Auf dem Weg der Besserung …?

Vergabe von Sportgroßereignissen / Internationale Verbände lernen offensichtlich dazu

Berlin, 29.März. „Andere Spiele sind möglich! Sportgroßereignisse nachhaltig und im Einklang mit Menschenrechten gestalten!“ Das war das Thema einer hochkarätig besetzten Veranstaltung der Grünen im September 2014. In einer Zeit, in der gerade die FIFA mit der Vergabe der WM nah Katar wieder für einen neuen Skandal sorgte und das IOC wegen der Vergabe der Olympischen Spiele in Sotschi in der Kritik stand. Im Dezember 2014 brachten die Grünen einen Antrag zur Vergabepraxis sportlicher Großereignisse im Bundestag ein. Nun wurde im Sportausschuss des Deutschen Bundestages über den Antrag der Grünen (18/3556) nochmals diskutiert.

Der (internationale) Sport steckt nach wie vor in einer schweren Glaubwürdigkeitskrise. Darin waren sich Ausschussmitglieder und Experten einig. Ebenso stimmten sie aber überein, dass sich in den vergangenen Monaten in Sachen Transparenz, Menschenrechten und beim Kampf gegen Korruption doch einiges verbessert habe. Ob aus Überzeugung oder Selbsterhaltungstrieb: Verbände und FunktionärInnen entdecken ihr Gewissen und ethische Anforderungen.

Natürlich war bei diesem Thema als Fachfrau wieder Sylvia Schenk dabei. Die Vorsitzende der Sport AG von Transparency International Deutschland forderte, dass die positiven Entwicklungen auf internationaler Ebene fortgeführt werden müssten. Und mit einer starken Stimme aus dem deutschen Sport begleitet und weiter angestoßen werden sollten. Ob der deutsche Sport und vor allem seine FunktionärInnen in der momentanen Verfassung da allerdings geeignet sind, anderen gute Ratschläge zu geben, sei dahingestellt.

Neuausschreibung

Als Zeichen für einen positiven Trend wertete Schenk die Neuausschreibung für die Commonwealth Spiele 2022: Dort seien Menschenrechtsfragen und Anti-Korruptionsforderungen aufgenommen worden. Ermutigend sei auch, dass der Europäische Fußballverband (UEFA) in die Bewerbungsanforderungen zur EM 2024 diese Punkte aufnehmen will. Als negatives Beispiel führte die Juristin die Vergabe der Europaspiele 2019 nach Minsk an. Bei dieser Entscheidung hatten sich die Deutschen bekanntlich der Stimme enthalten.

Michael Vesper, der für den Deutschen Olympischen Sportbund im Sportausschuss saß, sah zwar ebenso einen positiven Trend im Gesamtbild, fühlte sich aber veranlasst, sich im Zusammenhang mit der Entscheidung für die weißrussische Hauptstadt zu rechtfertigen: Es habe keinen anderen Kandidaten gegeben. Er habe in verschiedenen Gremien gegen Minsk Stellung bezogen. Aber am Ende stimmte die Mehrheit doch dafür. Und warum war der DOSB nicht dagegen? Das wäre doch eine klare Haltung zum Beispiel für das Einhalten von Menschenrechten gewesen. Der DOSB stehe ganz klar hinter dem Anspruch, Menschenrechte bei Bewerbungsprozessen stärker zu berücksichtigen, Nachhaltigkeit zu stärken und Korruption zu bekämpfen, beteuerte sein Vorstandsvorsitzender Vesper. Gerade deshalb seien die gescheiterten Olympia-Referenden in München und Hamburg so enttäuschend, weil man keine Gelegenheit habe, diese Kriterien selbst im Rahmen Olympischer Spiele umzusetzen. Interessante Aussage, die zu denken gibt.

Arbeits- und Sozialnormen

Bei der Vergabe von Sportgroßereignissen sei auf die Einhaltung von Arbeits- und Sozialnormen zu achten, forderte Annette Niederfranke, von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die bei den Vereinten Nationen angesiedelt ist. Das könnten aber nicht alleine Sportverbände leisten. Vielmehr sei es eine staatliche Aufgabe, Staaten daran zu erinnern, die sich nicht an solche Normen halten.

Ein Beispiel, dass Krisen für zerrüttete und gefährdete Sportverbände auch heilsam sein können, ist der Ringer -Weltverband (UWW). Doping, Korruption – Ringen drohte aus dem olympischen Programm gekippt zu werden – habe dazu geführt, dass der Weltverband sich sozusagen „runderneuert“ hat. UWW-Präsidiumsmitglied Karl-Michael Dittmann berichtete, dass nicht nur in kurzer Zeit ein neuer Präsident ins Amt kam, sondern auch transparente Bewerbungsverfahren und eine Ethikkommission eingerichtet wurden. Und man habe einen Ethik-Code, nicht nur auf dem Papier: „Der wird auch gelebt.“

“Wiedervergabe” einer Veranstaltung ist das Prinzip, auf dem die Internationale Biathlon-Union (IBU) bei Großveranstaltungen setzt, so IBU-Generalsekretärin Nicole Resch. „Wegen der hohen Kosten für Biathlon-Anlagen gehen wir bei internationalen Wettkämpfen an Orte, wo es eine Infrastruktur und Kultur für Biathlon gibt.“ Für diese Variante habe man sich auch beim IOC – im Blick auf Winterspiele – stark gemacht. Der Verband ist allerdings in einer komfortablen Situation. Biathlon ist medienträchtig, muss sich nicht um Austragungsorte sorgen: „Wir haben 17 Bewerbungen für zehn Events.“ Und da kann man dann „in die Länder gehen, wo wir wissen, was wir bekommen.“

Zustimmung und abgelehnt

Özan Mutlu, sportpolitischer Sprecher der Grünen, begründete nochmal, warum dieses Thema so wichtig ist. „Wenn wir internationale Sportveranstaltungen weiterhin erhalten wollen, kann es nur eine Antwort geben: weg vom Gigantismus, hin zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Sportgroßveranstaltungen dürfen nicht mehr an Länder vergeben werden, die Menschen- und Bürgerrechte missachten. Sportverbände müssen Menschen – und Bürgerrechte, Umweltschutz, aber auch auch Transparenz und Anti-Korruptionsmaßnahmen endlich in Bewerbungskriterien für Olympische Spiele, Weltmeisterschaften und Europameisterschaften aufnehmen und als hartes Vergabekriterium bedingungslos einfordern.“

Mutlu bedauerte es, dass man zwar von allen Sportausschusskollegen und sämtlichen Sachverständigen breite Zustimmung erhalten habe, aber die Koalition am Ende den Antrag ablehnte. Besonders ärgerlich fand nicht nur Mutlu, dass auch diese Diskussion des Sportausschusses, die eigentlich schon vor elf Monaten stattfinden sollte und wegen eines Streiks ausfallen musste, wieder einmal hinter verschlossenen Türen stattfand.