DOSB sieht sie als Mitglied des Teams D – BMI widerspricht
Berlin, 23.April. Wer sich bei deutschen Sportverbänden umhört, der verspürt bei den meisten Erleichterung, seit die Politik die Impfreihenfolge für die SpitzenathletInnen, die bisher noch keine Spritze bekommen haben, aufgebrochen hat. Am 3. Mai soll das Impfprogramm starten. Wie es genau über die Bühne gehen soll, ist noch nicht klar – im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) bastelt man noch an einem Plan, der vor allem zeitlich sehr ambitioniert ist.
Die guten Nachrichten hierzulande werden von schlechten aus dem Gastgeberland überschattet: Tokio steht vor einem neuen Lockdown, und nun wurde beim olympischen Fackellauf offiziell ein Coronafall auf der Insel Shikoku gemeldet. Aus den Präfekturen, durch die der am 25. Mai gestartete Lauf noch gehen soll, wurden weitere Vorsichtsnahmen und eine Verlegung weg von öffentlichen Straßen gefordert. Ob die Olympischen Spiele (23. Juli bis 8. August) und die Paralympischen Spiele (24. August – 5. September) angesichts der steigenden Zahlen nun wirklich stattfinden können, ist ungewisser denn je.
Im deutschen Sport dagegen herrscht bei vielen gute Laune: Nicht nur, weil die AthletInnen nun ihrem olympischen Start einen Schritt näher sind. Sondern weil mit der Impferei wieder einmal der DOSB und der Spitzensport in ihrer Sonderrolle von der Politik bestärkt wurden. DOSB-Präsident Alfons Hörmann kommentierte die Entscheidung des CSU-geführten Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat (BMI): „Damit erhalten unsere Team-D-Mitglieder nun wertvolle Klarheit und Sicherheit.“
Nicht glücklich
Über die Entscheidung sind nicht alle im politischen Berlin glücklich. Nach wie vor sind Pandemie und Spitzensport (besonders auch der Profifußball) ein heißes Eisen, an dem man sich in den beteiligten Ministerien nicht die Finger verbrennen will. Angesichts des nun verschärften Infektionsschutzgesetzes, das ab morgen (24. April) gilt und das Vereinsleben und vor allem den Kinder- und Jugendsport weiter nahezu stilllegt, empfinden viele die Impf-Entscheidung als ein neuerliches Einknicken vor dem kommerzialisierten Sport.
Scheinbar Glück für den DOSB und seine olympischen Reiseplanungen ist, dass offenbar mehr Impfstoff als bisher erwartet in der Republik ankommen soll – ein Versprechen, das es öfter gab und dann nicht eintraf. Bundeskanzleramtschef Helge Braun dämpft denn auch überzogene Erwartungen, wenn eine Priorisierung eventuell im Juni aufgehoben wird.
„Das heißt nicht, dass dann schon Anfang Juni für alle genug Impfstoff vorhanden sein wird“, sagt er der „Augsburger Allgemeinen“.
„Sehe ich nicht“
Die Bevorzugung der SpitzensportlerInnen kommt nicht überall gut an, Die Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, Dagmar Freitag, fasst zusammen, was viele denken, wenn es mal wieder um Glaubwürdigkeit im Sport geht. Sie verweist auf die Aussage der AthletInnen in den letzten Monaten, dass sie erst eine Impfung wollten, wenn die Priorisierungsgruppen 1 bis 3 durch wären. „Ich sehe allerdings nicht, dass das in der ersten Maiwoche sein wird“, so Freitag in der Berliner Zeitung.
SportlerInnen, die bei Bundeswehr oder Bundespolizei beschäftigt sind, sind ohnehin geimpft. Andere haben wegen einer Vorerkrankung wohl schon ihre Dosis bekommen. Also viel Lärm um ein paar Impfungen?
Zeit für Konzept
Klammern wir die moralische Frage aus und fragen nach der logistischen Umsetzung der Impfaktion. Der DOSB hätte ja nun Zeit gehabt, parallel zum ständigen Mahnen die Impfungen zu organisieren, indem er ein Konzept ausarbeitet. Daran bastelt aber jetzt offensichtlich erst der zuständige Vorstand Leistungssport, Dirk Schimmelpfennig.
