Nach Geldregen gewohnte PK-Inszenierung von FIFA-Präsident Blatter nach der Tagung der Exekutive in Zürich
Berlin, 20. Juli – Zwei Komiker auf einer Bühne: Der britische Comedian Simon Brodkin wies mit einem ziemlich platten Gag – fliegenden Geldscheinen – bei der Pressekonferenz von FIFA-Präsident Sepp Blatter in Zürich auf den korrupten FIFA-Laden hin. Blatter, der selbst gerne als Komiker auftritt – etwa als Reformer oder als Ronaldo-Double, war not amused. Er wollte das Podium nicht mit einem Konkurrenten teilen, brach erst mal die Pressekonferenz ab – und der Brite wurde von der herbeigerufenen Security aus dem Saal gebracht. Noch mal von vorne.
War da was? Der Mann, dem am 27. Mai 2015 sieben seiner Funktionärs- Kollegen in Zürich während des FIFA-Kongresses abhanden kamen, tut, als sei nichts passiert. Die Kollegen wurden damals im Tagungshotel verhaftet, einige auf Kaution freigelassen, und andere stehen unter Hausarrest. Vor wenigen Tagen wurde Jeffrey Webb von den Kaimaninseln von den Schweizer Behörden an die USA ausgeliefert. Der Banker, einst enger Vertrauter Blatters und auch schon mal als einer seiner potenzieller Nachfolger gehandelt, sitzt nun in New York fest, und hat sich wohl entschlossen, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Was nun für Blatter nicht ganz so cool wäre.
Aber das beunruhigt ihn offenbar nicht. Einer wie er ist durch nichts umzuwerfen. Obwohl – „Ich lebe noch. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass die Wellen des Tsunami am 27. Mai in Zürich mich weggespült haben“, erzählt er bei der Pressekonferenz. Zu früh gefreut. „Nein, ich bin noch hier. Ich bin immer noch der gewählte Präsident“ diktiert er allen in den Block, die es vielleicht noch nicht gemerkt haben.
Lieber zu Hause
Und benimmt sich auch so. Er schwadroniert darüber, dass es trotz des rabenschwarzen Maitages in der FIFA weitergegangen sei, dass alle Entwicklungsprogramme weitergeführt worden seien. Und dass natürlich auch die Veranstaltungen, wie die Frauen-WM, stattfanden. Auch ohne ihn. Denn Sepp Blatter bleibt nun lieber zu Hause als in Länder zu reisen, die Auslieferungsabkommen mit den USA haben.
Dann kommt er auf die Tagung des Exekutivkomitees zu sprechen. Das hat beschlossen, dass der Wahlkongress am 26. Februar 2016 stattfinden wird.
Da haben also DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und seine Truppe, die gerne ganz schnell, noch in diesem Jahr, zur Neuwahl schreiten wollten, mal wieder das Nachsehen. Der Alte bleibt weiter, der Abgang zieht sich.
Neuer alter, alter neuer Präsident
Dass es einer (ein Abgang) werden soll, das behauptet Blatter jedenfalls an diesem Montag im Juli. „ Am 26. Februar 2016 wird die FIFA einen neuen Präsidenten haben.“ In diversen Interviews der letzten Wochen war er da sehr kryptisch mit seinen Einlassungen, diesmal klar. Vielleicht bis zum nächsten Interview.
Nachfrage, ob er sicher sei, dass er am 27. Februar 2016 nicht wieder da sitze. „Ich bin der alte Präsident, da kann ich nicht der neue Präsident sein.“ Den Satz muss man nur richtig verstehen. Ohne Blatter-Beteiligung – auf diesen Sachverhalt legt der DFB-Herr Niersbach besonderen Wert – wird nun eine „Task Force Reform“ sich um die Umsetzung der Reformen kümmern. Dass sich da offensichtlich wieder alle selbst kontrollieren, sei nur mal so erwähnt. Asien, Afrika, Europa, Nord- und Mittelamerika sowie Südamerika und Ozeanien schicken je zwei Vertreter in die Task Force. Unabhängige Reformer von außen? Nee, is nix, machen wir selber.
Beleidigung für die Mafia
Da könnte man nun den US-Senator Richard Blumenthal zitieren, der seit letzter Woche ein Senats-Hearing in Washington zum Thema FIFA, Korruption und Sonstiges leitet. Der sprach in seinem Eingangs-Statement von der FIFA als einem „Mafia-ähnlichen Syndikat“ und fuhr dann zögernd fort: „Der Vergleich könnte ja für die Mafia vielleicht eine Beleidigung sein.“ Starker Tobak, der aber nicht allein auf öffentlichkeitswirksame Publicity im Wahlkampfgedöns zurückzuführen ist, sondern auf Kenntnis von Ermittlungsakten. Die Mafia, so der Senator weiter, würde ihre korrupten Geschäfte niemals in einer solch „himmelschreiend unverdeckten und arroganten Weise abwickeln“.
