DOSB: Der Wahnsinn hat Methode

Ex-Vorstandsmitglied Fehres  wehrt sich gegen Beschuldigungen/ Autorenschaft des anonymen “Klima-der-Angst”-Briefs dementiert

Berlin, 10. November. „Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.“ Der große William Shakespeare würde wahrscheinlich dieses Zitat aus Hamlet für das Theaterstück wählen, das der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) derzeit – mit teilweise ungewollten Gastrollen – aufführt. Rund um die Aufarbeitung der Vorfälle im DOSB explodierte nun eine weitere Eskalationsstufe, die schon Mitte Oktober gezündet worden war: Karin Fehres, ehemalige Vorstandsvorsitzende Sportentwicklung im DOSB, wehrt sich gegen Angriffe, die der DOSB als Verband, vertreten durch die Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker und Finanzvorstand Thomas Arnold sowie Präsident Alfons Hörmann, gegen sie erhebt. In einem vom 9. November datierten Brief wendet sie sich an die Mitglieder des DOSB-Präsidiums und -Vorstandes, die Führungskräfte des Geschäftsbereichs Sportentwicklung und die Sprecher und Sprecherinnen der Verbändegruppe.

Mitten in die mühsame Krisenaufarbeitung und den vermeintlichen Neustart flattert ein neuer Brief ins Haus des Sports in Frankfurt. Und bringt die Führungsetage in Erklärungsnot. Diesmal ist es kein anonymes Schreiben: Die Absenderin ist im Hause wohlbekannt und nimmt mit offenen Visier klar und deutlich Stellung zu den Angriffen gegen sie (Das Schreiben liegt sportspitze vor). Offensichtlich wurde versucht, von Seiten des DOSB und seinem Präsidenten, Karin Fehres dazu zu bringen, sich als Verfasserin des „anonymen Briefes“ zu outen.

Klage-Drohung

Die ehemalige langjährige und stets loyale DOSB-Mitarbeiterin Karin Fehres, die am 30. November 2020 als Vorstand Sportentwicklung im DOSB aufhörte, schildert in dem Brief folgendes:

„Mit einem Schreiben vom 13. Oktober 2021 informierte mich eine Berliner Anwaltskanzlei darüber, dass sie vom DOSB als Verband, vertreten durch Veronika Rücker und Thomas Arnold, sowie vom DOSB-Präsident Alfons Hörmann als Person beauftragt worden sei, mir mit Strafanzeige und zivilrechtlicher Klage zu drohen“, schreibt Fehres. Das Schreiben bezieht sich auf die anonyme Mail vom 6. Mail 2021, wo Mitarbeiter heftige Vorwürfe gegen Präsident, Präsidium und Vorstand erhoben, und über ein ‚Klima der Angst‘ im DOSB berichteten.

In dem Anwaltsschreiben an Fehres heißt es nach ihren Angaben weiter: „Zahlreiche Medien griffen den offenen Brief wie auch die darauffolgende Empfehlung der Ethikkommission auf, um Herrn Hörmann und den DOSB zu kritisieren. Die zulasten unserer Mandanten eingetretene Rufschädigung ist immens.“

Der 62-Jährigen, die 1990 als Bildungsreferentin (später Generalsekretärin) beim Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband ihre Funktionärslaufbahn begann, wird unterstellt, „die anonyme Mail verfasst zu haben und sich dabei unrechtmäßig als Mitarbeiterin ausgegeben zu haben“. Der DOSB/Hörmann-Anwalt bietet ihr an: „… auf die gerichtliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen und die Erstattung der Strafanzeige zu verzichten, wenn Sie sich zur Autorenschaft des offenen Briefes vom 6.5.2021 bekennen und gemeinsam mit unserer Mandantschaft an einer Erklärung gegenüber der Presse und den Medien mitwirken, in der Sie einräumen, den offenen Brief alleine verfasst zu haben.“

Gutachten

Begründet wird diese Behauptung so: Es „läge ein Gutachten eines Sprachsachverständigen vor, in dem festgestellt werde“, zitiert Fehres weiter „…dass der offene Brief nur von Ihnen stammen kann“. Daher solle das Gutachten „… als Beweismittel vor den Ermittlungsbehörden bzw. den Gerichten dienen.“

Dass Karin Fehres der Schritt, sich mit dem Brief zu melden, nicht leicht gefallen ist, nimmt man ihr ab. Sie bezeichnet die „Unterstellungen als absurd und haltlos“. „Ich weise sie nachdrücklich und mit aller Entschiedenheit zurück und stelle unmissverständlich klar: Ich habe die anonyme Mail vom 6. Mai 2021 nicht verfasst und ich habe in keinster Form daran mitgewirkt.“

Briefeingang bestätigt

Auf Anfrage bestätigte der Sprecher der Spitzenverbände, Ingo Weiss, den Eingang des Briefes. Nie und nimmer würde er der ehemaligen Kollegin Fehres unterstellen, was ihr da in dem Schreiben angelastet wird. Nicht nur er, sondern auch andere aus den Mitgliedsorganisationen sehen es ebenso. Nun sei das Fass endgültig übergelaufen. Offensichtlich werden derzeit in der Führungsetage alle Register gezogen, um die Aussagen von Alfons Hörmann in dem Interview mit der deutschen Presseagentur zu untermauern, wo er darstellt, dass die Krise durch Intrigen, Umsturzbemühungen, Verschwörungen zustande gekommen sei und es nun Kollateralschäden gibt.

Opfer so scheint es, sind aber anderswo auszumachen.

Integre Vertrauensperson

Karin Fehres kam 2006 zum DOSB, wo sie zunächst als Direktorin im Amt für Sportentwicklung tätig war. 2014 wurde sie dann in den Vorstand berufen. Am 30. November 2020 verließ sie den DOSB, weil ihr Vertrag nicht verlängert wurde. Gründe für ihr Ausscheiden wurden nie offengelegt. Mit zehn dürren Zeilen wurde sie damals verabschiedet. „Wir danken Karin Fehres für ihr langjähriges Engagement im Bereich Sportentwicklung im DOSB und wünschen ihr für ihre Zukunft alles Gute“, ließ sich Hörmann auf der Website zitieren. Die Stelle von Fehres, die inzwischen wieder bei der Stadt Frankfurt arbeitet, wo sie vorher Sportdezernentin war, wurde nicht besetzt – zum Ärger der Landessportbünde, die von dem Ausscheiden Fehres‘ überrascht waren. Ihre Aufgaben übernahm Rücker. Fehres galt unter den Mitarbeitern und MitarbeiterInnen im DOSB auch als integre Vertrauensperson.

Der DOSB  hat bisher zudem Schreiben nicht öffentlich Stellung genommen.