Der Berliner Bär weint und die Hanseaten jubeln

Angst vor dem Bürgervotum in der Hauptstadt gab wohl den Ausschlag/ RBB vermasselte DOSB-Inszenierung

Berlin, 16. März. Den großen Auftritt vermasselten dem DOSB der rbb und einige Zeitungen, die schon vor 18 Uhr meldeten: „The winner is… Hamburg.“ Dass der weiße Rauch vorzeitig aufgestiegen war und die Hansestadt als deutscher Kandidat für die Olympischen Spiele 2024/2028 ins Rennen geschickt wird, machte dann doch den groß inszenierten Presseauftritt um 19 Uhr zur Makulatur: DOSB-Präsident Alfons Hörmann und sein ihm auch hier wieder folgendes Präsidium und anhänglicher Vorstand marschierten auf die Bühne und standen da symbolträchtig wie ein in jeder Hinsicht vorgeführter Gefangenenchor.

Mit teilweise betretenen, teilweise fröhlichen Gesichtern lauschten die aufgereihten FunktionärInnen den Worten des großen Vorsitzenden. Mit vielen Sätzen rühmte Hörmann die beiden Bewerber Hamburg und Berlin, lobte die Konzepte und die Anstrengungen, die in beiden Städten nun ein halbes Jahr unternommen worden seien. Trotz der vielen schmeichelnden Worte sagte er aber eigentlich nur eines: Der DOSB entschied sich für Hamburg, weil er – und vermutlich auch der Chef-Olympier in Lausanne, Thomas Bach, der beim DOSB immer unsichtbar über allem schwebt – Angst vor dem Bürgervotum im September in Berlin hatte.

Henkel auf der Zielgeraden in Form

Die Berliner, so sagen TeilnehmerInnen, hätten sich in den diversen Vorstellungsrunden an den beiden Tagen gut verkauft. Innensenator Frank Henkel, der das Konzept der Hauptstädter vorstellte, war nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten offensichtlich auf der Zielgeraden in Schwung gekommen, aber der Schlussspurt reichte nicht mehr, die schon längst warmgelaufenen Hanseaten einzuholen. Aber das wäre vermutlich ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, denn schon sehr zeitig wurde mehr als einmal deutlich, dass die DOSB-Päpste Hörmann und Michael Vesper für Hamburg „Feuer und Flamme“ waren. Und deshalb erschienen der Auftritt am Montag genauso wie die Beratung mit den olympischen Spitzensportverbänden und der sogenannten Expertenrunde aus allen gesellschaftlichen Bereichen als Farce und fauler Zauber.

Wer für wen gestimmt hat

Der DOSB muss sich seit Beginn des internen Olympiarennens vorwerfen lassen, dass er weder Team Player noch Fair Player ist und dass er es mit der Transparenz und demokratischen Prozessen nicht so hat. Das Bewerbungsprozedere hatte viele Ungereimtheiten bis zuletzt, wo beispielsweise die olympischen Spitzensportverbände ihr Mitspracherecht einforderten und mit abstimmen wollten – was auch passierte, aber zu spät. Und am Ende landeten die Spitzensportvertreter als Bettvorleger, obwohl sie als Tiger starten wollten. Obwohl sich in den letzten Wochen eine Mehrheit aus dieser Gruppe für Berlin formiert haben soll, war es am Ende dann doch – aus Sicht der Berliner – ein Rohrkrepierer: Von 33 olympischen Spitzenverbänden stimmten laut Hörmann 18 dann doch für Hamburg, elf für Berlin und vier für beide Städte.

Vorher diskutierte man über Fragebögen, die der Sprecher der Verbände, Siegfried Kaidel, und der DOSB vorgelegt hatten. Damit war die Revolte schon wieder beendet. Interessant auch Hörmanns Aussage auf der Pressekonferenz zum Stimmverhalten des DOSB-Präsidiums, bei dem am Ende nur sieben von zehn Mitgliedern votierten. Er selbst stimmte laut eigener Aussage ebenso nicht mit wie Gudrun-Doll-Tepper und Ehrenpräsident Thomas Bach. „Das Ergebnis war nicht einstimmig, sondern einmütig.“ In den letzten eineinhalb Tagen habe sich die Sichtweise der KollegInnen noch einmal weiterentwickelt, was immer das heißt. Dass er eventuell häufiger mit Vertretern von olympischen Verbänden in den letzten Tagen telefoniert hat, um deren Meinungsbild zu formen, bestritt der Präsident auf Nachfrage.