Das sitzt, kratzt aber offensichtlich in der FIFA keinen.
Altersbegrenzung – amüsiert den Sepp
Auch einige Sponsoren, laut BBC waren es Coca Cola und McDonalds, meinen, dass man Reformen mit Hilfe von außen durchziehen muss. Die Mahnung beeindruckt auch nicht so richtig.
Aber wenn wundert’s. Die Exekutive hat ja nun auch eine Altersbegrenzung für alle Funktionärsträger beschlossen. Das sind Probleme! Und da muss man sich kümmern. Der 79-jährige Blatter amüsiert sich fast darüber, als er einem englischen Kollegen vom „Guardian“ antwortet: „Sie als gut informierter Sportjournalist wissen, dass diese Altersbegrenzung schon auf dem Kongress 2013 auf Mauritius vorgestellt und nicht weiter behandelt wurde. Und dann in Sao Paulo 2014 war sie wieder auf der Agenda und wurde vom Kongress abgelehnt.“ Ja, wer will sich schon selbst die Amtszeit und somit den Zugang zum FIFA-Selbstbedienungsladen beschneiden? Also wird’s wieder nix?
Transparenz nicht jetzt
Apropos beschneiden: Auch die Gehälter, Honorare oder wie immer man die sogenannten „Aufwandsentschädigungen“ nun nennen mag, die die ehrenamtlichen Herren von der FIFA da so kassieren, sollen offengelegt werden. Transparenz ist angesagt. Aber nicht jetzt. Da ziert sich der Sepp heftig, trotz mehrfacher Nachfrage. Dass er nicht nur für einen Apfel und ein Ei arbeitet, ist ja bekannt, obwohl er ja in jedem gefühlten fünften Satz sagt: „Ich tue es aus Liebe zum Fußball.“ Und sicher werden sich auch andere verweigern, die mit Hilfe des FIFA-Amtes ihr Schäflein ins Trockene bringen. Shame on you!
Kandidaten – Fehlanzeige
Ja, nun hat der große Reformer Blatter seine Punkte und seine Inszenierung mal wieder beendet – in bewährter Manier, mit einer zum Schluss der Pk komischen Zugabe. Falls er, nein, wenn er nicht mehr FIFA-Boss ist, dann möchte er Radiojournalist werden – Dampfplauderer im guten alten Dampfradio – ein neues Schreckgespenst.
Am Ende dieses Züricher Fußball-Funktionärstages fehlt was. Etwas wesentliches: Die Kandidaten, die potenziellen Blatter-Nachfolger. Keiner wirft offiziell an diesem Tag seinen Hut in den Ring. Strategiespiele werden nur in Küchenkabinetten ausgetüftelt und über die Medien lanciert. Wie dieses zum Beispiel: Michel Platini wird FIFA-Präsident und Wolfgang Niersbach sein Nachfolger bei der UEFA. Gruselige Vorstellung. Denken viele, traut sich aber kaum einer zu sagen oder zu schreiben. Der Franzose Platini würde sicher gerne den FIFA-Thron besteigen. Aber für einen Neuanfang ist er, dem man Vetternwirtschaft und eine merkwürdige Rolle – vorsichtig ausgedrückt – bei der WM-Vergabe von Katar vorwerfen kann, sicher nicht der Richtige. Und dass Platini und Niersbach sich gegenseitig Ämter zuschustern wollen, ist ja nun weder fein geschweige denn zeugt es von Demokratieverständnis, wenn alles unter der Hand schon mal ausgekaspert wird.
Da geistern seit Wochen noch die Namen zweier anderer Fußball-Legenden durch die Medien: Maradona und Zico. Beide haben sich selbst als Präsidenten-Kandidaten ins Gespräch gebracht, wobei Zico als ehemaliger brasilianischer Sportminister zumindest eine Ahnung hat, wie das so in Verwaltungsstrukturen abläuft. Ja, dann sind da noch der Kuwaiti Ahmed Al-Sabah und der Südkoreaner Chung Mong Joon, die gut vernetzt, superreich und deshalb mächtig sind.
Im und mit dem System groß geworden
Das sind nun fast alles Kandidaten, die in und mit dem korrupten System groß geworden und darin auch eingebunden sind. Also kaum geeignet, um wirklich einen Neuanfang zu garantieren. Woher also einen Präsidenten nehmen? Welcher normal denkende, integre Mensch würde sich freiwillig in dieses FIFA-Geflecht begeben und versuchen, es zu entwirren? Das gleicht ja schon fast einem Selbstmordversuch. Denn – wem der Stallgeruch fehlt, der wird schnell scheitern, weil sich die unterschiedlichen Seilschaften schnell einig sind, falls ihnen einer die diversen Touren vermasseln will.
Wie war der Satz von Blatter mit dem alten und dem neuen Präsidenten nochmal? Und was hat er so nebenbei gesagt – er sei schon gefragt worden, ob er nicht doch…?
Die FIFA vor der Zeitenwende? Man darf ja weiter träumen.