Athleten- Kritik am Anti-Doping-Management des IOC

Gastbeitrag der Athletensprecher Hartung und Kassner
Berlin, 8. Februar. Unwidersprochen wollen die beiden deutschen Athleten-Vertreter, Max Hartung und Silke Kassner, nicht hinnehmen, was sich unmittelbar vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Pyeongchang, in Sachen Anti-Doping-Management des Internationalen-Olympischen Komitees (IOC) abspielt: Sie melden sich in folgendem Gastbeitrag zu Wort:
Der Anspruch wird der Wirklichkeit nicht gerecht
Die Entscheidung des CAS, die lebenslangen Sperren des IOC für 28 russische Athletinnen und Athleten aufzuheben, hat weltweit bei den Athletinnen und Athleten für Unverständnis und Empörung gesorgt. Die Mehrheit der Sportler – auch in Deutschland – hat sich auf dieUntersuchung und die Entscheidung des IOC verlassen und hat damit erwartet, Rückendeckung für saubere Wettkämpfe bei den Winterspielen in Pyeongchang zu erhalten.

Die Politik der Einzelfallgerechtigkeit ist gescheitert. Die Entscheidung des CAS verbrieft nun jenen Athletinnen und Athleten, die nachweislich vom Staatsdoping im russischen Sport profitiert haben eine Startberechtigung bei Olympischen Spielen. Das ist ein Super-Gau für alle sauberen Athletinnen und Athleten. Die Maßnahmen, die der Sport ergreift, um auf das Betrugssystem zu reagieren, reichen nicht aus. Der Sport steckt in der tiefsten Krise, und wir haben das Gefühl, dass diese Situation nicht richtig gemanagt wird.
Vor allem den Athletinnen und Athleten sollte transparent dargelegt werden, auf welcher Grundlage und welchen Fakten die Entscheidungen des IOC getroffen wurden. Es ist auch nicht nachvollziehbar, in welcher Form Dopingkontrollen im russischen Sport im Training erfolgt sind, um möglichen Trainings- und Leistungsmanipulationen in der Olympiavorbereitung präventiv entgegen zu wirken.
Um der Krise Herr zu werden und dem Sport seine Glaubwürdigkeit zurück zu geben, muss das internationale Dopingkontrollsystem für die Zukunft vollkommen neu aufgestellt werden – eine von den Sportorganisationen personell dominierte Anti-Doping Authority ist keine Lösung. Der Sport kann sich nicht selber kontrollieren. Das Foundation Board der WADA ist zu 50% mit Vertretern des Sports besetzt, die anderen 50% sind mit wenig handlungsfähigen Regierungsvertretern besetzt. Wir unterstützen daher die Initiative von der norwegischen Ministerin Helleland, die Politik stärker für den Anti-Doping-Kampf zu vereinen und zu aktivieren.
Die Athleten fordern eine Neustrukturierung der Welt-Anti-Doping Agentur und des internationalen Anti-Doping-Managements:
Dabei muss die WADA finanziell so ausgestattet werden, dass sie unabhängig vom Sport agieren und das weltweite Dopingkontrollystem beraten und monitoren kann. Die Nationalen Anti-Doping Agenturen übernehmen – wie heute schon – die Durchführung der Kontrollen.
Mit der NADA in Deutschland haben wir einen langen Prozess durchlaufen und haben die operative Arbeit – sprich Haupt- und Ehrenamt – streng voneinander getrennt. Heute leistet ein geschäftsführender Vorstand mit einem kompetenten Team das Dopingkontrollsystem und ein Aufsichtrat berät und observiert. Der Bund hat hier Verantwortung übernommen und finanziert maßgeblich das Kontrollystem.
Mit der Unabhängigkeit der WADA fordern die Athletinnen und Athleten weiter, dass es keine Interessenkonflikte bei der Besetzung von Ämtern mehr geben darf. In einer Ämterdopplung werden derzeit Aufgaben sowohl im Sport als auch im Anti-Doping Management übernommen. Die Athleten – als erste Stakeholder-Gruppe im Anti-Doping-Management – müssen eine starke Stimme im Foundation Board der WADA erhalten. Ihre Persönlichkeitsrechte sind weitreichend betroffen im Sport und im Anti-Doping Management.
Ebenso muss die Expertise der führenden Anti-Doping-Agenturen in die Struktur der WADA eingebunden werden. Die NADOs setzen 70% der Dopingkontrollen weltweit um und finanzieren diese, in Abstimmung mit den internationalen und nationalen Spitzenverbänden.
Unverständlich ist für uns, dass der kritischen Beobachtung des ehemaligen WADA-Präsidenten und IOC-Mitglieds Richard Pound keine Beachtung innerhalb des Sports geschenkt wird. Pound kennt das internationale Anti-Doping Management grundlegend und kann einen essentiellen Beitrag für die Weiterentwicklung des Anti-Doping-Managements leisten. Wir unterstützen die Haltung des IOC.Mitgliedes und Athletenvertreters Adam Pengilly. Adam beweist äußerst großen Mut, neben Richard Pound in der IOC-Vollversammlung seine kritische Meinung im Umgang mit dem Dopingskandal zu äußern. Er ist als Athlet ein Kämpfer für den Geist des Sportes und scheut keine Widerstände.
Halo Seppelt für Ethikpreis vorgeschlagen 
Die AthletInnen-Vertreter haben den Journalisten Hajo Seppelt für den Ethik- Preis des Deutschen Olympischen Sportbundes vorgeschlagen. Sie begründen ihren Vorschlag damit, dass Seppelt durch seine unermüdliche Recherche und unter Einsatz seiner persönlichen Möglichkeiten und  Kräfte die Anti-Doping-Arbeit maßgeblich in Bewegung gebracht habe. Außerdem habe er sich für den Schutz der Whistleblower eingesetzt, die durch die Veröffentlichung der Machenschaften ihr Leben aufs Spiel setzten.