Kriterien oder/und Umfrage

In den letzten Monaten sprachen die DOSB-Granden auch immer wieder von der breiten Mehrheit, die in den Städten gegeben sein müsse, um gekürt zu werden. Von dem Kriterienkatalog wurde wenig geredet. Das änderte sich nun nach der letzten Forsa-Umfrage, die der DOSB in Auftrag gegeben hatte, und bei der 55 Prozent Berliner und 64 Prozent Hamburger Zustimmung für die olympischen Pläne signalisierten. Plötzlich wurde betont, dass es doch nicht allein um die Zustimmung gehe, sondern auch andere Dinge entscheidend seien. Das, so sagen Kritiker, ist nun einfach eine so offensichtliche Ausrede, dass man die Kriterien nochmals als Entscheidungs-Parameter anführte, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, es hinge alles an dieser einen Umfrage. Aber an die klammerte sich der DOSB nun. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller fand es schade, dass fachliche und sachliche Kriterien nicht wirklich den Ausschlag gaben, sondern eben alles an der einen Umfrage hing.

Berlin, so der Regierende, hätte auch einen symbolhaften Charakter gehabt als Stadt, in der man jenseits aller kulturellen, politischen und religiösen Verschiedenheit das Miteinander in jeder Beziehung hätte demonstrieren können.

Und an Rechtsradikale in diesem Land wäre der Auftritt aller Nationen in dem 1936 von den Nazis errichteten Olympiastadion ebenso ein Signal gewesen: Brauner Sumpf hat keine Chance in Berlin und Deutschland. Und für die Opfer von damals wäre es eine späte Genugtuung, dass sie doch am Ende Sieger über ein unmenschliches Regime sind.

Agenda-2020-City

Doch solche Symbole oder Signale sind ausgeblendet beim DOSB. Da zählen andere Dinge. Etwa, wie Hörmann sagt, dass Hamburg eine Agenda-2020-City sei, also den Wünschen des IOC entspreche. Ob das gut ist für die Hansestadt, wird sich noch zeigen. Im Gegensatz zu Berlin haben sich an der Elbe gleich alle richtig ins Zeug gelegt: Treibende Kraft war wohl die Handelskammer – kein Wunder in einer Stadt der Kaufleute. Während in Berlin noch ein Nachfolger für den amtsmüden Bürgermeister Klaus Wowereit gesucht wurde, hatte der Hamburger Amts- und Parteikollege Olaf Scholz schon Geschmack an den sportlichen Ambitionen gefunden. So kam eins zum anderen. Auch, dass es doch gewisse Antipathien seitens des DOSB-Chefs gegen Klaus Wowereit gegeben haben soll, machte den Berliner Bewerbungslauf sicher nicht einfacher.

Berliner Bär weint nur kurz

Der Kelch ist zum Glück an uns vorübergegangen“ meinten die Berliner Abgeordneten Martin Delius (Piraten) und Udo Wolf (Die Linke). Andere wie die Olympiasiegerinnen Natascha Keller (Hockey) und Daniela Schulte (Schwimmen) waren enttäuscht. Aber: Der Berliner Bär weint nur kurz, geht zur Tagesordnung über und freut sich dann auf andere sportliche Großveranstaltungen, die es ja zur Genüge in der Hauptstadt gibt. Und denkt darüber nach, was ihm alles so in den nächsten Jahren erspart bleibt: Ständige Meldungen über Mehrkosten, Straßenbaustellen, Anti-Olympiaaktionen, Ärger mit dem DOSB oder IOC und so weiter und so fort.

Überraschungen bleiben sicher nicht aus

Mit diesen Dingen werden sich nun also die Hamburger herumschlagen, die ja auch wie die Hauptstädter leidgeprüft und leidensfähig sind – was dem einen seine Elbphilharmonie, ist dem anderen sein Flughafen. Eine Bewerbung für Olympische Spiele ist immer für Überraschungen gut. Nun hoffen wir für die tapferen Hamburger das Beste – moin, moin und viel Mut. Denn gerade die Nordlichter wissen ja: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand. Nun sind sie in der Hand des IOC und des DOSB.

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