Werner Frankes unerbittlicher Kampf gegen Doping

Der renommierte Heidelberger Molekularbiologe starb mit 82 Jahren

Berlin, 16. November – Werner Franke war der unerbittlichste Dopingbekämpfer der Republik. Er agierte nicht nur gegen Betrüger im Sport, sondern auch gegen das System, das den Betrug ermöglichte. Jetzt starb der Molekularbiologe und weltweit renommierte Krebsforscher im Alter von 82 Jahren in Heidelberg.

Werner Franke war in der heilen Scheinwelt des Sports ein „Störfaktor“, er galt, wie er es selbst 2006 beschrieb, als „ Verräter und Nestbeschmutzer.“ Er nahm die Mühen des Kampfes gegen die Dopingmachenschaften deshalb auf, weil er sich als „einen Wissenschaftler in der Verantwortung“ sah. Verantwortung übernehmen, sagen, was Sache ist – unerbittlich, ehrlich und immer deutlich, manchmal überpointiert, polternd, auch nervend. Nicht nur gegenüber der Sport-Blase hielt er sich mit Kritik nicht zurück, auch die „dopingvertuschenden Sportberichterstatter“ bekamen ihr Fett weg. Und bei Versuchen, das Wegschauen zu relativieren oder zu erklären, zeigte er sich unversöhnlich. „Schweigen und Decken der Sauereien ist eine Schande für einen Journalisten, der versteht seinen Beruf nicht“, sagte er einmal in einem Gespräch, das mit einer Frage begann und dann zwei Stunden dauerte.

Gerechtigkeitssinn als Antriebswelle

War der Professor aus Heidelberg mal in Fahrt, dann konnte ihn so schnell niemand bremsen, wenn er erklärte und aufklärte. „Ich bin ein Getriebener und werde es immer bleiben“ sagte er, der seinen Gerechtigkeitssinn als eine Art Antriebswelle im Anti-Doping-Kampf sah. Und außerdem, so erklärte der 1940 in Paderborn geborene Biologe seinen streitbaren Widerstand: „Ich bin Ostwestfale, und an uns sind 9 nach Christus nicht einmal die Römer vorbeigekommen.“

In seinem Kampf hatte er mit seiner Frau Brigitte Franke-Berendonk, der erfolgreichen Diskuswerferin, eine ebenso unermüdliche Mitstreiterin an seiner Seite. Ihrer beider Verdienst sei es unter anderem, so der Sporthistoriker Giselher Spitzer, dass sie die öffentliche Debatte um Anabolika in Gang gesetzt haben. 1977 veröffentlichte Franke den Beitrag „Anabolika im Sport“, in dem er auf die gesundheitlichen Gefahren bei Einnahme von Anabolika hinwies und vor allem die Sportmedizin kritisierte, die die Mittel als unbedenklich einstufte und sie Athleten zur Leistungssteigerung verabreichte „ohne jede medizinische Indikation, ohne jede angemessene Güterabwägung und gegen die Regeln der olympischen Sportart selbst.“

Dem Reißwolf zuvor gekommen

Der größte Coup gelang dem Ehepaar, als es eine Reihe von Dokumenten aus dem Tresor der Nationalen Volksarmee der DDR in Bad Saarow sicherstellen konnte, bevor die im Reißwolf landeten. Die Verschlusssachen veröffentlichte Franke in dem Buch „Doping-Dokumente. Von der Forschung zum Betrug“, und damit war belegt, dass es in der DDR Staatsdoping gab.

Die öffentliche Aufarbeitung hatte in mehrfacher Hinsicht Folgen: Etwa für den obersten Sportfunktionär der DDR, Manfred Ewald, und den Mediziner Manfred Höppner, ehemals Vizechef des Sportmedizinischen Dienstes (SMD) der DDR und für den Leistungssport zuständig. In den Berliner Prozessen 1999/2000 wurden sie zu Geldbußen und Bewährungsstrafen verurteilt.

Aber auch Berendonk und Franke mussten sich in zwölf Zivil- und zehn Strafprozessen zur Wehr setzen. Unter anderem gewann Franke einen Prozess gegen den Radprofi Jan Ullrich.

Niemand will was wissen

In einem Gespräch bei einer Veranstaltung des Dopingopfer-Hilfe-Vereins (DOH) in Berlin im Dezember 2016 antwortete er auf die Frage, ob er des Kampfes nicht müde sei – sofort war er wieder im Rebellenmodus: „Nein, wie sollte ich, da ist doch noch eine Menge zu tun.“ Vor allem regte ihn auf, dass an der Aufarbeitung des Dopingsystems im Westen niemand richtig Interesse zeige, Sport und Politik sich drückten. „Bis heute will niemand was wissen, niemand will es wahrhaben, da will keiner vor der eigenen Tür kehren, weil man ja den sauberen Sport für sich propagiert.“ Und zur Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) hatte er auch seine eigene Meinung: „Ein zahnloser Tiger“ sei das, der „fachlich nicht qualifiziert“sei. Und das Anti-Dopinggesetz, das 2015 in Kraft trat, hielt er für eine „Verarschung“ der deutschen Öffentlichkeit.

Der Professor beriet auch den DOH, ging aber in den letzten Jahren auf Distanz. Ein Vorwurf unter anderen an die DOH-Verantwortlichen: Sie würden ehemalige Sportler trotz unzureichender Nachweise als Dopingopfer anerkennen. Die Auseinandersetzung eskalierte 2019, als Franke vor einer Veranstaltung in Berlin der Zutritt verwehrt wurde.

Anerkennung für seinen Anti-Doping-Kampf fand der Heidelberger Professor weltweit – im eigenen Land war er in der „Sportfamilie“ eben der Störer, dem man nicht einmal eine Auszeichnung gönnte. 2004 erhielt er aber – trotz großer Widerstände aus dieser „Sportfamilie“ – das Bundesverdienstkreuz für seinen Anti-Doping-Kampf.

Wie die Verdienste Frankes einzuordnen sind, führte sein Mitstreiter, der im März verstorbene Heidelberger Pädagogik-Professor Gerhard Treutlein, anlässlich Frankes 80. Geburtstags so aus: „Um den Kampf gegen Doping und für die Sauberkeit im Sport würde es viel schlimmer stehen, wenn es ihn und Brigitte Berendonk nicht gegeben hätte.“