DOSB: Kein Zauber – nur endlich ein Ende

Corona in Weimar: Mitgliederversammlung auf Sparflamme/ Mayer als Vize?

Berlin, 2. Dezember. Jedem Anfang wohnt ein … Nein, das mit dem Zauber sparen wir uns. Wobei, eine Art mythischen Zauberer wie Merlin könnte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) jetzt gut gebrauchen, um einen zukunftsweisenden Neustart hinzubekommen. Denn: die Chance, den zu schaffen, hat der organisierte Sport versemmelt. Das Krisenmanagement ist DOSB like – also wie immer unterirdisch, die Koordinatoren sind teilweise von Eigeninteressen gesteuert und überfordert. Viele Mitgliedsorganisationen regieren eher behäbig. Hinter den Kulissen scheppert es heftig.

Und irgendwie passt es ins Bild, dass der DOSB nun auch noch bei der Organisation seiner außerordentlichen Mitgliederversammlung am Samstag in Weimar vom Covid-Virus ausgebremst wird. Die Veranstaltung also auf Sparflamme. Als hätte man nicht schon Krise genug, musste man nun auch noch die Veranstaltung, auf der der Startschuss in eine stressfreie und erfolgreiche Zukunft fallen sollte, bis aufs Tagesordnungs-Gerippe abspecken. Weniger Delegierte, keine Gäste – am liebsten keine Journalisten. Nur das nötigste wird unter strengsten Corona-Auflagen durchgezogen.

Als Tiger gestartet

Reformen, Veränderungen – damit tut sich der deutsche Sport schon immer schwer: Man startet als Tiger und landet als Bettvorleger mit seinen ambitionierten und gefeierten Projekten, wie das Beispiel Leistungssportreform zeigt. Auch diesmal wurde der Neustart vollmundig angekündigt, den man schon deshalb sehr kritisch sehen muss, weil die Verursacher der Krise – Präsidium und Vorstand – ja an diesem Neuanfang noch kräftig mitmischen. Vor allem der scheidende Präsident Alfons Hörmann und seine Vollstreckerin, Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker.

„Vielleicht wäre es besser gewesen, so eine Art Insolvenzverwalter einzusetzen“, meinte vor ein paar Tagen ein Verbandspräsident, der sich von einem unabhängigen Koordinator mehr versprochen hätte als von den Dreien, die nun in der Verantwortung waren: Die beiden Sprecher Ingo Weiss für die Spitzenverbände und Jörg Ammon für die Landessportverbände sowie Barbara Oettinger, Sprecherin der Verbände mit besonderen Aufgaben, die kaum in Erscheinung trat.

Nachdem der mittlerweile viel zitierte und diskutierte anonyme Brief vom Mai, der aus der Mitarbeiterschaft im DOSB stammen soll, ein Beben mit einer Reihe von Eruptionen auf den Führungstagen im Haus des Sports in Frankfurt ausgelöst hatte, sollte das Trio zusammen mit den VertreterInnen der Mitgliedsorganisationen, die in den drei Arbeitsgemeinschaften Inhalt, Struktur, Personal saßen, die Aufgaben wuppen. Während in den AG kritische Analysen und Verbesserungsvorschläge zu Papier gebracht wurden, kümmerten sich die Koordinatoren um eine Findungskommission, die KandidatInnen für die Hörmann-Nachfolge suchen sollte. Über die Besetzung dieses Gremiums gab es erhebliche Verärgerung, vor allem auch, weil die Koordinatoren Ammon und Weiss auch in der Kommission saßen. Dass dagegen AthletInnen und auch TrainerInnen nicht am Neuanfang beteiligt wurden, kritisierten nicht nur die Betroffenen.

Überkandidelt

Und dann gab es da noch ein Anforderungsprofil für die Präsidentschafts-BewerberInnen, das viele aus dem Sport „völlig überkandidelt“ fanden. „Wir suchen keinen CEO für einen Superkonzern – wir machen uns doch lächerlich.“ Spott gab es dafür nicht nur aus den eigenen Reihen.

