Un-schöne Bescherung für den Berliner Sport

Vereine sind wegen Hallenbeschlagnahmungen sauer auf den Senat

Berlin, 22. Dezember. Flüchtlinge in Sporthallen: In Berlin sind Beschlagnahmungen von Sporthallen beliebte, weil leicht zu händelnde Praxis, was nun aber für Ärger sorgt, denn: Den Vereinen – über 100 sind bereits betroffen – wird damit ihr Praxisfeld entzogen. Mitgliedsaustritte und damit Beitragsausfälle sorgen auch für wirtschaftliche und existenzielle Probleme.

Die Sportvereine gehören zu denjenigen, die sich von Anfang an für Flüchtlinge in Deutschland engagieren – weit über ihren eigentlichen Aufgabenbereich hinaus. Das gilt besonders auch für die Berliner Vereine und den Landessportbund (LSB). Doch in der Jesse-Owens-Allee beim LSB herrscht keineswegs Weihnachtsstimmung. Für die unschöne Bescherung sorgte mal wieder der Berliner Senat. Auf den nämlich sind Vereine und Verbände stinksauer. Auch hier haben es sich die Stadt-Verantwortlichen, die seit Monaten das Chaos rund um das Lageso nicht in den Griff bekommen, mit einer weiteren gutmeinenden und hilfsbereiten gesellschaftlichen Gruppe – dem organisierten Sport – endgültig verdorben. Die Stimmung im Sport ist gekippt – nicht gegen die Flüchtlinge, sondern gegen den Senat. Grund für den großen Ärger: Die langfristige Beschlagnahme von bisher 52 Sporthallen, Tendenz steigend. Das nun bringt die Vereine in die Bredouille.

Nicht akzeptabel

Schon in den letzten Wochen landeten beim LSB immer mehr Beschwerden, weil weder Schul- noch Vereinssport mehr möglich war. Besonders verärgert war LSB-Präsident Klaus Böger schon damals über die Art und Weise, wie mit den Vereinen umgegangen wurde. Beispiel Horst-Korber-Sportzentrum (Leistungszentrum für Ballsport in Berlin): „Was da passiert ist, ist nicht akzeptabel und höchst verbesserungswürdig. Wenn ein Vereinsvorsitzender beispielsweise um 13.10 Uhr eine E-Mail erhält, dass er am frühen Nachmittag aus der Sporthalle alle Gerätschaften rausräumen soll, schafft das nicht Akzeptanz für ein Problem, sondern Frust und Verärgerung. Das muss nicht sein, Verwaltung hin oder her. Man muss in solchen Situationen auch mal abseits des Dienstweges zum Telefon greifen und mit den Leuten reden. Niemand im Sport würde sich an die Halle ketten, sondern wir alle sagen: Die Menschen haben Vorrang. Aber eine faire Information und Kommunikation darf man schon verlangen“, forderte der ehemalige Politiker – vergeblich.

Die Hütte brennt

Mit Information oder Kommunikation haben es in diesem Fall Sportverwaltung und Innenressort nicht unbedingt, was an vielen Beispielen fest gemacht werden kann. Dass „die Hütte brennt“, um es salopp zu formulieren, wurde am Montagabend deutlich, als sich 150 betroffene Vereins- und Verbandsvertreter beim LSB im Coubertin-Saal trafen. Auch Vertreter des Senats, der Verwaltung und des Abgeordnetenhauses waren dabei: Der für Sport zuständige Staatssekretär Andreas Statzkowski, Harald Bösch-Soleil sowie die Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Anja Schillhaneck.

Was sie da drei Stunden zu hören bekamen, müsste auch bei Politikern die Alarmglocken auslösen. Verärgerte Mitglieder treten aus, weil sie keinen Sport mehr treiben können. Kinder und Jugendliche können von jetzt auf gleich nicht mehr in die Halle, ein Verein braucht einen Abstellraum für 13 Rhönräder. Beim Köpenicker SV Ajax ist der Kinder- und Jugendsport zum Erliegen gekommen – drei Hallen, in denen Sie ihre Trainingszeiten hatten, sind nun Flüchtlingsunterkünfte. In Hohenschönhausen bei der  SSG Humboldt sind mittlerweile 40 Prozent der Mitglieder ausgetreten, für 60 Kinder fällt Judo aus. Seit Januar 2014 hatten sie keine Halle mehr.

