Es brodelt im olympischen Emotions-Topf

Spitzensportverbände wollen den deutschen Olympiakandidaten mitbestimmen – Grüne verweigern sich der Expertenrunde

Berlin, 12. März. Es brodelt ja schon seit geraumer Zeit, und jetzt hebt sich gerade der Deckel vom kochenden Emotions-Topf: So ganz ohne Widerstand wird das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) seinen Olympiabewerber „Hamburg/Berlin – Berlin/Hamburg“ – um „neutral“ zu bleiben, spricht DOSB-Präsident Alfons Hörmann von den Kandidaten so – nicht durchpeitschen können, denn die Spitzenverbände wollen es sich nun doch nicht bieten lassen, übergangen zu werden. Endlich Gegenwehr zu einem sehr umstrittenen Prozedere, aber zu spät. Denn an der Entscheidung, die längst gefallen ist, wie manche glauben, sei nix mehr zu ändern. Wie bitte?

Kontakt zum Sprecher gesucht

Eine Reihe von Spitzenverbänden hat über ihren Sprecher, den Ruderverbands-Vorsitzenden Siegfried Kaidel Kontakt gesucht, weil sie dem DOSB-Präsidium nicht kampflos die so wichtige Entscheidung am Montag (16. März) überlassen wollen. Öffentlich wollen die Verbände sich nicht festlegen, wer ihr Favorit ist. Da ist schon ein verbales Rumgeeiere etwa bei der Umfrage von dpa zu lesen wie: „Die Bewerbungen sind gleich gut“ (Thomas Weikert, ehemaliger Tischtennis-Präsident), oder: „Ich bin absolut davon überzeugt, dass beide Städte im internationalen Vergleich aussichtsreiche Kandidaten sind“ (Ingo Weiss, Basketball), oder: „Beide Städte wären in der Lage, hervorragende Olympische Spiele zu organisieren“ (Clemens Prokop, Leichtathletikpräsident). Aber trotz der gequält diplomatischen Aussagen: Es soll sich eine klare Mehrheit für Berlin bei den Spitzenverbänden formiert haben. Was nun den Plan von DOSB-Präsident Hörmann durchkreuzen könnte, wenn der DOSB nicht der DOSB wäre und Hörmann nicht Hörmann. Hinter den Kulissen laufen Telefondrähte warm.

Kleine Revolte

Kenner der Szene fragen sich, ob das nun wieder ein Sturm im Wasserglas ist, oder ob sich die Spitzenverbände wirklich einmal wehren. „Es passiert ja wieder hinter den Kulissen“, klagt ein Verbandsmann. Und: „So wie das bei der Mitgliederversammlung im Dezember gelaufen ist, so wird es diesmal hoffentlich nicht sein. Wenigstens müssen wir endlich zeigen, dass wir nicht nur zum Abnicken da sind.“ Das ist schon eine kleine Revolte, denn in den letzten Jahren hat sich fast niemand getraut, sich gegen DOSB- Vorgaben aufzulehnen. Das ist eigentlich kaum zu glauben, sind es doch alles gestandene Männer und Frauen, die da in den Gremien sitzen.

Und manche von ihnen kommen nun auch noch wegen ihrer Ämtervielfalt ins Schleudern. Die Kombination Verbandspräsident und DOSB-Präsidiumsmitglied zum Beispiel kann eine/n schon in Bedrängnis bringen, auch wenn man/frau eine Unbefangenheitserklärung unterschreibt… Irgendwie mutiert bei diesem Bewerbungsverfahren am Ende alles zur Farce.

Die Grünen passen

Auch das Expertengespräch am 16. März sehen viele der Eingeladenen nur noch als Alibiveranstaltung. Sie wollen deshalb nicht nach Frankfurt reisen. Die Grünen haben schriftlich bei Hörmann abgesagt. In dem Brief, unterschrieben von der Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und dem sportpolitischen Sprecher Özcan Mutlu, heißt es unter anderem: „Dabei möchten wir betonen, dass unsere Entscheidung keinesfalls eine Ablehnung von Olympischen Spielen in Deutschland bedeuten soll. Wir sind für Olympische Spiele in Deutschland, wenn Nachhaltigkeit, Transparenz und finanzielle Solidität, wie auch echte und frühzeitige Bürgerbeteilung sichergestellt sind.“ Und weiter: „Das Verschieben der Entscheidung auf den 21. März 2015 hat – mit Verlaub – den Eindruck eines DOSB erweckt, der sich diesen Anforderungen nicht an allen Stellen bewusst ist. Denn nur so ist erklärlich, warum der DOSB ursprünglich seine Entscheidung um die deutsche Bewerberstadt wenige Tage vor den zentralen Entscheidungen des IOC um die Agenda 2020 im Dezember 2014 treffen wollte.“

Nicht legitimieren

Auch kritisieren die Grünen stark, eine Umfrage könne keine Bürgerbeteiligung ersetzen. Die mangelnde Transparenz und die Art der Informationspolitik finden sie unverständlich und verweisen darauf, dass die Veröffentlichung der Vorbereitungsunterlagen für das Expertengespräch offensichtlich erst als Reaktion auf die Kritik im Sportausschuss erfolgt sei.

Und mit der Teilnahme an dem internen Expertengespräch würde man nur mit der Anwesenheit, nicht aber mit einer inhaltlichen Diskussion, das Gesprächsergebnis unterstützen und legitimieren. Auch andere Geladene aus gesellschaftspolitischen Kreisen sollen abgesagt haben.

Solche Bedenken haben die anderen politischen Parteien nicht. Die Sportausschuss-Mitglieder Katrin Kunert (Die Linke), Eberhard Gienger (CDU/CSU) und Michaela Engelmeier (SPD) werden teilnehmen.

Auf hoher See und im Sport

Vielleicht werden alle überrascht. Besonders spannend könnte ja nun das Treffen des DOSB-Präsidiums mit den Spitzenverbänden werden. Dürfen sie mitentscheiden, oder trifft das Präsidium allein die Entscheidung? Wird es wirklich eine kleine Revolte, oder bleibt es ein Sturm im Wasserglas? Setzt sich das Präsidium durch, oder erreichen die Spitzensportvertreter demokratische Mitbestimmung? Nichts genaues weiß man nicht. Vielleicht wird aber alles ja ganz anders.Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand, beim Sport in der Hand von selbstüberschätzten und selbstverliebten Funktionärsbonzen. Und die lassen sich bestimmt nicht das Ruder entreißen.

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