Trotz allem – ein besinnliches Fest und Mut für 2021

BER am Abend bei Corona

Lieber Leser, liebe Leserin,

unauslöschlich in meinem Gedächtnis sind die Bilder von Bergamo, wo zu Beginn des Jahres die Toten im Militärkonvoi auf den Friedhof transportiert und ohne Abschied von ihren Lieben beerdigt werden mussten. Was für ein Anfang dieses Jahres 2020, das eigentlich der Startschuss in die „Golden Twenties“ werden sollte. Ein winziges Virus ist aus dem Nichts aufgetaucht, hat die Welt aus den Angeln gehoben, unseren normalen Alltag aus geregelten Bahnen gekegelt und Leid und Schmerz über viele Menschen und deren Familien gebracht. 

2020, wir hätten wirklich gut auf Dich verzichten können!

Wir haben in diesem Jahr viel gelernt: Etwa über das unermüdliche Engagement von ÄrztInnen, PflegerInnen, Krankenschwestern, die unentwegt auf den Stationen von Kliniken, Alten- und Pflegeheimen im Einsatz sind. Ihnen ist nicht genug zu danken – allerdings nicht allein mit Beifall von Balkonen oder Sonntagsreden, sondern mit einer Aufwertung ihres Berufes – in jeder Hinsicht – in dieser überalternden deutschen Gesellschaft.

Wir haben gelernt, dass es immer noch Corona-LeugnerInnen gibt – auch unter politischen Führungskräften, siehe Trump oder Bolsonaro. Das leugnende Fußvolk merkt nicht, dass sich „querdenkende“ Organisatoren rechte und schräge Verbündete suchen und mit dieser Verleugnungsmaschinerie eine infame Möglichkeit gefunden haben, schnell Geld zu verdienen. Schade, um die, die sich wirklich Sorgen machen und von diesen Unverantwortlichen instrumentalisiert werden.

Wir haben gelernt, dass Pandemiebewältigung vor allem ein Heilmittel zu haben scheint, und das heißt Geld. Sicher gibt es viele, denen geholfen werden muss, ob da allerdings Lufthansa oder TUI dazugehören müssen, sei dahingestellt… Und ob Corona nun Ursache von mancher Pleite ist, das gilt es noch zu beweisen. Verbandslobbyisten sind in dieser Pandemie manchmal zu sehr fragwürdigen Orakeln mutiert.

Zu den „Sehern“gehören auch Verantwortliche im Sport. Mit einer Milliarden-Schadensprognose, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) erstellte, sorgte er schon im Mai für große Verwunderung. Das Menetekel des sterbenden „Sportdeutschlands“ wird seither an die Wand gemalt. Und dann wurden auch noch die Olympischen Spiele verschoben. Was für eine Katastrophe!

Sicher bedeutet das für die japanischen Gastgeber ein finanzielles Debakel und eine große Enttäuschung. Sicher sind AthletInnen frustriert, für sie war das ein Sportjahr zum Vergessen.

Aber die eigentliche Katastrophe meldet jeden Tag das Robert-Koch Institut mit neuen Infiziertenzahlen und Todesfällen.

Und da wird alles andere zur Makulatur. Der Sport zum Beispiel. Die Fußballbundesliga hat sowieso von Beginn der Pandemie an Sonderrechte, fällt aber auch eher unter das Ressort Wirtschaft als unter den Bereich Sport. Und auch die anderen Profiligen können unter Sonderkonditionen spielen und bekommen Millionen Unterstützung des Bundes und der Länder. Auch für den Breitensport ist mit Sonderprogrammen gesorgt. Sport ist in dieser Republik ein eigner Staat im Staate, wo vieles geht, was anderswo nicht denkbar ist. Um nicht ungerecht zu sein: Der Breitensport, also Vereine und Landesverbände, haben ohne großes Murren Einschränkungen hingenommen und sich kreativ, hilfsbereit und solidarisch gezeigt.

