EM: Erst „No way“ – und jetzt doch

Kommentar: Politik mal wieder eingeknickt vor UEFA und Profifußball

Berlin, 23.April. Manchmal glaubt man, in einem absurden Theaterstück zu sitzen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn informiert gerade mit seinen Experten in der wöchentlichen Pressekonferenz über die Corona-Lage. Es geht um die Be- und Überlastung der Intensivstationen der Republik. Er richtet einen weiteren Appell an die BürgerInnen, die sich wieder auf neue Regeln infolge des neuen Infektionsschutzgesetz des Bundes einstellen müssen. Und währenddessen kommt die Meldung, dass die Forderung der UEFA, bei den Spielen der Europameisterschaft Zuschauer zuzulassen, auch in München erfüllt wird. Da steigt das Adrenalin des nun seit über einem Jahr gegängelten Fußvolks, das sich zum Großteil an die ungeliebten und oft unlogischen Regeln brav hält, verständlicher Weise ganz schnell in gefährliche Höhe.

Am Montag kam die Impf-Sonderlösung für die potenziellen Olympioniken und ihren Tross, nun am Freitag die neuerliche Extrawurst der Politik für den Profifußball. Da fängt die Zündschnur der sanftesten und auch sportaffinen Menschen dann doch schon mal selbst an zu brennen. Es wird ihnen zu viel mit den Ausnahmen von den Ausnahmen, zumal ihr eigenes Sporttreiben im Verein oder mit dem eigenen Team weiter verwehrt bleibt. Max Liebermann läßt grüßen „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich ko… könnte.“

No way“ hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder noch vor einigen Tagen auf die Frage geantwortet, ob die Münchner EM-Spiele mit Zuschauern stattfinden werden. Derweil war sein Innenminister Herrmann aber schon bei lauten Gedankenspielen. Man wolle aber „nichts versprechen“, hatte die Landesregierung betont.

Nun ist eine Mindestkapazität von 14 500 Zuschauern als Leitszenario in München „realistisch“. Sie werden drei Gruppenspiele der deutschen Nationalmannschaft und das Viertelfinale in der Münchener Arena sehen.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) teilte freudig am Freitag mit, „dass die Regierung des Freistaates Bayern ihr Einverständnis mit dem Leitszenario erklärt“ habe. Die Zusage stehe allerdings unter einem Vorbehalt: die pandemische Lage müsse sich bis Juni verbessern.

Das heißt was? Eventuell doch nicht dabei, wenn alles schlecht läuft? München hat derzeit einen Inzidenzwert von etwa 150. Und da liest man dann vom DFB: „Eine Anpassung des Leitszenarios durch die nationalen und/oder lokalen Behörden würde notwendig werden, falls die öffentliche Gesundheit aufgrund einer sehr nachteiligen Entwicklung von Covid-19 gefährdet wird.“ Das ist dann wohl so zu verstehen, dass man ein paar weniger Zuschauer ins Stadion läßt, aber keine Absage… Und natürlich auch keine Geisterspiele, die UEFA-Präsident Aleksander Ceferin sowieso bei der EM vom 11. Juni bis 11. Juli ausgeschlossen hat.

Nun werden also demnächst Fans und Mannschaften vier Wochen quer durch ein vom Virus gebeuteltes Europa gondeln. Von und nach Amsterdam, Kopenhagen, Baku, St.Petersburg, Bukarest, Budapest, Glasgow, London, Rom und München.

Die EM als neue Virus-Schleuder? Jedenfalls gewinnen PolitikerInnen mit solchen Aktionen weder Glaubwürdigkeit noch Vertrauen bei den BürgerInnen zurück – schon gar nicht der Kanzlerkandidat der Herzen Markus Söder: No way!