Eine Reihe von Verbänden war nach der Impfentscheidung wohl überrascht – auch von der Frage, wie das nun ablaufen wird. Andere haben schon konkretere Erkenntnisse. Die Deutsche Triathlon Union konnte weiterhelfen. Etwa im Bezug auf die Impfstandorte: Das sollen, so die momentane Information, Olympiastützpunkte und deren angebundene medizinische Untersuchungszentren sowie Lehrgangsstandorte wie das Olympische und Paralympische Trainingszentrum Kienbaum sein.
DOSB-Vorschlag
Neben den AthletInnen sollen TrainerInnen und BetreuerInnen mit geimpft werden, die „sehr wahrscheinlich von Seiten des Verbandes dem DOSB zur Nominierung vorgeschlagen werden.“ Die Erstimpfung soll in den Kalenderwochen 18 (ab 3. Mai) und 19 (ab 10. Mai) erfolgen, die Zweitimpfung im zeitlichen Abstand von mindestens vier Wochen abhängig von Trainings-, Wettkampf- und Qualifikationszeitraum.
Der DOSB antwortete auf Anfrage, wer und wie viele geimpft werden, wie folgt: „Der DOSB hat mit den Fachverbänden der Sommersportverbände ein auf die Olympia-Qualifikationen abgestimmtes Nominierungsverfahren vereinbart. AthletInnen und BetreuerInnen werden nach einem Nominierungsvorschlag durch die Fachverbände vom DOSB nominiert. Wir gehen davon aus, dass wir allen AthletInnen und BetreuerInnen ein rechtzeitiges Impfangebot machen können.“
Das BMI ist auf Anfrage hinsichtlich des zu impfenden Betreuerkreises detaillierter: „Alle an den Olympischen und Paralympischen Sommerspielen teilnehmenden Athletinnen und Athleten sowie ihre begleitenden Betreuerinnen und Betreuer, d.h. Trainer und Trainerinnen, Ärzte und Ärztinnen, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten können geimpft werden.“
Es bleibt bei der Prioritätenliste
Und das BMI verweist noch einmal darauf, dass „die Impfungen aus dem Impfstoffkontingent des Bundes erfolgen, d.h. es bleibt grds. bei der Impfprioritätenliste. Die Impfungen finden dezentral und in Abstimmung mit den Trainingsplänen statt. Eine Impfreihenfolge gibt es nicht.“
Soweit klar? Wie ist das mit der Impfung denn nun im Bezug auf FunktionärInnen, die in Tokio dabei sein wollen? Das BMI sagt klar: „Funktionäre gehören nicht zum Kreis der Betreuer.“ Also keine Impfung.
Der DOSB sieht das in seiner zusammenfassenden Antwort aber anders: „ Das gilt selbstverständlich auch für FunktionärInnen, da unsere oberste Priorität der Schutz des gesamten Team D ist.Über die konkrete Nominierung der FunktionärInnen entscheidet der DOSB im Rahmen der Nominierungssitzungen.“ Also lernen wir – zum Team D gehören auch FunktionärInnen – und es gibt offensichtlich auch hier noch Klärungsbedarf zwischen Politik und Sport.
Wer fährt?
In manchen Verbänden, etwa bei den Modernen Fünfkämpfern oder auch bei den Triathleten, ist es angesichts der Pandemielage, so der Fünfkampf-Präsident Michael Scharf, keine Frage: Präsident oder Präsidiumsmitglieder werden nicht vor Ort sein. „Was sollen die da auch…?“, so die Gegenfrage. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und das Organisationskomitee würden lieber weniger denn mehr Offizielle angesichts der Pandemielage in Tokio sehen – so jedenfalls das Narrativ..
„Wie groß das Team D am Ende wird, hängt insbesondere davon ab, wie viele AthletInnen sich qualifizieren und nominiert werden. Die Impfplanung wird derzeit mit dem federführenden Bundesinnenministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) abgestimmt“, so der DOSB.