Sportministerin mit Vereinsbindung

Nancy Faeser bittet künftig den DOSB zum Doppel ins BMI

Berlin 7. Dezember. Christine Lambrecht stand nicht nur bei den meisten der Berliner Medienblase auf dem Zettel der SPD-Ministerriege ganz oben als Anwärterin für den Posten im Bundesministerium des Innern und Heimat (BMI). Denkste: Sie wechselt nun vom Justiz- ins sehr schwierige Verteidigungsministerium. Der neue Bundeskanzler Olaf Scholz sorgte mit der Besetzung des Bundesinnenministeriums für eine große Überraschung: Nancy Faeser aus Hessen folgt dem Bayern Horst Seehofer. Und wird jetzt  am Mittwoch (8.Dezember) mit Kanzler und Kabinett vereidigt

Niemand hatte die 51-jährige Juristin, in Bad Soden im Taunus geboren, wohl auf dem Plan. Auch für die meisten im deutschen Sport – für den sie nun zuständig ist – ist sie eine Unbekannte. Für den hessischen Landessportbund natürlich nicht. Dessen Präsident Rolf Müller freute sich über die Nachricht, dass „mit Frau Faeser, die ich sehr schätze, eine Hessin dieses wichtige Amt übernimmt“.

Innenpolitische Expertin

Nancy Faeser ist seit 2003 Abgeordnete im hessischen Landtag. 2019 wurde sie Vorsitzende der SPD Hessen und führt die Landtagsfraktion. Sie ist nun die erste Frau überhaupt, die den Spitzenposten im Bundesministerium für Inneres und Heimat und eben auch Sport übernimmt.

Die Landespolitikerin hat in der Bundes-SPD schon lange ein gutes Standing und wurde immer wieder für höhere Ämter in Berlin gehandelt. Faeser gilt als ausgewiesene innenpolitische Expertin. Sie hat sich in Hessen auch intensiv mit der Aufarbeitung rechtsextremistischer Verbrechen auseinandergesetzt. Und galt als hartnäckige Aufklärerin und Kritikerin des hessischen Innenministers Peter Beuth etwa wegen der fragwürdigen Rolle des hessischen Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem NSU-Skandal. Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 und der Anschlag von Hanau, bei dem neun Menschen starben, haben in den letzten Jahren Faesers Arbeit geprägt. Sie engagierte sich sehr für die Angehörigen der Opfer von Hanau, was ihr Sympathien von allen Seiten einbrachte. Und sie sieht die größte Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im brutalen Auftreten der Rechtsextremen, denen sie nun als Ministerin weiter den Kampf ansagt.

Zugewandte Person

Was von Nancy Faeser als neuer Sportministerin zu erwarten ist? Alle zucken mit den Schultern. Der frischgekürte Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Weikert, kennt die Parteifreundin nicht näher. „Ich weiß, wer Frau Faeser ist, und kenne ihren Namen. Ich habe sie bisher aber leider noch nicht persönlich getroffen“, sagt der Limburger auf Nachfrage.

Damit ist ein Hessen-Doppel auf dem Platz: Der gemeinsame Start in die neuen Ämter, die hessische Landsmannschaft – das wären ja schon mal vielversprechende Grundlagen für eine gute Zusammenarbeit mit der Sportministerin, die der Thüringische SPD-Innenminister Georg Maier „als eine zugewandte und empathische Person“ beschreibt.

Sportaffin ist Nancy Faeser jedenfalls: Die Sportministerin ist Mitglied in der Turngemeinde Schwalbach, einem Verein in ihrem Heimatort. Somit kennt sie vermutlich Vereinsfreuden – und -leiden aus eigenem Erleben. Und auch die problematischen Covid-Folgen für den Breiten-, Kinder- und Jugendsport werden ihr nicht nur von ihrem eigenen Verein im Wahlkreis in den letzten Monaten nahegebracht worden sein. Die Pandemiesituation sei eine „erste Bewährungssituation der neuen Sportministerin. Der Sport darf nicht erneut unter die Räder kommen“, fordert Weikert.

Gemeinsamen Neustart

Wie der Sport in der ampelgeregelten Republik aussehen wird, und welchen Stellenwert der (Spitzen-) Sport in Zukunft in Deutschland haben wird, das werden DOSB und BMI nun im Miteinander klären müssen, um auch hier einen Neustart zu finden. Im Koalitionsvertrag ist schon eine Richtung vorgegeben: Ein „Entwicklungsplan Sport“ soll erarbeitet werden für Spitzen- und Breitensport. Der beinhaltet ein ganzheitliches Förderungspaket von der Unterstützung des Ehrenamtes über Investitionen in Sportstätten bis hin zum Zentrum für Safe Sport. Und sicher findet Ministerin Faeser ein Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport besonders unterstützenswert.

Und der Spitzensport? Wird sich da wirklich viel ändern? Seit Jahrzehnten wird der mit stets wachsenden Mitteln aus dem Bundestopf gefördert. Die Argumente für steuerliche Förderung des Spitzensports sind nach wie vor nationale Repräsentanz und Vorbildfunktion. Argumente, die Kritiker schon lange für überholt und wackelig halten. Dennoch: Die Summen stiegen, doch sichtbare Effekte und Erfolge ließen zu wünschen übrig. Eine Leistungssportreform sollte das verbessern: Die Devise lautete – erst Umsetzung, dann mehr Geld. Es gab mehr Geld. 293 Millionen Euro standen im vergangenen Jahr für die Spitzensportförderung zur Verfügung – doch die Reform ist unvollendet geblieben. Und: Trotz mehr Fördermitteln tritt der deutsche Sport in vielen Bereichen auf der Stelle. Da wird, zumindest laut Koalitionsvertrag nun etwas passieren. „In der Spitzensportförderung richten wir eine unabhängige Instanz zur Mittelvergabe sowie ein Transparenzportal ein“, heißt es da.

Kontrolle der Steuermittel

Bedeutet: Geld fließt nicht mehr so einfach, und es gibt mehr Kontrolle, wo das Steuergeld hingeht und was damit gemacht wird. Weikert ahnt vermutlich schon, dass da der Sport umlernen muss und das Pochen auf die Autonomie des Sports eine eher nutzlose Übung sein könnte. In seiner Vorstellungsrede hat er diese Unabhängigkeit im Umgang mit der Politik zwar wieder herausgestellt, aber der Sport hängt ja schon lange am Tropf des Zuwendungsgebers Bund.

Neuer Teamgeist auch hier: Man wolle sich als „verlässlicher und kooperativer Partner der Politik einbringen und diese Herausforderungen gemeinsam angehen“, lässt der neue DOSB-Chef in seiner Glückwunschadresse an die neue Ministerin wissen.

Vertrauensbildende Maßnahmen. Auch im Umgang mit der Abteilung Sport im BMI muss der DOSB wieder zu einem guten Miteinander zurückfinden: Denn auch da lief in den letzten Jahren so manches zwischen Sport und Politik nicht unbedingt optimal.