Um es mit Alfons Hörmanns Lieblings-Wortschatz zu beschreiben: „Wahrheit, Klarheit, Transparenz und vertrauensbildende Maßnahmen“, waren von Weiss & Co. zugesagt worden. Nach dem Kommunikations-GAU um Hörmann und seine Truppe redeten sie immerhin mit JournalistInnen, auch wenn manche Nebelkerze flog.

Wort- und sprachlos ist die Welt vor allem außerhalb der DOSB-Blase mittlerweile angesichts der Vorwürfe gegen Präsidium und Vorstand: Da wurde dem ehemaligen Vorstandsmitglied Karin Fehres per Anwaltsschreiben gedroht, sie zu verklagen, wenn sie sich nicht als Verfassrerin des anonymen Briefs outet. Da wird ein Präsidiumsmitglied Jonathan Koch, der es wagt, sich gegen den großen Guru und die Machenschaften seiner Getreuen zu wehren, gemobbt, ausgegrenzt. An ihn werden offensichtlich nur Protokolle mit banalem Inhalt geschickt, Informationen vorenthalten.

Diejenigen, nämlich Präsidiums- und Vorstandsmitglieder, die das alles so schweigend hingenommen haben, sich nicht als Korrektiv verstanden haben, stehen nun in regem Briefverkehr mit den Mitgliedsorganisationen, zeigen Absatzbewegungen zu Hörmann und Rücker, deren Vorgehen sie lange nahezu kritiklos mitgetragen haben – manche von ihnen acht Jahre lang.

Hoch anzurechnen

Den Landessportbünden ist übrigens hoch anzurechnen, dass sie es sind, die das Dickicht aus Vorwürfen und Umgangsweisen in dem die DOSB-Führung sich verfangen hat, gelichtet haben: Die Antworten, die die Präsidiumsmitglieder auf den harten Fragenkatalog der LSB geschickt haben, wo sie über ihr Wissen zu den Vorgängen rund um Karin Fehres sowie den Umgang untereinander und ihr Handeln in ihrem Amt Auskunft geben sollten, waren ebenso erschütternd wie entlarvend. Die durchaus glaubwürdigen Schilderungen des Athletensprechers Jonathan Koch über den Umgang mit ihm und die Ausgrenzung im Präsidium lassen die schriftlichen Beteuerungen gegenüber den Landessportbünden etwa von den Vizedamen Petra Tzschoppe und Gudrun Doll-Tepper oder dem Quartett Hörmann, Andreas Silbersack, Kaweh Niroomand und Uschi Schmitz, nur noch peinlich, ja lächerlich erscheinen. Und sie belegen auch, dass nur die eigenen Regeln gelten, die man passend auslegt. Good Governance, gilt  für die anderen. Der Zweck heiligt offensichtlich die Mittel, um „Schaden vom DOSB abzuwenden.“

Einen Neuanfang würden Einsehen, Bedauern und eine Entschuldigung erleichtern. Und nicht stures Beharren, Rechthaberei und Schuldzuweisungen oder Selbstmitleid. Die meisten auf der Führungsetage scheinen das immer noch nicht begriffen zu haben. Manchmal wird eben zu wenig Abstand zur ungesunden Nähe.

Wer immer auch Präsident oder Präsidentin wird: Vielleicht wäre eine Therapie-Couch im Präsidentenbüro in Frankfurt eine lohnende Anschaffung. Der aussichtsreichste Kandidat für das Präsidentenamt, Thomas Weikert, weiß, dass er als eine der ersten vertrauensbildenden Maßnahmen mit allen das Gespräch suchen muss. Keine teueren Agentur-Analysen ersetzen das Miteinander-Reden, das Zuhören.

Weikert ist klar, dass ein Neuanfang auch neues Personal bedeutet– sowohl im Vorstand wie auch im Präsidium. Das heißt: Die Delegierten müssen ihm oder Claudia Bokel, die sich überhaupt nicht wie eine Bewerberin um das höchste Sportamt verhält, das auch durch entsprechende Wahlentscheidungen gewähren.

