.“