Ritter der Schwafelrunde

Sportausschuss-Anhörung zum Sportbericht der Bundesregierung

Berlin, 6. Juni.- Öffentliche Sitzungen des Sportausschusses im Deutschen Bundestag sind Mangelware, öffentliche Anhörungen selten. Überraschend hatte nun das Gremium diese Woche zu einer solchen Anhörung geladen. Thema: Unterrichtung durch die Bundesregierung zum 14. Sportbericht. Sowohl das Thema wie auch die Sachverständigenliste, die man eher als Lobbyisten-Liste bezeichnen muss, verwunderte. Warum zu diesem Zeitpunkt diese Veranstaltung, die vor allem am Ende mal wieder ärgerlich war und alle Vorurteile über den Sportausschuss bestätigte: Die Ritter der Schwafelrunde.

179 Seiten lang ist der 14. Sportbericht der Bundesregierung, der den Zeitraum von 2014 bis 2017 umfasst. Der hätte schon im letzten Sommer vorliegen sollen. Kam aber nicht. Erst im April 2019 lag er dann vor. Warum? Von Seiten des Bundesinnenministeriums (BMI) keine Erläuterung, aber man muss wohl kein Hellseher sein, wenn man den Ministerwechsel und die personellen Turbulenzen innerhalb der Sportabteilung im BMI als Ursache vermutet, aber nicht als Entschuldigung für die Verspätung akzeptiert.

Nun sahen sich wohl auch die Koalitionäre von CDU/CSU und SPD irgendwie in Zugzwang und gaben dem Drängen der Linken nach, den verspäteten Bericht wenigstens im Ausschuss zu behandeln und damit zum Abschluss zu bringen, wenn schon nicht im Plenum, wie sonst üblich. Zeitdruck ist kein guter Ratgeber, wie sich zeigt.

Was erwartetet man von den Mitgliedern des Sportausschusses, wenn sie sich mit dem Sportbericht der Bundesregierung beschäftigen? Knallharte Fragen. Und dass sie sich damit konstruktiv und sachlich auseinandersetzen im Sinne der BürgerInnen, die sie ja vertreten und deren Geld sie verteilen.

Nicht weh tun

Das war wieder einmal nicht so. Schon die starre, minutengetaktete Befragungsform verleitet manchen Parlamentarier, ins Schwafeln zu kommen, statt Fragen zu stellen. Und dann sind es nicht selten peinliche Verlegenheits-Fragen. Denn eigentlich müsste man vieles  wissen, was man da als Frage formuliert, wenn man Mitglied des Sportausschusses ist. So tut man sich nicht weh, bestätigt sich gerne gegenseitig und feiert das großzügige BMI, die Haushälter und den wohlwollenden Sportausschuss.

Es wurde in dem parlamentarischen Frage-und-Antwort-Spiel wieder deutlich, dass es keine Zukunftsvorstellung  gibt, wie der Sport generell in der deutschen Gesellschaft aussehen soll. Minister Horst Seehofer hat in einem FAZ-Interview vom „Paradigmenwechsel“ im deutschen Sport gesprochen. Gemeint ist damit, dass in den (Spitzen-)Sport noch mehr Geld hineingepumpt wird, mit dem Hinweis (Achtung Heimatministerium!), dass man die Region stärken möchte. Wie verwaiste Bundesstützpunkte beispielsweise die ländliche Infrastruktur stärken sollen, dafür gibt es keine Belege. Paradigmenwechsel im Seehoferschen Verständnis heißt also – Salto rückwärts –, es geht weiter wie vorher, weiter Geldvergabe ohne Transparenz. Und somit hat sich die Reform erledigt. Es bleiben kleine Schönheitskorrekturen.

Kleinklein

Nicht nur zu den Ministerausführungen, sondern auch zum Sportbericht gäbe es da eine Reihe interessanter Fragen. Bundesinteresse? Transparenz? Kontrolle? Fragen, die im Raum stehen, die aber keiner der Parlamentarier stellt. Die Fragen der Abgeordneten verlieren sich in Details und in Kleinklein – abhaken, nicht nachfragen. Nächste Frage.

Nein, nicht ungerecht werden. Der Präsident des Deutschen Handballbundes, Andreas Michelmann, der gleichzeitig Sprecher für die Mannschaftssportarten ist, hat Punkte, die man auf Grundlage des Sportberichts intensiv diskutieren kann. Beispiele Trainerausbildung oder Talentförderung. Konzept für Großveranstaltungen. Oder die Modernisierung der Sportinfrastruktur. Und da muss er als Bürgermeister von Aschersleben gar nicht das Wort „Sanierungsstau“ in den Mund nehmen, um bei den Parlamentariern zu punkten. Schließlich kennen die das oft berechtigte Lamento ja aus ihren Wahlkreisen. Seine Aussage  konterkariert Michelmann aber dann mit den Ausführungen zu Eissporthallen. Weil „alle“ Hallen „über vierzig Jahre alt sind“, hätten Vereine Kinder wegschicken müssen, die sich nach dem Gewinn der Silbermedaille der Nationalmannnschaft in Peongchang für den Eishockeysport begeisterten. Mal abgesehen davon, dass sich da die Frage stellt, was der Zusammenhang ist, wäre interessant, wie denn PolitikerInnen, die ja in letzter Zeit gerne alle sehr viel über Klimaschutz reden, zu solchen ressourcen- und kostenintensiven Sportstätten stehen. Da wäre dann doch in jeder Hinsicht ein Faktencheck angebracht.

Schlechte Choreographie

Viele Anmerkungen, wo Nachfragen dringend nötig gewesen wären, gingen verloren. Das lag vor allem an der schlechten Choreographie dieser Anhörung. Keine strukturierten Themenfelder, keine unabhängigen Sachverständigen. Verständlicherweise waren die anwesenden Sachverständigen – Christian Sachs, Leiter des Hauptstadtbüros für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), die Athletenvertreterin Manuela Schmermund, Ingo Weiss als Sprecher der DOSB-Spitzenverbände, Michael Ilgner, Chef der Stiftung Deutsche Sporthilfe und Uwe Lübking als Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes – vor allem in eigener Sache unterwegs.

Und nachdem der Bund sein Füllhorn über den deutschen Sport ausschüttet, mussten sich Staatssekretär Stephan Mayer, der den Sportbericht nochmal zusammenfasste, sowie die BMI-Mitarbeiter keine Ausführungen fürchten, die sie vielleicht in Bedrängnis gebracht hätten. Athletenvertreterin Manuela Schmermund wagte leise Kritik, konkretisierte aber nicht, was sie beispielsweise mit ihrem Vorwurf des „Machtmissbrauchs“ im Sport meinte. Nachfrage von Seiten der Parlamentarier? Auch hier Fehlanzeige. In einem Nebensatz fiel beispielsweise der Begriff Altersversorgung für Spitzenathleten. Niemand nahm diese Anmerkung auf, wobei doch gerade da – nicht nur im Bezug auf den Gleichheitsgrundsatz – sich eine Reihe von Nachfragen anbieten.

Der Sportausschuss hat wieder einmal eine Chance vertan, sich zu profilieren. Gerade im Zusammenhang mit der Reform hatten ja die Sportausschussmitglieder und deren Vorsitzende Dagmar Freitag immer wieder eine gesamtgesellschaftliche Debatte und auch mehr Transparenz eingefordert. Der Tag der Anhörung wäre Gelegenheit gewesen, auf der Basis des Sportberichts damit selbst anzufangen. Am Ende war es wieder mal eine Scharade.