Trainer und Trainerinnen noch immer an der Kette

Trotz neuem Konzept: Befristete Verträge / BVTDS schlägt Alarm

Berlin, 11. Januar. Eigentlich sollte sich mit der Leistungssportreform, die die Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) 2016 in Magdeburg verabschiedete, nicht nur die Situation von AthletInnen verbessern, sondern besonders auch die der TrainerInnen. Mittlerweile sind vier Jahre ins Land gezogen, 2019 wurde – nach einigen Anlaufschwierigkeiten – einstimmig ein Trainerkonzept von der DOSB-Mitgliederversammlung angenommen.

Was hat sich seither noch getan? Offensichtlich wenig. Der „Bundesverband der Trainer/innen im Deutschen Sport (BVTDS)“ hat nun bei BundestrainerInnen nachgefragt, wie die Lage ist – und schlägt Alarm. Denn im Vergleich zu einer Studie der Deutschen Sporthochschule Köln von 2017 zum Thema „Bundes- und mischfinanzierte Trainer im deutschen Spitzensport – Standortbestimmungen und Migrationsanalyse“ seien bisher kaum „positive Entwicklungen“ festzustellen, so der BVTDS.

Im Reformkonzept von 2016 ist nachzulesen: „Erhebliche Defizite sind im Bereich der vertraglichen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse der Trainer zu verzeichnen. Sie reichen von arbeitsrechtlich problematischen Mehrfachbefristungen über mangelnde soziale Absicherung, fehlende Weiterbildungsverpflichtungen bis hin zu überdurchschnittlich langen Arbeitszeiten.“ Soweit die Analyse, die auch schon 2005 beim Start der sogenannten „Traineroffensive“ punktgenau die Trainersituation beschrieb.

Berufsbild definiert

Zumindest wurde eine Forderung aus dem Reformpapier 2016 umgesetzt: Es gibt ein definiertes Berufsbild des „Trainers im Sport“, über dessen Ausbildung, Anforderungen und Aufgabenbereiche.

Aber noch immer sind rechtswidrige Ketten-Arbeitsverträge gang und gäbe. Zwei Drittel der BundestrainerInnen, so ergab die Umfrage, seien befristet, – davon die Hälfte mit einem Ein-Jahres-Vertrag, der bereits mehrfach verlängert worden ist. Die Verschiebung der Olympischen Spiele hatte für 28 Prozent der befragten BundestrainerInnen ebenfalls nur eine einjährige Vertrags-Verlängerung von 2020 auf 2021 zur Folge.

Beim verabschiedeten Trainerkonzept haben die Verbände – sie sind die Arbeitgeber – aber zugestimmt, dass Ketten-Arbeitsverträge unterbleiben, Arbeitsschutz und Arbeitszeit besser geregelt werden. Und auch dass Lohnuntergrenzen eingeführt werden.

Zu viele Aufgaben – wenig Zeit

Von 400 angeschriebenen BundestrainerInnen beteiligten sich 180 an der Umfrage. Sie bestätigten auch, dass sich bei Arbeitszeit und Arbeitsschutz bisher nicht viel getan hat. Nur wer geschickt plane, komme mit der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit klar – und auch nur, wenn die Umstände es erlauben. Die meisten liegen trotz guter Planung oft weit über dem Zeitbudget. Jeder dritte überschreite seine Arbeitszeit in der Regel um mehr als 25 Prozent – zwei Drittel bekämen dafür keine Vergütung. Holger Hasse, einst selbst Bundestrainer im Badminton-Verband und heute Präsident des BVTDS in Doppelspitze mit Gert Zender, überraschen diese Ergebnisse nicht. Gründe liegen für den Präsidenten in „viel zu umfangreichen Tätigkeitsfeldern von Trainerinnen und Trainern sowie anderseits in mangelhafter Einsatzplanung.“ Für Hasse wären ordentliche Tarifverträge die Lösung vieler Probleme.

Zweitberuf

Durchschnittlich, so der Verband, hätten Bundestrainer ein Bruttojahresgehalt von ca 47 000 Euro. Manche bekommen weniger, und haben dann oft noch einen Zweitberuf, um über die Runden zu kommen.

Gert Zender findet die Situation insgesamt „beschämend“. „Die Verbände verlangen als Arbeitgeber Höchstleistungen von ihrem Trainerpersonal, verweigern aber eine sichere Perspektive. Dass die Befristung der Verträge vom olympischen Erfolg und der Haushaltslage abhängig ist, ist zwar aus Sicht der Verbände nachvollziehbar, aber macht das Ganze nicht besser und vor allem nicht rechtmäßig.“

Der Bund finanziert die rund 800 Bundestrainer dieser Republik. Um so verwunderlicher ist, dass das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das auch für den Sport zuständig ist, diese rechtswidrige Praxis der Kettenverträge seit Jahren hinnimmt. Argument des Nichtengagements: die Autonomie des Sports.

