Der Sportausschuss macht sich wichtig

Chance zur Pflege des eigenen Ansehens und der Diskussionskultur / Freitag wieder Vorsitzende

Berlin, 31. Januar. Am Mittwoch konstituierten sich die Ausschüsse des Deutschen Bundestages. Auch der Sportausschuss formierte sich unter Leitung der Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen). Dem 18-köpfigen Gremium sitzt erneut das SPD-Mitglied Dagmar Freitag vor. Nun hat der Ausschuss die Chance, nicht nur für das eigene Ansehen etwas’ zu tun, sondern auch für eine neue Diskussionskultur in der deutschen Sportpolitik. Streitbar zeigten sich die Parlamentarier schon im letzten Jahr, als sie sich nicht zu bloßen „Abnickern“ in Sachen Spitzensportreform machen lassen wollten.

Wer im letzten Jahr mit Mitgliedern des Sportausschusses sprach, bemerkte häufig Empörung und große Verärgerung bei den Gesprächspartnern. Ausgelöst wurde das durch die Neustrukturierung des Spitzensports und der Sportförderung, die das Bundesinnenministerium (BMI) zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) an ihnen vorbei „kreiert“ hatte. Und nicht nur das: Auch, weil es DOSB und BMI nicht für nötig hielten, den Sportausschuss über den Stand der Reform-Dinge zu informieren, war die Stimmung auch in der parlamentarischen „Sport-Kammer“ im Keller. Wobei die Sportpolitiker, von denen einige qua Amt auch in einem Sportverband sitzen, teilweise an ihrer Uninformiertheit selbst Schuld hatten, weil sie zu lange alles laufen ließen und zuschauten.

Bei Dagmar Freitag, der Vorsitzenden des Sportausschusses, war neben der Verärgerung auch eine Art Amtsmüdigkeit festzustellen. Sie schien mürbe von den ständigen sportpolitischen Auseinandersetzungen, den Anfeindungen, die sie nicht nur im Zusammenhang mit dem von ihr maßgeblich auch gegen SPD-Minister durchgekämpften Anti-Doping-Gesetz zu spüren bekam.

Nicht nur aus der Führungsetage des DOSB oder von Sportverbänden, sondern auch aus den eigenen Reihen wurden Spitzen gegen sie gesetzt, und persönliche Verletzungen blieben nicht aus.

Wen wundert es, dass nach zwei Amtszeiten, nach Ende der Legislatur alle Zeichen auf Abschied aus dem Gremium und dem Sport standen – denn sie gab auch ihr Amt als Vizepräsidentin im Deutschen Leichathletikverband auf: Neue Herausforderungen in der Politik, aber keine im Sport.

Kämpferisch

Nun ist alles anders: Nicht nur, weil Jamaika bei der Regierungsbildung daneben ging und nun die Groko wahrscheinlich kommen wird. So richtig loslassen konnte Dagmar Freitag irgendwie doch nicht. Und bei Nachfragen war herauszuhören: Ja, wenn sie als Vorsitzende… ja dann. Nun ist sie also wieder im Amt. Leicht machen wird sie es den Protagonisten – egal auf welcher Seite – nicht. Und auch die Mitglieder, die nun schon eine  Weile im Ausschuss sitzen, werden nach den Erfahrungen dem einst so verwöhnten Hätschelkind (Spitzen)-Sport nichts mehr so einfach durchgehen lassen. Nicht zuletzt, weil die Öffentlichkeit auch ihnen mittlerweile genauer auf die Finger schaut. Populäre Statements reichen nicht mehr.

Apropos populär und Populismus: Da sind nun auch interne Umgangsfragen im neuen Sportausschuss zu klären: Etwa mit der AfD, die auch den Sport und AthletInnen für ihre fremdenfeindlichen Ressentiments schon benutzt hat. „Wir sind sensibilisiert. Und geben die passenden Antworten“, so Sportausschussmitglieder auf die Frage, wie sie mit den Neuen umgehen werden.