Gemauschel

Doch wie so oft im Sport wird mal wieder hinter geschlossenen Türen heftig gestritten – und gemauschelt: Eigeninteressen, politisches Gezänk um die Farbe der Parteibücher von potenziellen Vizepräsidenten, Proporz und Geschlechtergerangel bestimmen das Geschehen. Und auch persönliche Eitelkeiten hebeln so manchen Harmoniebeschluss aus. Hallo! Wie wäre es, wenn es beim Posten-Besetzen um Kompetenz, Charakter und Empathie ginge?

Ob nun acht oder zehn KanditatInnen zur Wahl stehen – unter dem Demokratie-Aspekt ist das eine gute Entwicklung. Manche Namen, die gehandelt werden, sind vielversprechend und lassen hoffen. Aber auch Seilschaften sind schon seit geraumer Zeit wieder unterwegs, die aus ideologischen, imagefördernden, egoistischen oder ökonomischen Gründen der Meinung sind, sie müssten jetzt ihr eigenes Ding durchziehen. Dazu gehört dann auch mal andere Werkzeuge einzusetzen. Knockout des Bewerbers nach dem Motto: Alte Rechnungen. Oder die Vergangenheit holt einen schneller ein als man gucken kann. So haute nun den BLSV-Präsidenten Ammon erst ein „Spiegel“-Artikel aus den Anwärter-Puschen für das Vizepräsidentenamt. Und dann eine weitere böse Überraschung: Eine Anzeige aus seinem Dunstkreis, wo es um Geschäfte rund um den IT-Bereich im BLSV geht. Die Kandidatur ist dahin, bis der Fall aufgeklärt ist

Für eine neuerliche Überraschung sorgte auch Stephan Mayer, der von Team Deutschland nun als Vizepräsident ins Rennen gehen soll. Mayer, so bestätigt der Koordinator Weiss, habe erklärt, er stehe zur Verfügung.

Präsident nein, Vize schon

Was bitte ist jetzt los? Am 14. November war der geschäftsführende parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer, als Präsidentschafts-Bewerber in Düsseldorf aufgelaufen. Mit einer überzeugenden Rede soll der eloquente Bayer manche Delegierte schon in „Hosianna-Stimmung“ versetzt haben–- bis zu dem Moment am Ende der Ansprache, als er dem DOSB einen Korb gab und verzichtete. Er könne dem deutschen Sport mit dem Rückzug mehr dienen als mit einer Kandidatur, ließ der CSU-Politiker wissen.

Seine Bewerbung um das höchste Sportamt in Deutschland irritierte nicht nur viele im Sport, zumal er einige Wochen vorher auf Nachfrage eine Kandidatur ausgeschlossen hatte. Kann überhaupt ein parlamentarischer Staatssekretär, der im Bundesinnenministerium für den Spitzensport im Einsatz war, an der Vergabe von Fördermitteln beteiligt war oder der die Umsetzung der Spitzensportreform als Politiker begleitet hat, – kann der so einfach auf die andere Seite des Tisches wechseln, wie seine Best Buddys das offensichtlich glauben?

Nicht ganz so einfach

Kann er nicht so einfach. Die Antwort aus dem Bundespresseamt ist eindeutig. „Eine Pflicht zur Anzeige besteht, wenn ein amtierendes oder ehemaliges Mitglied der Bundesregierung beabsichtigt, innerhalb der ersten 18 Monate nach dem Ausscheiden aus dem Amt eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes aufzunehmen. Die Bundesregierung hat bereits 2018 auf eine Anzeige des Herrn Bundesminister a.D. Dr. Thomas de Maizière festgestellt, dass eine haupt- oder ehrenamtliche Tätigkeit beim DOSB nach den Regelungen des §6a, Abs. 1 BMinG anzeigepflichtig ist.“ de Maizière wollte damals Vorsitzender der Ethikkommission werden.

