Von Empfehlungsschreiben, Zugzwängen und Brieffreundschaften
Berlin, 6. Oktober. Nun, es war keine große Überraschung, dass Thomas Weikert, Jurist und einstiger nationaler und bis Ende November noch internationaler Tischtennis-Präsident, als Kandidat für das Präsidentenamt im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) antreten wird.
Das Kandidatenkarussell nimmt nun langsam Fahrt auf. Der 59-jährige Weikert ist der erste, der mehr oder weniger offiziell aufgesprungen ist – mit einem gewollten leichten Schubs von 14 Spitzenverbänden. Mit einem Brief, den sie am Montag an den Sprecher der 40 Spitzenverbände, Ingo Weiss, der gleichzeitig als Koordinator für den DOSB-Neustart agiert, geschickt hatten, empfahlen sie dem „Lieben Ingo“ ihren Kandidaten in 20 Zeilen wärmstens für das Präsidentenamt.
Der Brief ging in Kopie u.a. an die Mit-Koordinatoren, den Sprecher der Landessportbünde Jörg Ammon und Kollegin Barbara Oettinger (Verbände mit besonderen Aufgaben) sowie die DOSB-Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker, den Sprecher der Nichtolympischen Verbände (NOV) Oliver Stegemann und Headhunter Frank Weingarten.
Empfehlungsschreiben
Das Empfehlungsschreiben und die Vorgehensweise sorgten für Aufregung und Kritik, brachte nun offensichtlich einige in Zugzwang. Und auch Verärgerung.
Denn eigentlich hatten alle, die den DOSB-Neustart aktiv betreuen, zu Beginn einen Fahrplan festgelegt: Zuerst eine Bestandsaufnahme, dann Vorschläge für neue oder verbesserte Inhalte und Strukturen erarbeiten. Und dann Personalien. Und das alles „unter Drei“ – sprich intern.
Das, so muss nun auch Ingo Weiss mal wieder feststellen, funktionierte von Anfang an bei den Neustart-Ambitionen nicht, weil viel zu viel auf dem Spiel steht: Machtansprüche geltend machen, Eigeninteresse wahren und durchsetzen oder mindestens den Status quo bewahren. Nun reden alle wieder über fast alles öffentlich, vor allem über Personalien und wenig über Inhalte. „Wir erleben nun, was ja derzeit auch in der CDU/CSU zu sehen ist: Es werden Sachen durchgestochen, obwohl Vertraulichkeit vereinbart wurde.“ Oder: Was halt in Sportdeutschland so üblich ist.
Dass aber nun Verbände ihren Kandidaten vorgeschlagen haben, sei ein normaler Vorgang, sagt Weiss. „Da haben sich eben 14 Spitzenverbände für Thomas Weikert ausgesprochen. Und das ist ein Vorschlag, mit dem sich die Findungskommission wie mit den anderen Vorschlägen beschäftigen wird.“ Es gehe ja hier nicht um Beamten-Mikado nach dem Motto „Wer sich zuerst bewegt, verliert“, sondern um die beste Führungspersönlichkeit für den DOSB zu finden, ist die Antwort einiger Sportvertreter auf die Frage, ob die Vorgehensweise das vereinbarte Prozedere nicht konterkariere. Oder die Findungskommission unterlaufe.
Erster auf dem Karussell
Weikert ist also als Erster auf das Karussell aufgesprungen. Andere, wie Landessportbundpräsident Stefan Klett aus Nordrhein-Westfalen, kündigen eine „Teamlösung“ an. Er ist sozusagen noch im Anlauf. Wieder andere, wie der Triathlon-Präsident Martin Engelhardt, sind gar nicht erst aufgesprungen – der Mediziner überlässt das Feld dem Juristen Weikert.
Wird es denn eine Long- oder Shortlist sein? Am Ende, so meint Weiss, könnten es ein bis fünf Kandidaten und Kandidatinnen sein. Was heißt, dass vielleicht bei der Mitgliederversammlung am 4. Dezember in Weimar die Delegierten die Qual der Wahl haben. Und der DOSB endlich mehr Demokratie wagt, wenn sich nicht schon vorher in diversen Runden dann doch wieder nur auf einen Kandidaten oder Kandidatin geeinigt wird.