Schon im letzten Jahr waren sich alle im Sportausschuss einig, dass es im Zusammenhang mit der Spitzensportreform – die wohl auch 2018 die Parlamentarier schwer beschäftigen wird – noch viele Aufgaben und Probleme zu lösen gibt. Mittlerweile sagen lang gediente Sportausschuss-Mitglieder, dass man sich mit dem Sport nicht so so nebenher beschäftigen könne. Dafür ist alles zu komplex und rasant. Man müsse da stets auf Ballhöhe bleiben, um nicht ausgespielt zu werden. Abgeordnete aus kleinen Fraktionen, die dann mehrfach im Einsatz sind, kommen da schon zeitlich ins Schleudern.

Der Sportausschuss, der immer noch ein (auch selbstverschuldetes) schlechtes Image hat, sollte nicht nur von seinen Mitgliedern, sondern auch von den Fraktionen ernst genommen werden. Und sich selbst mit Initiativen und Themen wichtig machen. Denn: Er beackert ein Feld, das viele BürgerInnen interessiert und betrifft. Und die stehen dem dopingverseuchten Spitzensport, großen und teueren Events wie Olympischen Spielen sowie der Funktionärskaste, die sich national und international von Skandal zu Skandal hangelt, kritischer denn je gegenüber.

So müssen auch die Parlamentarier Antworten auf die Frage geben, ob und warum es zu rechtfertigen ist, dass der Steuerzahler im Jahr in den gesamten Sport (Kommune, Land, Bund) rund eine Milliarde Euro pumpt.

Öffentlich und transparent

Um so wichtiger sind öffentliche Sitzungen und somit Diskussionen des Sportausschusses, um nicht nur Transparenz herzustellen (die die Politik gerne von anderen einfordert), sondern BürgerInnen und vor allem auch alle Beteiligten und Betroffenen mitzunehmen: Das sei bei der Reform ganz und gar nicht passiert, war sich der Sportausschuss einig. Nicht nur Dagmar Freitag ist der Meinung, dass die AthletInnen die Verlierer der Spitzensportreform sein könnten, wenn ….ja, wenn.

Auch hier wäre die oft geforderte gesellschaftspolitische Diskussion, die im Bundestag geführt werden müsste, wichtiger denn je: Welchen Sport möchte sich die Republik künftig leisten? Und was ist sie bereit, dafür zu bezahlen?

Denn wer nicht plausibel begründen kann, warum der Spitzensport öffentlich gefördert werden soll, der kommt in Erklärungsnot. Etwa bei folgendem: Derzeit wird bereits an einer Art Absicherungs-Paket gebastelt, das unter anderem auch eine Altersversorgung vorsieht. Damit sollen SpitzensportlerInnen für die Zeit ihrer aktiven Laufbahn vom Steuerzahler in Sachen Rente subventioniert werden. Auf den ersten Blick verständlich. Aber politisch brisant.

Rollen unklar

Sportpolitik(er) und Sport-Funktionäre stecken in einer Beziehungskrise, weil die jeweiligen Rollen oder besser Aufgabenbereiche offensichtlich dem einen oder anderen nicht klar sind. In der Beliebtheitsskala bei DOSB und Verbänden stehen die Sportpolitiker derzeit nicht weit vorne. Was zum Beispiel Ruderpräsident Siegfried Kaidel beim Wahlhearing im Sommer letzten Jahres in Berlin gegenüber den Sportpolitikern lautstark zum Ausdruck brachte. Oder die Sportausschussvorsitzende Freitag durch eine Nichteinladung zur DOSB-Mitgliederversammlung im Dezember erfuhr.

Leichter wird die Zusammenarbeit durch derart deutliche Abneigungs-Bekundungen nicht.

