„Wir sollten die sportpolitische Bühne sein“

Bundestags-Sportausschuss: Fritz Güntzler über Zuständigkeiten, Bringschuld und Treuhänder

Berlin, 24. Juni. Die Findungsphase ist vorbei. Fritz Güntzler, Obmann der Unionsfraktion im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, sagt, man habe sich nach 16 Jahren Regierung mittlerweile in die Rolle der Opposition eingefunden und „eingespielt.“ Nach den Startschwierigkeiten des Gremiums wegen der Personalie des Sportausschussvorsitzenden Frank Ullrich (SPD) widme man sich nun den eigentlichen Aufgaben. Und da gibt es eine ganze Menge. Im Wannsee-Gespräch mit dem CDU-Mann geht es um Verantwortung, Zuständigkeiten, Treuhänder, Transparenz und Bringschuld.

Fritz Güntzler. ©Foto: Tobias Koch

Wir sind ja Partei übergreifend in vielen Fragen im Sportausschuss einig, wollen den Sport unterstützen und fördern“, sagt Güntzler, aber momentan sei der sportpolitische Kurs der Ampelregierung und besonders des zuständigen Bundesministeriums des Inneren und für Heimat nicht so richtig erkennbar. „Und es fehlt nun nach der überraschenden und doch wohl kurzsichtigen Versetzung der Sport-Abteilungsleiterin Beate Lohmann in den einstweiligen Ruhestand ein kompetenter Ansprechpartner. In der schwierigen Situation, in der sich der deutsche Sport befindet, der ja auch personell, inhaltlich und strukturell in einem Neustart-Prozess ist, ist das nicht gut. Wir treten irgendwie auf der Stelle. Und die gesamte politische Lage macht das alles auch nicht einfacher.“

Ein Reanimierungs-Salto

Zeitenwende: Nun steht der Breitensport nach Corona und einem Restart-Programm, für das der Bund 25 Millionen Euro gewährte, nach Anlaufschwierigkeiten im Fokus der sportpolitischen Anstrengungen. Weil kein Konzept vorlag, kam zunächst eine Haushaltssperre. Nun gibt es ein Papier. Und so hob der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Florian Toncar, die Sperre auf. Eben Zeitenwende. Denn seit der Fusion des Deutschen Sportbundes (DSB) und des Nationalen Olympischen Komitees von Deutschland (NOK) 2006 zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) richtete sich das Interesse von Sport und Politik vor allem auf den Spitzensport.

Das ist ja ein Salto in die Sportwelt, die in DSB-Zeiten ein Pfund war, mit dem man zu Recht wuchern konnte: Sport für alle, gesundheits- und bewegungsorientiert mit einer Trimm-Kampagne, die den Deutschen Beine machte. Machen Sie diesen Salto mit, Herr Güntzler? „Natürlich ist das gut, gerade nach Corona, den Breitensport zu reanimieren. Und es ist gut, die gesellschaftliche Bedeutung von Sport und Vereinen hervorzuheben – und zwar nicht nur unter dem Aspekt von Bewegung und Gesundheit, sondern auch, was Wertevermittlung und soziales Engagement angeht.“ Deshalb befürwortet Güntzler auch den Bewegungsgipfel, den der DOSB von der Bundesregierung einfordert. „Der wäre auch ein Beitrag dazu, endlich die Generaldebatte anzustoßen, welchen Sport wir in dieser Republik wollen.“

Diese Diskussion wäre sicher auch deshalb vonnöten, weil man in den vergangenen Jahren nicht selten den Eindruck hatte, auf den Sport und das Ehrenamt schob der Staat gerne Aufgaben ab, um die er sich nicht kümmern wollte oder musste. Allerdings wehrte sich der Sport auch kaum. Schlagwörter wie „Vereine als Sozialstation“ oder als „Reparaturwerkstätten für gesellschaftliche Defizite von Kinder und Jugendlichen“ erfreuten nicht alle Verantwortlichen im Sport, weil sie sich überfordert fühlten. Dafür waren diese Einordnungen immer gerne Module in Sonntagsreden vieler Politiker: Der Sport als Allheilmittel für eine kranke Gesellschaft. „Deshalb muss man darüber sprechen, was Sport und Ehrenamt für eine Gesellschaft bedeuten. Und was sie leisten können“, sagt der Göttinger. Und deshalb müssen auch die Zuständigkeiten und Verantwortung klar geregelt sein.

