Eine Art Unabhängigkeitserklärung

Vertreter der Athletenkommission schildern im  Sportausschuss ihre Probleme – auch mit dem DOSB

Berlin, 8.Februar. Gerne wird von FunktionärInnen über „mündige AthletInnen“ philosophiert. Aber nur dann, wenn es genehm ist. Denn SportlerInnen, die gerne öffentlich auch mal was Kritisches sagen oder Konstruktives beitragen wollen, werden nicht selten schnell von Offiziellen zurückgepfiffen. Das wollen die Aktiven so nicht mehr hinnehmen. Eine Unabhängigkeitserklärung ist angesagt.

Die Vertreter der Athletenkommission im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), Vorsitzender Max Hartung und seine Stellvertreterin Silke Kassner, machten das bei der Sitzung des Sportausschusses im Deutschen Bundestag am Mittwoch deutlich.Was also ist zu tun, um für die SportlerInnen optimale Unterstützung, aber auch Unabhängigkeit zu erreichen?

Konkrete Vorstellungen

Max Hartung übernahm erst vor einigen Wochen den Vorsitz der Athletenkommission vom ehemaligen Ruder-Weltmeister Christian Schreiber, der offiziell wegen „Überlastung“ vom Amt zurückgetreten war. Der Fechter Hartung und die Kanutin Kassner haben konkrete Vorstellungen für ihre Gremiums-Arbeit. „Wir müssen professioneller werden, wenn wir Sportlern wirklich helfen wollen“, sagte Hartung. Es gebe viele Herausforderungen für die Athletenkommission, denen sie in den letzten Jahren nicht habe gerecht werden können, ergänzte Silke Kassner. Warum? „Weil dafür die Ressourcen fehlten.“ Und fehlen.

Das sei auch der Grund, warum sich die Aktiven nicht so in die Entwicklung des Leistungssportkonzeptes hätten einbringen können, wie es nötig gewesen wäre. „Wir waren da einfach im Sommer völlig überfordert“, so Hartung. Schließlich standen die Olympischen Spiele von Rio ins Haus.

Keine Netzwerk

„Sportler wollen sich einbringen und einmischen“, versichert der Fechter, aber oft wüssten sie nicht wie. Es fehle auch an einem ordentlichen Netzwerk unter den Athleten. Er tausche sich mit seinen KollegInnen auf seinem persönlichen Netzwerk aus.

Hartung und Kassner fordern „hauptamtliche Unterstützung, die nicht beim DOSB angesiedelt ist“.

Denn der DOSB (und nicht nur der) hält die Aktiven an der kurzen Leine. Intern wird gemäßigte Kritik von den DOSB-Granden gerade noch so geduldet, aber bei Aufmümpfigkeit nach außen, da verhängt die Führungscrew sicherheitshalber einen Maulkorberlass. Hartung hat das nach seiner Kritik an der Bundeswehrförderung schon mal zu spüren bekommen.

Mit welchen Problemen sich SportlerInnen auseinandersetzen müssen, darüber berichtete Claudia Bokel, ehemalige Athletenvertreterin im DOSB und im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Sie sitzt heute auf der anderen Seite des Tisches, denn nun ist sie Präsidentin des Deutschen Fechterbundes. Aber trotz des Seitenwechsels schlägt ihr Herz wirklich für die AthletInnen und deren Anliegen.

Bokel erzählte nicht nur von ihren Erfahrungen, vor allem von der Einflussnahme und dem Druck durch Funktionäre. Ein Satz, der alles sagt über den Umgang mit den Sportlern (und deren Sprechern), blieb ihr offensichtlich sehr im Gedächtnis. „Wenn du das in der Sitzung ansprichst, zerstöre ich deine sportpolitische Karriere“, wurde ihr einmal von einem IOC-Funktionär gedroht, als sie anderer Meinung war. Die Athletenkommission benötige vertrauensvolle Unterstützung durch ein Hauptamt und ein eigenes Budget, damit über Geld für die nötigen Maßnahmen nicht die DOSB-Führung entscheide, fordert sie deshalb aus leidiger Erfahrung.

Konflikte programmiert

Konflikte sind programmiert, weil die Athletenkommission in Abhängigkeit vom DOSB steht. Ein weiteres Beispiel führt Hartung an: Wenn er sich von einem hauptamtlichen Referenten im DOSB ein Papier ausarbeiten lassen wolle, das nicht mit der Sicht der DOSB-Führung übereinstimmt, bringe er den Referenten in Konflikte. Deshalb seien eigene Mitarbeiter und eigenes Budget unabdingbar, um die Interessen der Sportler voranzubringen, so Kassner.

Man wolle dennoch mit dem DOSB verzahnt bleiben, sagten beide Aktiven-Vertreter – schließlich habe man ja Sitz und Stimme im Präsidium.

Aber: Oft beschleiche einen das Gefühl, man erfülle nur eine Alibifunktion, meint Kassner. Und Hartung sagt auf Nachfrage der Parlamentarier, natürlich könne er sich eine starke Athletenkommission unter dem DOSB-Dach vorstellen. Doch: Bislang habe man keinen gemeinsamen Nenner gefunden. Seine ersten Gespräche mit den Verantwortlichen hätten gezeigt, dass der DOSB klare Vorstellungen davon habe, was Kontrolle über die Arbeit der Kommission und das Anstellungsverhältnis hauptamtlicher Mitarbeiter angehe.

Als Anlaufstelle mit offener Tür für ihre Probleme steht das Bundesinnenministerium für die Athleten bereit: Sowohl Staatssekretär Ole Schröder wie auch Sport-Abteilungsleiter Gerhard Böhm versprachen Unterstützung, wenn die AthletInnen anklopfen.