Es hat sich nicht erst im letzten Jahr gezeigt, dass im Sportausschuss die Politik des Abnickens, der finanziellen Empfehlungen an den Haushaltsausschuss ohne kritische Nachfragen, ja der Kumpanei passé ist. Angesichts der nationalen und internationalen Vorfälle muss man genauer hinschauen, und es stellen sich Fragen, wie legitim es ist, so viel Steuergeld zu verteilen. „Ich bin dem Steuerzahler verpflichtet, da darf ich doch auch mal nachfragen oder?“, empörte sich im letzten Jahr André Hahn wie andere seiner KollegInnen nach einer Anhörung, als DOSB-Vertreter so taten, als grenze eine Nachfrage schon an Majestätsbeleidigung.

Fragen, nachfragen, öffentlichen Diskurs führen: Der Sportausschuss, der am 21. Februar wieder tagen wird, nutzt hoffentlich diesmal die Chance, dies auch öffentlich zu tun. Weil Sport ja alle angeht und sich der Bund um mehr als Spitzensport kümmern muss: Etwa, wenn es um Sport und Integration, Sport und Präventivmaßnahmen oder Infrastruktur geht.

Der Sportausschuss geht ja gerne auf Reisen, um zu erkunden, wie es um den Sport steht, Austausch zu pflegen. Meistens in fernen Landen bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Dabei wären Ausflüge vor der Haustür informativer und aufschlussreicher für die eigenen sportpolitischen Entscheidungen. Zum Beispiel im letzten Jahr, als eine Minitruppe des Ausschusses sich nach Bayern aufmachte, um dort mal problembehaftete Wintersportgemeinden zu besuchen. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Dieter Stier ließ hinterher wissen, dass man da doch viel gelernt habe. Da wäre dann für die neue Legislaturperiode zum Beispiel eine Tour durch die 16 Bundesländer zu empfehlen, um mal vor Ort zu sehen, wie marode Sportanlagen wirklich sind, wie bevölkert ein Bundesleistungszentrum tatsächlich ist, welches Niveau der Schulsport hat, der ja neben dem Vereinssport eine Voraussetzung für die Förderung der Talente bildet.

Nach den Erfahrungen und der teilweise doch mäßigen Performance vor allem im Zusammenhang mit der Spitzensportreform darf man gespannt sein, wie der Sportausschuss nun agieren wird. Die Erwartungen sind hoch. Werden selbstbewusste Parlamentarier sich gegen überzogene Anforderung von Lobbyisten und Funktionären zu wehren wissen? Werden sie ohne Parteigeplänkel sachorientiert Empfehlungen an die Haushälter weitergeben? Auch dem MinisterIn die Stirn bieten, wenn es sach- und fachlich geboten ist? Und wird der Ausschuss und somit die Vorsitzende im Rahmen ihrer parlamentarischen Möglichkeiten auch endlich einen agierenden statt abwartenden Part spielen? Die Chance ist da, dem Sportausschuss durch überzeugende Arbeit zu Ansehen und Einfluss zu verhelfen. Bisher hat er sich fast immer unter Wert verkauft.

Sportausschuss

Im neuen Gremium sitzen sechs Mitglieder der CDU/CSU, vier SPD-Vertreter und jeweils zwei Parlamentarier von AfD, FDP, Die Linke und Bündnis90/ Die Grünen.

Obleute und SprecherInnen : Frank Steffel (Obmann), Sprecher Eberhard Gienger ( CDU/CSU), Detlev Pilger (SPD, beide Funktionen), Jörn König (AfD, beide Funktionen)), Britta Dassler (FDP), beide Funktionen), Andre Hahn (Linke, beide Funktionen), Monika Lazar (Grüne, beide Funktionen)

Ordentliche Mitglieder

CDU/CSU: Eberhard Gienger, Fritz Günzler, Stephan Mayer, Frank Steffel, Johannes Steiniger, Dieter Stier.

SPD: Dagmar Freitag (Vorsitzende), Cansel Kiziltepe. Mahmut Özdemir, Detlev Pilger.

AfD: Jörn König, Andreas Mrosek

FDP: Britta Dassler, Marcel Klinge

Linke: Andre Hahn, Sören Pellman

Grüne: Erhard Grundl, Monika Lazar