Die Forderung, dass der Bund nun den Restart ermöglichen soll, ist ja berechtigt. Aber wir dürfen die Länder nicht aus ihrer auch finanziellen Verantwortung entlassen, für die Aufgaben, für die sie auch zuständig sind. Und das sind nun mal Nachwuchs- und Breitensport.“

450 Millionen hat der Haushaltsausschuss dem Bauministerium für die Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur im Etat gewährt – davon gehen 80 Prozent an den Sport, so der DOSB. „Natürlich ist das wichtig. Aber, was nicht berücksichtigt ist bei der Verteilung, das sind vereinseigene Sportanlagen. Geld gibt es nur für kommunale Einrichtungen.“

Lahme Ente

Apropos zuständig und verantwortlich: Der Sportausschuss hat in den letzten Jahren häufig – sieht man von wenigen Ausnahmen wie dem Antidopinggesetz ab – sportpolitisch eher wie eine lahme Ente gewirkt, denn als dynamische und kontrollierende Instanz – Sportpolitik haben eigentlich die Haushälter gemacht, die mit dem Verteilen des Geldes bestimmten, was läuft. Und auch als Kontrollinstanz – etwa bei der Mittelvergabe für die Spitzensportreform – kann man schon von Versagen sprechen: Transparenz wurde von einigen Mitgliedern vehement angemahnt, aber nie konsequent verfolgt. Was ist die Rolle des Ausschusses aus Ihrer Sicht, Herr Güntzler? „Also ich denke, wir sind nicht der verlängerte Arm des Sports, der hier alles abnickt, was die Verbände oder die Dachorganisationen fordern. Wir als Gremium sollten die Bühne sein, die den Regierenden und den Parlamentariern immer wieder die gesellschaftliche Bedeutung des Sports für unser Land klar macht. Und was dafür nötig ist, um die Sport-Ressourcen nutzen zu können. Dabei müssen wir natürlich auch dem Sport gegenüber eine kritische Grundhaltung einnehmen – gerade bei den Fördermitteln. Der Ausschuss muss selbstbewusst auftreten und auch Verbänden deutlich machen: Leute, auch ihr seid in einer Bringschuld.“

Leistungsnachweis

Was heißt das? „Medaillen als eine Art Leistungsnachweis gehören aus meiner Sicht zum Spitzensport. Der Bund hat in den letzten Jahren die Fördermittel für den Spitzensport um über 70 Prozent erhöht – weil man eine Reform umsetzen wollte, die Erfolge bringen sollte. So war es angekündigt. Aber die Erfolge bleiben aus, der deutsche Spitzensport wurde immer schlechter. Also ist die Frage schon erlaubt: Ist das Geld richtig eingesetzt worden? Ist Geld überhaupt der entscheidende Faktor? Da müssen wir als Politik nacharbeiten. Und da müssen auch die Verbände ihre Hausaufgaben machen. Man kann nicht nur Mittel bestellen, die Kontonummer aufschreiben und dann meinen, das wäre es gewesen. Es muss klare Zielvorgaben geben. Und es muss klare Regeln geben. Wir als Parlamentarier sind Treuhänder im Bezug auf das Geld des Steuerzahlers. Und müssen verantworten, was damit gemacht wird.“

Da kommen einem die Beschwerden der Verbände über zuviel Bürokratie in den Sinn. Finden Sie die Kritik gerechtfertigt? „An manchen Stellen wäre sicher etwas mehr Pragmatismus angebracht. Aber nochmal: Wir sind Treuhänder von Steuergeld, und da ist es nun mal nötig, das eine oder andere Formular auszufüllen. Dass man manches etwa durch Digitalisierung vereinfachen könnte, ist sicher möglich. Das ändert aber nichts daran, dass man belegen muss, wofür man Steuergeld ausgeben möchte“, sagt der studierte Steuerberater.

Keine klaren Aussagen

Beim Thema Spitzensport und Reform sowie Olympische Spiele ziehen nicht nur vor dem Bürofenster Güntzlers dunkle Wolken vorbei. Wissen Sie denn nun, was die „Unabhängige Instanz“ sein soll, von der im Koalitionsvertrag die Rede ist? „Nein, da gibt es keine klaren Aussagen dazu“, sagt der Unions-Obmann. Und ist sich nicht sicher, ob das Eckpunktepapier Spitzensport des DOSB, das im August vorgelegt werden soll, da erhellend sein wird. „Da warten wir auf das Ministerium.“

Das ist sicher auch gefordert, wenn es um Großsportveranstaltungen in Deutschland geht. „Ich würde mir natürlich Olympische Spiele in Deutschland wünschen, aber da ist erst einmal viel Vorarbeit von allen gefordert“, sagt der 56-Jährige. Der DOSB ist gerade dabei, eine Art Roadmap zu erstellen, wie man einen neuen Olympia-Versuch angehen könnte. Schnellschüsse, da stimmt Güntzler dem DOSB zu, bringen nichts. „Es müssen vor allem von Anfang an die Bürger und Bürgerinnen mitgenommen und Bewerbungen transparent dargestellt werden“, sagt der Niedersachse.

Aber nicht nur er sieht angesichts der politischen Gesamtlage Olympische Spiele nicht als Top-Thema auf der sportpolitischen To-do-Liste.