Keine große Lippe

Während die Athleten durch die Gründung des Vereins Athleten Deutschland sich nun von gängelnden FunktionärInnen abgenabelt haben, gegenüber Verbänden auch ihre Forderungen formulieren, lautstark und standfest ihre Interessen gegenüber nationalen und internationalen Sportorganisationen vertreten, tut sich die Trainergilde mit Rebellion doch etwas schwer. Der Athletenverein erlebt einen großen Mitglieder-Zulauf; beim BVTDS sind derzeit 160 TrainerInnen Mitglieder. Woran liegt das?

Die Ausgangssituation ist etwas anders: Eine große Lippe riskieren oder sich gegen den Arbeitgeber Verband aufzulehnen, können TrainerInnen halt nicht ganz so problemlos – sie sind schließlich angestellt. Und vielen, vor allem jüngeren BundestrainerInnen werden problematische Arbeitsbedingungen oft erst bewusst, wenn sie beispielsweise eine Familie gründen. „Am Anfang ist das für die jungen Trainer einfach ein toller Job, der mit Reisen und auch Freiheiten im Arbeitsalltag verbunden ist“, sagt Hasse, der auch als Dozent an der Trainerakademie in Köln tätig ist. Und dort versucht er die Studierenden nicht nur auf die schönen Seiten, sondern auch auf die Problemfelder des Trainerberufs vorzubereiten. Im Alltag selbst haben viele gar nicht die Zeit, sich um berufliche Themen zu kümmern, was aber ein starker Berufsverband wie der BVTDS für sie zunehmend übernehmen könnte, wenn der Organisationsstatus unter den TrainerInnen wachsen würde. Aber irgendwie sind Trainer häufig noch auf dem Einzelkämpfer-Trip. Immerhin gibt es mehr und mehr Betriebsräte in Verbänden, die Trainerinteressen mit vertreten.

Mehr Kompetenz

Auch das gesellschaftliche Standing des Trainerberufes lässt noch zu wünschen übrig. Deshalb müsse man an der Verbesserung des „Kompetenzstandes“ der TrainerInnen arbeiten – was für Hasse auch eine bessere Ausbildung bedeutet, die in einem Bachelor oder Master enden sollte. „Der Deutsche Skiverband hat da ein vorbildliches Modell entwickelt“, sagt Hasse.

Für die beiden BVTDS- Präsidenten gibt es noch viel zu tun. Jetzt wollen sie sich erst einmal mit Vertretern des BMI zusammensetzen und mit den AG-Teilnehmern, die das Trainerkonzept erarbeitet haben.

Wir fordern wiederholt, dass auch der Bund als Zuwendungsgeber die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zur Bedingung macht, diese kontrolliert sowie Zahlungen davon abhängig macht. Es ist auch eine Frage der Gleichbehandlung denjenigen Verbänden gegenüber, die sich an Recht und Gesetz halten.“

Trainerkonzept erst 2022

Und was sagt der DOSB zu der ganzen Angelegenheit? Dirk Schimmelpfennig, einst Bundestrainer beim Deutschen Tischtennisbund (DTTB), heute Vorstand Leistungssport im DOSB, weiß aus eigener Erfahrung, worum es geht. Er forderte 2017 auf einer Veranstaltung in Berlin in Sachen Trainer-Situation. „Wir müssen die Missstände nicht nur diskutieren, sondern endlich handeln.“ Aber auch hier musste nicht nur Schimmelpfennig lernen, dass in Sachen TrainerInnen zwar alle betonen, dass natürlich die Situation verbessert werden muss, natürlich Kettenverträge unmöglich sind. Und man dem Trainerkonzept zustimmt. Das dann aber einige doch nicht umsetzen.

Auf Anfrage bei der DOSB-Pressestelle, wie man die Trainersituation im Frankfurter Haus des Sports sieht, antwortet Schimmelpfennig: „Die Mitgliederversammlung des DOSB hat am 7.12.2019 das Konzept zur Verbesserung der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für TrainerInnen, das unter Beteiligung von Vertretern des BVTDS erarbeitet worden ist, verabschiedet. DOSB und BMI haben sich 2020 mit den Möglichkeiten der Umsetzung des Konzepts befasst und zudem mit der Traineranalyse zur Anwendung der Bund-Länder-Vereinbarung weitere wichtige Grundlagen zur Gestaltung von Neuverträgen geschaffen. Da die bestehenden Trainerverträge im Zuge der Verschiebung der Olympischen Spiele 2020 um ein Jahr bis Ende 2021 verlängert wurden, ist der Abschluss von Neuverträgen und damit die Umsetzung des Trainerkonzepts erst zum 1.1.2022 möglich.“