Lösung für Olympia dringend gesucht….

Nachfrage bei der Sportausschuss-Vorsitzenden Freitag zum Thema Impfpriorisierung für TokiofahrerInnen

Berlin, 15.April. Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, ist gegen eine Aufweichung der Impf-Prioritätenliste zu Gunsten von AthletInnen, die nach Tokio zu den Olympischen Spielen fahren wollen. Man müsse eine andere Lösung finden, sagt sie. Bisher gab es ein klares „Nein“ von Seiten der Politik. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, geht offensichtlich in seinen öffentlichen Aussagen davon aus, dass sich an der Haltung der Politik etwas ändern wird. Sportspitze fragte bei der SPD-Politikerin Freitag nach.

Wie sollte denn diese Lösung aussehen, ohne Umgehung der Priorisierung?

Freitag: Ich bin den Athletinnen und Athleten zunächst sehr dankbar, dass sie sich in großer Mehrheit dafür ausgesprochen haben, in der Impfpriorisierung nicht gegenüber denjenigen vorgezogen werden zu wollen, die den Impfschutz am nötigsten  haben. Das ist ein bemerkenswertes Zeichen von gesellschaftspolitischer Verantwortung, denn ich bin mir auch darüber im Klaren, dass für die Aktiven die Teilnahmen an Olympischen und Paralympischen Spielen ein Lebenstraum ist, auf den sie sich seit langer Zeit, und das dieses Mal unter schwierigsten Rahmenbedingungen, vorbereiten. Insofern gibt es da keine einfache Lösung. Persönlich halte ich es jedenfalls nicht für verantwortbar, ungeimpfte Athletinnen und Athleten nach Tokio zu entsenden. Ich hoffe, dass die Prognosen von Gesundheitsminister Spahn endlich einmal zutreffen und somit in den kommenden Wochen ausreichend Impfstoff vorhanden sein wird, um auch Athletinnen und Athleten impfen zu können –  und dann eben nicht auf Kosten besonders gefährdeter Bürgerinnen und Bürgern. 

Angesichts der Pandemie-Entwicklung hier, aber auch im Gastgeberland und anderen Ländern – kann man da guten Gewissens AthletInnen nach Japan schicken?

Freitag: Die Entscheidung über die Entsendung einer Mannschaft trifft das Nationale Olympische Komitee – also der DOSB. Nach allem, was ich höre, wird dort nicht daran gezweifelt, dass die Spiele stattfinden werden und dann auch ein deutsches Team antreten wird. Die Verantwortung für die Durchführung der Spiele angesichts einer grassierenden Pandemie liegt beim IOC, für die Entsendung eines Teams beim DOSB. Angesichts der Tatsache, dass in zahlreichen Ländern – und dazu gehört auch Japan – bislang nur marginale Impfquoten zu verzeichnen sind, halte ich ein Zusammentreffen von rund 10.000 AthletInnen sowie einer um ein Vielfaches höheren Anzahl von BetreuerInnen und FunktionärInnen für verantwortungslos. Gleiches gilt für das aus meiner Sicht vergiftete Angebot des IOC, den AthletInnen chinesischen Impfstoff zur Verfügung zu stellen, für den es in den meisten Ländern überhaupt keine Zulassung gibt. 


Die Japaner sind mehrheitlich gegen die Spiele- sollte man trotzdem das Event durchziehen? Wann spätestens muss eine Entscheidung, ob die Spiele stattfinden aus Ihrer Sicht gefallen sein?

Freitag: IOC-Vizepräsident Coates hat kürzlich betont, dass Olympia in Tokio die sichersten Spiele sein werden, die möglich sind. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt eine sehr kühne Aussage, aber wohl vorsichtshalber auch ein recht dehnbarer Begriff. In den kommenden knapp 100 Tagen bis zur Eröffnung der Spiele kann noch viel passieren. Die pandemische Lage ist weiterhin sehr angespannt und fragil, neue Mutanten des Virus breiten sich bekanntlich aus. Aus meiner Sicht sind die großen Bedenken, die rund 70 Prozent der Bevölkerung äußern, unter diesen Gesichtspunkten mehr als nachvollziehbar. Nur – interessiert das beim IOC? Es hat sich bei einer Vielzahl von Qualifikationswettkämpfen bereits gezeigt, wie löchrig selbst die vergleichsweise derzeitigen kleinen Hygiene-Bubbles im Sport schon sind.

Welchen sportlichen Wert haben diese Spiele am Ende, weil die Voraussetzungen für alle ungleicher denn je sind, viele SportlerInnen vermutlich gar nicht teilnehmen können, Dopingkontrollen nicht stattgefunden haben usw.?

Freitag: Die Spiele in Tokio werden in der Tat auch in Hinsicht auf den fairen Wettbewerb fragwürdig sein. Dabei geht es nicht nur um pandemiebedingte Lücken im Dopingkontrollsystem. Die Vorbereitungsmöglichkeiten auf die Spiele sind weltweit deutlich eingeschränkt, einige Staaten oder ganze Kontinente sind weit abgehängt bei der Bekämpfung des Virus und bei Impfungen. Chancengleichheit sieht also anders aus.

Wäre es nicht im Sinne olympischer Werte auf eine eher zweifelhafte Medaille oder Platzierung  zu Gunsten  der Gesundheit aller zu verzichten?

Freitag: Wir dürfen bei aller Brisanz der Corona-Pandemie nicht die Stimme der Athletinnen und Athleten ignorieren, für die Olympische und Paralympische Spiele häufig das Karriere-Highlight sind. Daher habe ich größtes Verständnis dafür, diesen Traum bis zum letzten Moment aufrechtzuerhalten. Allerdings gibt es aus meiner Sicht eine rote Linie, und das ist die reale Gefährdung der Gesundheit.  Wenn die Risiken zu groß sind, können auch die Aktiven kein Interesse haben, ihre eigene Gesundheit und auch die der anderen für eine Medaille aufs Spiel zu setzen. Auch die Folgen einer Infektion mit Covid-19 und die möglichen Langzeitschäden spielen in den Überlegungen der Athleten undAthletinnen ganz sicher eine Rolle, weil diese im worst case auch ein Karriereende bedeuten können.