Der Steuerzahler und der Spitzensport-Jet-Set

Mehrbedarfs-Liste von DOSB und Verbänden mit Aktionismus und teilweise berechtigten Forderungen/  Revolution der AthletInnen

Berlin,10. Juni. Wir befinden uns im vierten Jahr der Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung – und in der entscheidenden Phase der Haushaltsverhandlungen für 2018. Nun wird sich zeigen, ob der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) seine mit den Sportverbänden zusammengestellten finanziellen Forderungen so gut begründet hat, dass die Haushälter zustimmen werden. Von den 71 Millionen Euro, die der DOSB zu Jahresbeginn gefordert hatte, ist noch knapp ein Drittel – zusätzlich zu den über 170 Millionen der jährlichen Spitzensportförderung – übrig geblieben. Mit einer Prioritätenliste will man unterstreichen, wofür man die zusätzlichen 23 Millionen haben möchte. Die auch schon in Richtung auf die Sommerspiele in Tokio 2020 wirken sollen, wie es aus dem DOSB heißt.

Streit um Geld und Kompetenzen, um Einfluß und Macht zwischen den Protagonisten vom DOSB sowie aus Bund und Ländern war und ist die Begleitmusik dieser Reform, die der DOSB gemeinsam mit dem Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (der Sport ist ihm zumindest im Titel abhanden gekommen) angeleiert hatte. Von den Ursprungsgedanken,  Ressourcen zu bündeln und zu konzentrieren, sind nur noch rudimentäre Teile vorhanden. Spätestens seit den Auseinandersetzungen um die Streichung von Bundesstützpunkten und die Reduzierung von Kadern wurde deutlich: Von einer wirklichen Reform ist man meilenweit entfernt. Und, diejenigen, um die es eigentlich gehen soll – AthletInnen  und Trainer – sind nach wie vor nicht HauptdarstellerInnen , sondern Nebenfiguren.

Einer intensiven Beschäftigung mit den finanziellen Mehrbedarf-Forderungen, die der DOSB mit den Verbänden für die Jahre 2018 – 2021 zusammengestellt hat, folgt das nüchterne Fazit: Es passt nichts so richtig zusammen: Personell, strukturell und sportfachlich klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander, kaum ein Rädchen greift passgenau ins nächste.

Aber irgendwie ist das nach der Vorgeschichte keine Überraschung.

Pfründe sichern

„Das Organisationsproblem erscheint … als Zuständigkeitsproblem. Anspruch auf Kompetenzen erheben a) die Länder, b) der Bund, c) die autonomen Verbände… Wie in der Bildungsplanung und -reform führt Länderkompetenz auch im Sport zu chaotischen Zuständen und grundsätzlichem Gegeneinanderarbeiten. Beseitigen läßt sich das unzweckmäßige System des Länderpartikularismus nicht, weil es zahlreichen ehrgeizigen und einflußreichen Persönlichkeiten Pfründe bietet.“ Das waren Erfahrungen, die der berühmte Rudertrainer Karl Adam schon 1975 in seinem Buch „Leistungssport – Sinn und Unsinn“ beschrieb.

Weiter ist zu lesen: „Die Kompetenzansprüche der autonomen Verbände … werden von pseudodemokratischen Funktionärscliquen vertreten, die praktisch ein Monopol auf den Wettkampfsport besitzen.“ Und: „Die einzige Stelle, die theoretisch eine praktikable Organisation des gesamten Sports durchführen könnte, ist der Bund. Praktisch kann er es nicht, weil man erst zwei heilige Kühe schlachten müßte: den Länderpartikularismus und die Autonomie der Verbände.“ 43 Jahre ist das her.

Raupe Nimmersatt

Nicht nur Adam, sondern viele andere kluge Menschen aus Sport, Soziologie, Pädagogik, Wirtschaft und Geisteswissenschaften haben in den letzten Jahrzehnten den Spitzensport wohlmeinend kritisch begleitet, mit vielfältigen Untersuchungen die Schwächen ( aber auch Stärken) des Systems aufgedeckt, Vorschläge gemacht. Auf sie gehört haben Sportfunktionäre in den seltensten Fällen. Deren nachweislich nicht sehr erfolgreiche Problemlösung lautet heute wie damals: mehr Geld in das Spitzensport-System.