Zur Wahl stellen wird sich dann Martin Engelhardt nicht mehr. Er hat für den Kandidaten Weikert seine Ambitionen hintangestellt. 2018 war er es, der als Überraschungsbewerber in Düsseldorf gegen den amtierenden Präsidenten Alfons Hörmann antrat. Eigentlich sollte damals schon Weikert antreten, der aber mit dem Hinweis auf seine Verpflichtungen als Internationaler Tischtennispräsident (ITTF) ablehnte. Jetzt ist die Lage eine andere. Der Limburger Weikert kandidiert nach Querelen nicht mehr für das ITTF- Amt und ist nun für den DOSB bereit.
Rückhalt bröckelte
Ein Teil der Verbandsfunktionäre, die nun Weikert unterstützen, hatte sich schon vor einigen Jahren zusammengetan, weil sie mit dem Präsidenten Hörmann, seinem Auftreten und Vorgehen nicht einverstanden waren. Während Engelhardt offen Kritik übte, blieb Weikert zurückhaltend. Engelhardt unterlag Hörmann damals, landete trotz ungeschickter Strategie und Wahlvorbereitung aber einen „moralischen Achtungserfolg“, wie in Medien zu lesen und zu hören war. Und er hatte Hörmann die Laune gründlich verhagelt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil dieser zur Kenntnis nehmen musste, dass der Rückhalt der Sportfamilie für ihn zu bröckeln begann.
Ob Stefan Klett als Präsident doch noch aufspringen oder nur einer im Team sein wird, das wollte er am Dienstagabend am Telefon nicht kommentieren. Es müsse jetzt erst mal um Inhalte gehen und nicht um Personen. „Das Prozedere darf nicht so sein, dass der erste Kandidat mit Stimmpaketen im Rücken durch die öffentliche Wirkung gesetzt ist“, sagte er. „Das geht nicht gegen die Person Weikert, um nicht missverstanden zu werden“, so Klett. „Ich werde Mitglied des Teams sein, das für eine erfrischende effektive und schlagkräftige Richtung steht.“ Nochmal die Nachfrage nach der eigenen Kandidatur als Präsident? Und noch mal die Antwort: „Ich stehe für ein Team, in dem die Interessen der Landessportbünde sehr wahrnehmbar vertreten sein werden.“
Mronz im Team Klett?
Die neuesten Gerüchte, die durch Sportdeutschland wabern, könnten sich auch als führenden Kopf des Klett-Teams Sportevent-Manager und Rhein-Ruhr-Olympia-Bastler Michael Mronz vorstellen. Auf einem Kongress in Aachen Mitte September hatte er gesagt, er sei mit Freude dabei, „wenn man der Auffassung ist, dass ich an irgendeiner Stelle irgendeinen Beitrag leisten kann“. Mronz wollte das aber nicht als Bewerbung verstanden wissen. Ob der Sporteventmanager ein ernsthafter Vorschlag ist, wird sich zeigen, wenn „in etwa 14 Tagen“ (Klett) das Team vorgestellt werden soll.
Bei den vielen Namen vom ehemaligen DOSB-Schatzmeister und Hockey-Präsidenten Stephan Abel über den ehemaligen Zehnkämpfer Frank Busemann hin zu Fechterin Britta Heinemann, die derzeit als Nebelkerzen in den Raum geworfen oder als Versuchsballon gestartet werden, stellt sich die Frage, was diejenigen, die das in die Welt setzen, eigentlich erreichen wollen? Jedenfalls erleichtern sie weder der Findungskommission die Arbeit noch bringt das Ruhe in die Sportfamilie.
„Natürlich ist es spannender, über Personen zu spekulieren als über Inhalte“, sagt Weiss. Wir Spitzenverbände und auch die Landessportbünde werden jetzt erst mal bei unseren Sitzungen über Inhalte reden. Und parallel beschäftigt sich die Findungskommission mit den vorliegenden Bewerbungen. Und das erstmal alles intern.“ Wobei der langjährige, gewiefte Funktionär Weiss aus Erfahrung weiß, dass das wohl ein frommer Wunsch bleiben wird.
„Es gibt noch eine Menge zu tun, und die Zeit wird knapp“, sagt Weiss, nicht zuletzt auch deshalb, weil er persönlich in letzter Zeit auch viele Brieffreundschaften pflegen muss.
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