Solidarität und politisches Engagement zeigten in diesem Jahr viele Spitzenathletinnen in vielfältiger Weise, aber mit einer Stimme: Der Verein Athleten Deutschland ist das Sprachrohr der mündigen SportlerInnen, die auch ihre Rechte vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) einfordern. Seit den Olympischen Spielen in Rio mutieren die AthletInnen zu RevolutionärInnen im Trainingsanzug in eigener Sache, aber auch, wenn es um Menschenrechte oder Rassismus geht. So sind in diesem schrecklichen Jahr dann doch positive Entwicklungen zu entdecken, auch was den transparenten Kommunikationsfluss nach innen und außen bei den AthletInnen angeht..

Bei den FunktionärInnen lassen Debattenkultur, Transparenz und ehrliche Kommunikation teilweise sehr zu wünschen übrig. Thomas Bach kandidiert für eine zweite Amtszeit und gefällt sich als Führer des Sport-Pendants IOC zu den Vereinten Nationen, worauf er gerne in pathetischen Salven verweist. Seine Agenda 2020 ist in manchen Bereichen noch nicht viel weiter gekommen, und es wird entscheidend sein, was 2021 passieren wird: Gibt es Spiele? Wenn ja, welche? Wenn nicht, was dann? Sein Wahlmotto bei seiner ersten Präsidenten-Bewerbung lautete „Change or be changed.“ Das könnte wegen der Pandemie schneller Wirklichkeit werden als das IOC sich bewegt.

National ist zu bemerken, dass – und das liegt nicht nur an Corona – über die Leistungssportreform kaum jemand mehr redet. Man dümpelt vor sich hin und verbrät viel Geld. Aus Verbänden und sportpolitischen Kreisen kommt an der DOSB-Führung nach wie vor Kritik, die aber kaum einer öffentlich kundtut. Alles wie gehabt, und man fragt sich schon, was dieser mutlose Haufen zu verlieren hätte, der Sport aber zu gewinnen hat, wenn man endlich mal offen diskutieren würde, was im deutschen Sportsystem alles im Argen liegt… da gäbe es eine Menge zu besprechen. Haltung von andern nicht nur verlangen, sondern auch selber zeigen!

Interne Kritik also Fehlanzeige. KritikerInnen von außen gibt es einige. Doch auch mit denen wird kein öffentlicher Diskurs geführt. Oder Unklarheiten und unterschiedliche Ansichten im persönlichen Gespräch oder Telefonat geklärt. Ganz im Gegenteil. Seit neustem antworten kaum noch mehr KollegInnen der Pressestelle auf Fragen zu aktuellen Themen, sondern Anwälte, die erklären schriftlich, warum Fragen nicht beantwortet werden. Und die dann auch offensichtlich dafür sorgen, dass man eingeschüchtert von dem Sujet der Berichterstattung Abstand nimmt. Und das ausgerechnet im Auftrag von SportvertreterInnen, die gerne über Fair play, Transparenz, Wahrheit und Klarheit im Bezug auf andere reden.

Auch in dieser Beziehung hätten wir auf 2020 gut verzichten können.

Bevor Sie nun in die Feiertage starten, möchte ich Ihnen und allen, die Ihnen nahestehen, ein besinnliches Weihnachtsfest wünschen, das bei den meisten anders aussehen wird als die Jahre vorher, aber ich bin sicher, dass Sie das Beste daraus machen. Ich möchte mich ganz herzlich für Ihr Vertrauen und Ihre Treue bedanken. Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute und uns allen, dass wir bald wieder ein normales Leben haben werden, wie immer das dann auch aussehen wird – hoffentlich fröhlicher, entspannter und mit einem impf-gezähmten Virus. Um es mit dem britischen Dichter Baron Alfred Tennyson zu sagen: „An der Schwelle des neuen Jahres lacht die Hoffnung und flüstert, es werde uns mehr Glück bringen.“

In diesem Sinne das Allerbeste

Ihre/Eure

Bianka Schreiber-Rietig