Drei bewerben sich um DOSB-Präsidentschaft (aktualisiert)

Findungskommission hat sich entschieden / Überraschungen dabei

Berlin, 8. November. Eine Vorentscheidung ist gefallen. Die Findungskommission um Ex-Bundespräsident Christian Wulff ist unter den Bewerbern und Bewerberinnen um das Präsidentenamt des Deutschen Sportbundes (DOSB) fündig geworden: Fecht-Präsidentin Claudia Bokel, der ehemalige nationale und internationale Tischtennispräsident Thomas Weikert und – als Überraschungskandidat – der Noch-Staatssekretär im Bundesinnenministerium und Mitglied des Bundestages, Stephan Mayer, wurden ausgewählt. Das wurde am Montag in einem Schreiben den Mitgliedsorganisationen mitgeteilt. Dass nun vor dem 14. November, wo sich in Düsseldorf die BewerberInnen den Mitgliedsorganisationen vorstellen sollten, jetzt schon die Namen bekannt gegeben werden, liegt wohl daran, dass sie schon seit längerem kursieren, und sich die Verantwortlichen nun genötigt sahen, sie publik zu machen, um Frust und weiteren Gerüchten vorzubeugen.

Also drei sind am Start: Der Bewerber Thomas Weikert ist keine Überraschung: Er war schon einmal 2018 als Gegenkandidat des Noch-Präsidenten Alfons Hörmann im Gespräch. Damals verzichtete er wegen seiner internationalen Verpflichtungen. Nun wurde er als Kandidat von 14 Spitzenverbänden früh vorgeschlagen, und eierte auch nicht herum, ob oder ob er nicht antreten werde, als seine mögliche Kandidatur bekannt wurde. Der Limburger gilt als sachorientiert und offen und einer, der auch gerne gegen den Strom schwimmt, wenn er es für nötig hält.Für Weikert ist der Begriff Neuanfang im Bezug auf den DOSB nicht nur eine Phrase, sondern man müsse nach den Jahren der Grabenkämpfe und Auseinandersetzungen die Einheit als erstes wieder herstellen. Der 59 Jahre alte Jurist weiß, was auf ihn zukommt: Das sportpolitische Parkett in Berlin muss beackert werden, um die zerrüttete Beziehungskiste zu Bundesinnenministerium und speziell der Sportabteilung zu befrieden. Und auch das Verhältnis zum Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ist derzeit nicht das beste. Weikert geht als aussichtsreichster Kandidat ins Rennen.

Bokel überraschend

Dagegen wundern sich doch viele über die Kandidatur von Claudia Bokel. Denn sie war eine der 14 PräsidentInnen, die sich für Thomas Weikert als Präsidentschaftskandidaten aussprachen und ihre Entscheidung auch mit ihrer Unterschrift auf dem Empfehlungsbrief an die Findungskommission besiegelte. Ob sie gebeten wurde – von wem auch immer -, mangels Bewerberinnen den weiblichen Part in dieser Kandidatenkür zu übernehmen, darüber spekuliert Sportdeutschland ebenso wie darüber, ob das vielleicht ein strategischer Zug gegen den Favoriten Weikert ist. Die Fechterin trat sportpolitisch ab und an als streitbare Vorsitzende  der AthletInnenkommission,  des Internationalen Olympischen Komitees in Erscheinung.Die 48 Jahre alte ehemalige erfolgreiche Degenfechterin, die in den Niederlandes lebt, ist seit 2015 Fechterpräsidentin. Die gelernte Chemikerin äußert sich öffentlich zu sportpolitischen Themen – auch auf Nachfrage – selten. Von der SportsAcademy Belgrad  bekam sie einen Ehrenprofessorentitel.

Eine Überraschung ist der CSU-Politiker Stephan Mayer. Warum? Weil er in den letzten Wochen entschieden auf Nachfrage verneinte, Nachfolger seines Parteifreundes Alfons Hörmann, mit dem er im Bundesinnenministerium manche Spitzensportschlacht mehr oder weniger erfolgreich geschlagen hat, werden wolle. Keine Kandidatur, dann schon eher Sportausschuss-Vorsitzender im Bundestag war seine Antwort auf Fragen. Doch seine stete Präsenz in den letzten Wochen bei diversen Sportveranstaltungen quer durch die Republik ließ manchen anderes ahnen – und einige wußten von seinem Ansinnen.

Der 47 Jahre alte Mayer war drei Jahre parlamentarischer Staatssekretär  im Bundesinnenminister und gilt als ein „Ziehsohn“ Horst Seehofers. Parteipolitisch setzte der CSU- Minister zurecht auf ihn: Mayer gewann in seinem Wahlkreis und Wallfahrtsort  Altötting zum drittenmal als Bundestagskandidat mit 43,3 Prozent der Erststimmen. Wie er sein Bundestagsmandat  und die Präsidentschaft vereinbaren will, muss er der Findungskommission überzeugend dargelegt haben.