Mitglieder kündigen

Während der Spitzensport immer noch Wege findet, Training und Veranstaltungen durchzuziehen – da kann man auch noch das eine oder andere bezahlen –, stehen Breitensport-Vereine teilweise sogar vor existenziellen Fragen. So verloren die Karower Dachse in den letzten drei Wochen 200 Mitglieder. Auf ihrer aktuellen Internetseite steht: „Es geht weiter!! Nach Beschlagnahmung unserer Halle zur Unterbringung von Menschen in Not haben wir rund um die Uhr daran gearbeitet, unser Sportangebot so gut wie möglich weiterzuführen. Mit großer Unterstützung des Bezirksamtes und der umliegenden Schulen ist unser neuer Kursplan weitestgehend fertiggestellt. Zusätzlich haben wir für einen Übergangszeitraum die Räumlichkeiten des ehemaligen Drogeriemarktes (Schlecker, Hautnah) angemietet. Dort werden ebenfalls Kurse stattfinden.“

Auch bei pro Sport 24 oder Pfeffersport sind Mitglieder ausgetreten. Pfeffersport steht vor einem besonderen Problem: Für seine Rollstuhlfahrer ist es besonders schwierig, Ausweichhallen zu finden. Weniger Mitglieder, weniger Geld – das hat auch Folgen für das Personal. Mancher Verein muss dann überlegen, ob er sich hauptamtliche Kräfte auf Dauer überhaupt noch leisten kann.

Passt nicht

Dass da bei den zuständigen Ressorts, Innen, Gesundheit und Soziales, vieles nicht zusammenpasst, wird auch daran deutlich, dass Sportvereine ja auch Angebote machen sollen, um Flüchtlinge zu integrieren. Wie aber soll das gehen, wenn dort, wo das passieren soll, also in den Turnhallen, Flüchtlinge untergebracht werden? Eine Turnhalle war für den achtjährigen Adel aus Syrien vor fünf Monaten „ein großer Raum mit vielen Betten und schlechter Luft“ bis zu dem Moment, wo er zum ersten Mal den eigentlichen Sinn einer Turnhalle kennenlernte: beim Ballspielen.

Der Senat stellte für Flüchtlingsprogramme im Verein dem LSB 45 000 Euro zur Verfügung – wenig, aber immerhin erkannte er im Faktor Sport doch auch eine Chance. Die aber dann durch die Beschlagnahme von Hallen ad absurdum geführt wird. Besonders ärgern sich die Vereinsvertreter darüber, dass „es eine Reihe von Alternativen zu Turnhallen gäbe, die die Bezirke anbieten“, die aber offensichtlich nicht einmal in Erwägung gezogen würden.

Nicht als Staatssekretär

Wen wundert es da, dass es dann an dem Abend, wo sachlich diskutiert wurde, dann doch noch zu einem Eklat kam – wieder ausgelöst durch einen Senatsvertreter, der aber an diesem Abend keiner sein wollte: Staatssekretär Statzkowski. Er sei hier als Vorsitzender des SCC Berlin und nicht als Vertreter des Innenressorts, sagte er. Was ihn aber nicht hinderte, mit seinem Dienstwagen zum LSB zu fahren. Diese Aussage des Staatssekretärs brachte, wie Teilnehmer berichteten, nun wieder Klaus Böger in Rage, der es nicht gelten lassen wollte, das Statzkowski sich mit der Chamäleon-Strategie elegant aus der Verantwortung stehlen wollte.

Unzumutbar für Flüchtlinge

Verantwortung. Die Vereinsvertreter fanden es auch unzumutbar für Flüchtlinge wochenlang, ohne Privatsphäre, immer mit einem Lärmpegel und möglichen Aggressionen von „Mitbewohnern“ ausgesetzt, in Turnhallen leben zu müssen. Auch das seien unhaltbare Zustände, die schnell abgestellt werden müssen. Warum läuft das in vielen anderen Bundesländern auch in diesem Bereich besser als in Berlin? Das ist eine Frage, die der Staatssekretär mal seinen Senatoren Frank Henkel und Mario Czaja stellen sollte.

Und dann wäre da noch etwas, worüber sich demokratische Parteien auch Gedanken machen sollten: Rassisten, die sich mit Gegröhle und gewalttätigen Aktionen als Trittbrettfahrer versuchen. So wollte die NPD bei einer Demo der Karower Dachse aufspringen, was diese aber zu verhindern wussten.

Aus welchem Topf?

Viele Erfahrungen und viele Fragen – vor allem, wie es denn weitergehen wird. Wie viele Hallen werden noch beschlagnahmt? Was passiert, wenn Hallen wieder frei werden? Wer setzt die dann wieder instand? Da sorgte eine Aussage von Bösch-Soleil für Verwunderung. 100 000 Euro würden dafür verwendet – und zwar aus dem Sportstättensanierungsprogramm von 13,5 Millionen, um das der LSB in den letzten Monaten so hart gekämpft hatte. Verwunderung: Die Aussage des Verwaltungsmannes widerspricht der Vereinbarung mit den drei zuständigen Senatoren. Nach drei Stunden Diskussion wollte an diesem Abend offensichtlich niemand ein neues kleines Pulverfass öffnen.

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