In der Mehrbedarf-Auflistung finden sich eine Reihe von Positionen, die ganz sicher gerechtfertigt sind. Etwa, wenn es um den Nachwuchsbereich geht. Mehr und vor allem qualifizierte TrainerInnen. Oder eine verbesserte Gehaltsstruktur von TrainerInnen. Oder optimale Trainingsbedingungen und -angebote, gute Betreuung, berufliche Planung für die SportlerInnen. Je intensiver der Leser sich allerdings mit dem 77 Seiten starken Forderungspapier beschäftigt, das in „Differenziert erhobene Bedarfe“ und „Kalkulierte Bedarfe“ gegliedert ist, um so mehr kommt er zu dem Schluss, dass der Spitzensport zu einer Raupe Nimmersatt mutiert ist. Da werden die stets wachsenden Wettkampfkalender, die Globalisierung und deshalb steigende Reise- und Unterbringungskosten als Mehrbedarf ins Feld geführt – Probleme, für die der Sport selbst verantwortlich ist. Ein Gros der internationalen Verbände züchtete vor allem aus finanziellen und Image-Gründen eine Art an Wahnsinn grenzenden Spitzensport-Jet-Set, von dem die manchmal in der Holzklasse reisenden AthletInnen kaum etwas haben  – nicht einmal Zeit für Regeneration .

Müssten nicht der DOSB und seine Verbände gerade da bei den internationalen Gremien gegensteuern, anstatt den teueren Zirkus mitzumachen, den dann auch noch der deutsche Steuerzahler finanziert? Der soll, geht es nach dem DOSB, im nächsten Jahr einen weiteren Aufschlag von 110 Millionen Euro gewähren. Und im Olympiajahr 2020 noch ein Extra von 134 Millionen berappen. Damit würde der Spitzensport-Etat über 300 Millionen liegen.

Nee, sagt der Finanzminister, in dessen Planung 30 Millionen für das nächste Jahr das höchste der Gefühle sind. Doch wer weiß. Sportpolitische Seilschaften haben bisher immer dafür gesorgt, dass am Ende alle einknickten, die vorher Transparenz und Begründungen für finanzielle Ansprüche lautstark forderten: Kniefälle gerade vor dem Sport sind ja keine neue Übungseinheit von PolitikerInnen. Jetzt während der Haushaltsverhandlungen sind die Kapriolen, die die  VertreterInnen der Koalitionsparteien von  CDU/CSU und SPD etwa im Sportausschuss vollführen, in erster Linie nur noch  peinlich.

Ausgereizt

„Man muss die Grenzen kennen“, beschreibt ein erfahrener Tarifunterhändler das Geheimnis erfolgreicher Abschlüsse. „Natürlich geht man in Verhandlungen mit überhöhten Forderungen. Das ist das Spiel. Aber man muss rechtzeitig erkennen, wann ausgereizt ist.“

Diese Einsicht sprechen viele Kritiker dem DOSB und seinem Präsidenten Alfons Hörmann ab: Die alte Philosophie sei auch die neue: fordern und maulen. Bisher klappte das immer.

Seit Politik und Sport die Reform umsetzen wollen, seit das BMI als Geldgeber mehr Transparenz, Kontrolle und Mitsprache fordert, seit der Bundesrechnungshof besonders genau hinschaut, ist die Funktionärswelt nicht mehr in Ordnung. Irritiert und manchmal bockig, zwischen Verteidigungs- und Angriffsmodus, manchmal auch mit der Trump-Taktik, Fake News zu verbreiten, versuchen die Sport-Granden vor allem den finanziellen Status quo nicht nur zu halten, sondern um ein Vielfaches zu verbessern.