Ebenso hat er sicher eine gute Erklärung dafür gefunden, dass es nicht überall gut ankommt, wenn man nun die sportpolitische Seite von jetzt auf gleich wechselt. Gerüchte wollen auch wissen, dass Mayer eigentlich gar nicht Präsident werden will, sondern eine hauptamtliche Position im Sport anstrebt.

Ingo Weiss,Präsident des DeutschenBasketball-Bundes, Sprecher der Spitzenverbände und einer der Koordinatoren, ist in einem Telefonat begeistert. “ Wir haben mehrere Kandidaten, die sich exzellent präsentiert haben. Das ist nicht nur ein Novum, sondern ein echter Glücksfall.“ Die Begeisterung teilen nicht alle. Und beklagen – wie gehabt – Intransparenz und Gemauschel. Während Weiss darauf verweist, dass man nun einen „hochdemokratischen Prozess“ angeleiert habe, wo sich in Weimar  „vielleicht“ drei Kandidaten zur Wahl stellen, fehlt manchen das Vertrauen in diesen gesamten Prozess. Nicht zuletzt auch deswegen, weil zu wenig über Inhalte, den Stellenwert des Breitensports und der nichtolympischen Verbände gesprochen wird. Auch, weil das alte Präsidium/ der Präsident immer noch den Entscheidungsprozess  (mit-) bestimmt. Wo also ist der Neuanfang?

Diskussionen über Findungsprozess

Seit der Neustart im DOSB angeleiert wurde, ist auch die Diskussion über Sinn und Unsinn einer Findungskommission im Gange. Nicht nur die AthletInnen, die gar nicht an der Suche eines Präsidenten oder einer Präsidentin beteiligt waren, kritisieren das Vorgehen. Findungskommissionen im deutschen Sport – da gab es immer Ärger. 2006, als Thomas Bach gekürt wurde, hatte die Findungskommission unter dem damaligen Vorsitzenden Theo Zwanziger nicht viel Arbeit: Es gab nur einen Top-Kandidaten, und der hieß Bach. 2013 gab es eine Menge KandidatInnen: Turn-Präsident Rainer Brechtken, Schwimmpräsidentin Christa Thiel, Box-Präsident Ulrich Bittner wurde Interesse nachgesagt. Nur einer zierte sich: Alfons Hörmann, der gesetzt war – er war der Kandidat seiner Vorgängers Thomas Bach. Kritik wegen des Prozederes und der Art der Nominierung wies der damalige Schatzmeister und Interims-Präsident Hans-Peter Krämer zurück. Die Kritik und Auseinandersetzungen hinter den Kulissen bezeichnete er damals „als Randnotizen“, und meinte, es würden keine Wunden bleiben. Mit dieser Einschätzung lag er damals gründlich daneben.

Klett sagt ab

Vier weitere Bewerber  kamen sozusagen nicht über die erste Runde hinaus:. Michael Mronz sagte bereits nach seiner Vorstellung bei der Findungskommission ab. Und auch Stefan Klett wird seine Kandidatur nicht weiterverfolgen, wie er am Montag in einem Schreiben an die Vorsitzenden/Präsidenten der Landessportbünde bekannt gab. „Liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Landessportbünden, ich hatte Euch am 27. Oktober darüber informiert, dass ich mich der DOSB- Findungskommission als Kandidat für das Präsidentenamt stellen werde. Dieser Termin hat am 2. November stattgefunden. Aus meiner Sicht war es wichtig, dort als einziger LSB-Vertreter unter 8 Bewerber*innen den Anliegen des Sports auf Landesebene eine Stimme zu geben. Heute hat die Findungskommission eine Kandidatin und zwei Kandidaten benannt, die sich den Landessportbünden und Spitzenverbänden am 14. November in Düsseldorf in einer gemeinsamen Konferenz präsentieren werden. Ich zähle nicht dazu…..“, schreibt Klett und weiter: „Ich danke Allen, die mich bei meiner Kandidatur unterstützt haben und werde diese Kandidatur nicht weiterverfolgen.“

Klett führt mit mit dem Landessportbund Nordrhein-Westfalen den größten Landesverband. „Strategisch ist das ein großer Fehler, ihn einfach so auszusortieren“, meinen Verbandsvertreter, die ihn dann doch als Vize sehen. Der Wipperfürther versichert, er werde sich „dafür einsetzen, dass im DOSB ein wirklicher Neuanfang erfolgt. Dazu zählen für mich insbesondere eine stärkere Aufstellung des DOSB im politischen Berlin, die der Breite des Vereinssports in Deutschland gerecht werden und verstärkte Anstrengungen zur Sicherung der Integrität des organisierten Sports.“

Klett ist also raus. Kommt dennoch zu den drei Gekürten der oder die andere dazu? Oder wird in Weimar am Ende  nur einer antreten.

Siehe auch www.sportschau.de