Das gilt natürlich auch für eine mögliche Vize-Kandidatur. Mayer hat, wie das Bundespresseamt auf Anfrage gestern (1. Dezember) bestätigte, „der Bundesregierung seine Absicht angezeigt, anlässlich der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V (DOSB) am 4. Dezember 2021 in Weimar unter Umständen für das Amt eines Vizepräsidenten des DOSB zu kandidieren. Dabei hat Herr Mayer angekündigt, das Amt nur vorbehaltlich einer noch ausstehenden Entscheidung der Bundesregierung hierüber anzunehmen.“

Das heißt: Falls der Mann aus Burghausen am Samstag gewählt würde, kann er das Amt erst mal nicht ausüben – es sei denn, die Entscheidung läge am Samstag vor.

Davon ist aber nicht auszugehen. Der Regierungssprecher sagt. „Die Bundesregierung hat zu dieser Anzeige das beratende unabhängige Gremium nach §6b Bundesministergesetz („Karenzzeitgremium“) beteiligt. Die Bundesregierung wird auf Grundlage der Empfehlung des Karenzzeitgremiums eine Entscheidung über eine etwaige Karenzzeit treffen.“

Demnach trifft die Bundesregierung im Regelfall eine Entscheidung innerhalb von sechs Wochen. In dem Gremium sitzen Mayers Parteifreund und ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel, der Richter a.D. am Bundesverfassungsgericht Michael Gerhardt und die ehemalige Hamburger Senatorin Krista Sager. Mayer könnte also kandidieren, darf aber im Fall seiner Wahl vor der Entscheidung des Kabinetts die Tätigkeit nicht aufnehmen.

Im übrigen werden die Mitglieder des „Karzenzgremiums“ jeweils zu Beginn einer Wahlperiode des deutschen Bundestages berufen. Die derzeitigen Mitglieder sind seit 2018 tätig und zwar so lange, bis neue Mitglieder bestimmt werden.

Genehmigung schon da?

Nun ist also die spannende Frage: Kandidiert Mayer? Wenn ja, wann hat er sich entschieden und liegt schon eine Genehmigung vor? Das würde bedeuten, dass er schon länger mit dem Gedanken spielt, im DOSB einzusteigen. Er hat sich in den drei Jahren seiner Amtszeit, aber auch als ehemaliges Mitglied des Sportausschusses im Bundestages in den Sport eingearbeitet, ist im Thema und hat ein umfangreiches Netzwerk. Und ist gefühlt auf jeder Sportveranstaltung dabei. Wie werden die Mitgliedsverbände stimmen? Steht Mayer, der im BMI lange ein Unterstützer seines Parteifreundes Hörmann war, wirklich für einen Neuanfang? Und: Wollen sie gleich wieder mit einem „hausgemachten Personal-Problem starten? Man will doch erstmal Ruhe in den Laden bringen.

Christa Thiel, die ehemalige Vizepräsidentin im DOSB und frühere Schwimmpräsidentin, wird die Versammlung und die Wahl leiten – sie war 2013 neben Hörmann auch als Kandidatin für den ChefInnenposten im Gespräch.

Eine Diskussion über die Vorgänge und Turbulenzen ist am Samstag eher nicht zu erwarten. Mit wem sollten die Delegierten groß in die Debatte gehen? Nach derzeitigen Informationen hat Alfons Hörmann seine Teilnahme abgesagt. Aber vielleicht überlegt er es sich ja mal wieder anders. Veronika Rücker hat sich krank gemeldet.

„Wir wollen den Präsidenten ja nicht vom Hof jagen, er soll einen anständigen Abschied bekommen“, hatte Ingo Weiss immer wieder in den letzten Wochen gesagt. Nun hat er sich offensichtlich aus dem Spiel genommen. Und tut damit sich selbst und seinem kreierten Königreich Sportdeutschland einen Gefallen: Alfons Hörmanns Abschied, den die meisten seiner „Untertanen“ sich sehnlichst herbeiwünschen, wirkt allerdings wie der Abgang eines Getriebenen.

Auf DOSB.de ist die  bisherige Kandidatenliste  einzusehen.