Immer den richtigen Takt vorgegeben

Ruderer Roland Baar starb mit 53 Jahren bei Autounfall

Berlin, 26. Juni. Roland Baar, fünffacher Ruder-Weltmeister und Silber- und Bronze-Medaillengewinner ist am Wochenende bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Das teilten sein Verein, der Hannoversche Ruder-Club, und der Deutsche Ruderverband (DRV) mit.

Über den Ruderer Baar muss man nicht viel erzählen: Er galt als der beste Schlagmann der Welt und dirigierte das DRV-Paradeboot – den Achter – in den Jahren von 1989 bis 1996 zu zwei olympischen Medaillen und fünf WM-Titeln. Baar war einer der bekanntesten Ruderer, der sich nicht nur im Boot mit Ausdauer und Kraft in die Riemen legte, sondern sich auch schlagkräftig für seinen Sport und die AthletInnen einsetzte. Sein Wort wurde nicht nur von den Kollegen im Boot, sondern auch am Bootssteg und bei den Funktionären geschätzt.

Dabei war Baar keiner, der sich in den Vordergrund spielte, was, wie er einmal im Gespräch sagte, „bei meiner Größe ja auch nicht so einfach ist“. Aber wenn es sein musste, legte er sich auch schon mal mit dem Trainer an. 1994 etwa, als es nicht so mit dem Achter lief, übte er öffentlich Kritik am damaligen Bundestrainer Ralf Holtmeyer und dessen „unsinnigen Experimenten“.

Damals dachte er ans Aufhören. Aber seine Frau Kathrin und ein Freund überredeten ihn weiter zu machen. Was er dann auch tat. Erst nach den Spielen 1996 in Atlanta stieg er aus. Auf dem Lake Lanier erlebte der in Osterholz-Scharmbeck Geborene das letzte Highlight einer unvergleichlichen 20 Jahre langen Karriere: Zwar musste sich der Schlagmann im Achter dem damals saisonbesten Boot aus den Niederladen geschlagen geben. Dennoch war die Silbermedaille ein krönender Abschluss.

Kraft und Rückenstärkung für seine lange Zeit als Leistungssportler „hole ich mir in der Familie“, sagte Baar einmal in einem Gespräch mit dem Fachmagazin „Rudersport“. Kraft brauchte er auch, denn neben seinem trainingsaufwendigen Sport studierte Baar Maschinenbau, schloss das als Diplom- Ingenieur ab und promovierte.

Nach einer Reihe erfolgreicher beruflicher Stationen folgte Baar 2011 dem Ruf der Technischen Universität Berlin, wo er am Institut für Land- und Seeverkehr als Professor für Verbrennungsmaschinen arbeitete.

Und er engagierte sich weiter im Sport: Zunächst war er Mitglied der Athletenkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), später IOC-Mitglied und Präsidiumsmitglied des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) von Deutschland.

Mag es an seinem „Harmoniebedürfnis“ gelegen haben, wie er in gelegentlichen Gesprächen betonte, dass er sich nicht immer in Funktionärskreisen wohl fühlte. Es überrascht nicht: Arrogantes, selbstherrliches und selbstgefälliges Gebaren mancher Verbandsoberen war seine Welt nicht. Der DRV würdigt ihn nicht umsonst „als großartige, aber bescheidene Persönlichkeit“. Bescheidenheit – eine sympathische Eigenschaft des Menschen Baar.

Die Entwicklung des Spitzensports beunruhigte Baar, besonders auch der stets wachsende Dopingmorast. Er war alarmiert – und nah dran: 2012 war er auf Vorschlag der damaligen Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) als Ombudsmann der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA) berufen worden.

Wer mit Roland Baar ins Gespräch kam, erlebte einen sehr nachdenklichen Menschen. Und wenn er Kritik am Sport übte, dann hatte das Hand und Fuß. Er wolle keine Schlagzeilen produzieren, sondern sachliche Beiträge liefern, ließ er wissen, wenn JournalistInnen anfragten, was er zu Thema X oder Y zu sagen habe. „Manchmal eben nichts, was das verbessern könnte“, sagte er dann. „Wer ihn kannte, wird ihn als nachdenklichen und bescheidenen Menschen und einen Freund der wenigen, aber bedachten Worte in Erinnerung behalten“, schrieb sein Ruder-Club auf seiner Website.

An Roland Baar habe ich noch eine sehr persönliche Erinnerung: Im April 2002 sprang er über Nacht spontan für den ehemaligen NOK-Präsidenten und IOC-Mitglied Walther Tröger ein, der beim „Europäischen Kongress Frauen und Sport“ in Berlin eine Preisverleihung vornehmen sollte und überraschend verhindert war: Baar ließ es sich nicht nehmen, auf dem Weg von zuhause in Gifhorn  nach Berlin im Zug dem vorliegenden Manuskript noch eine persönliche Note zu geben: „Ich möchte meine eigene Rede halten. Nichts Diktiertes.“ Meinungsstark und ehrlich im Großen wie im Kleinen – das war Roland Baar, der Mann, der immer den richtigen Takt vorgab. Er wurde 53 Jahre alt und hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.