Doch wer jüngst nach dem ersten Gespräch der DOSB-Führung mit Bundesinnenminister Horst Seehofer die gemeinsame Presseerklärung aufmerksam gelesen hat, stolperte dann doch, nach den vorher Erfolg verheißenden finanziellen Aussagen des parlamentarischen Staatssekretär Stephan Mayer, über eine spürbare Distanz in den Zeilen des Minister-Zitates. Von Geld war zwar die Rede, nicht aber von Zahlen.

Der DOSB muss aber über Zahlen sprechen: 11,2 Millionen Euro mehr brauchen die Verbände laut ihrer Berechnungen für Personalkosten, Lehrgänge und Wettkämpfe. Weiteres Geld benötigt er, um die Prämien an TrainerInnen und SportlerInnen auszuzahlen: 14 Olympiasiege und insgesamt 31 Medaillen machen summa summarum 915.000 Euro. Wie die Prämienausschüttung am Ende aussehen wird, ist noch nicht final zwischen DOSB und BMI geklärt.Wie manches andere auch nicht.

Nicht erledigt

Der Bundesrechnungshof, der im Mai seinen von den Haushältern in Auftrag gegebenen Bericht vorlegte, hatte festgestellt, dass der DOSB seine Hausaufgaben bisher nicht erledigt hat, was zu heftigem Widerspruch und einer „Frankfurter Erklärung“ des Sports führte. Reduzieren der Bundesstützpunkte, der Kader? Fehlanzeige. „Stimmt nicht!“, war die empörte Reaktion etwa vom Deutschen Schützenbund. Weniger Bundesstützpunkte? Die aktuelle Liste zeigt, dass es am Ende noch immer zwischen 195 und 200 Bundesstützpunkte geben wird – nahezu genauso viele wie vorher. Im Prinzip also ein verfehltes Reformziel. Auch neue Sportarten, die dazu gekommen sind, gelten nicht als Ausrede. Für diese Bundesstützpunkte soll es LeiterInnen geben. Doch wo man dafür  qualifiziertes Personal hernehmen will, ist bisher noch nicht geklärt. Aber Geld wird schon mal gefordert.

Qualifizierte Trainer, Kooperation mit Schulen und Universitäten, Strukturanpassung zu Gunsten des Gespanns Trainer/Athlet: Mit vielen dieser Probleme schlugen sich schon Adam und seine KollegInnen herum. Auf anderen Problemfeldern im nationalen und internationalen Sport wie Doping, Korruption, Kommerzialisierung werden gerade die letzten Werte des Sports untergepflügt. Das Ansehen des Spitzensports ist nicht nur in der Republik, sondern auch international so schlecht wie nie zu vor.

Befremdlich

Der Politologe Ingo Peters vom Otto-Suhr-Institut der Freien Universität in Berlin sagt: „Momentan wird Sport ja vielfach nur negativ wahrgenommen. Doping und Korruption sind die dominierenden Schlagworte. Dazu kommen dann noch Auswüchse des nationalen Chauvinismus, den manches Regime durch Sport noch fördert.“

Nicht nur Peters findet es befremdlich, dass die Politik auch in Deutschland Verbänden, die teilweise gewinnbringende Unternehmen sind, etwa Steuervergünstigungen gewährt. Oder sich Vorschriften beim Ausrichten von Großereignissen diktieren lässt, für die die Allgemeinheit dann aufkommen muss. „Es ist erstaunlich, wie Parlamentarier oder Minister vor dem Sport in die Knie gehen, wenn die etwa Sonderregelungen oder Geld wollen“, sagt der Politologe.

Brot und Spiele – das funktioniert offensichtlich nicht nur in Diktaturen. Wenn ihr gerade die politischen Schlagzeilen den Tag verhageln, dann gönnt sich auch die Kanzlerin mal einen Ausflug zu Deutschlands liebsten Buben – der Fußball-Nationalmannschaft. Und dann ist die Welt nicht nur morgens um sieben wieder in Ordnung. Zumindest für einen Moment.

Förderung von Sport im Sinne von gesundheits- und sozialpolitischen Zielen für die Allgemeinheit sei in Ordnung, so der Politikwissenschaftler. Angesichts der Entwicklungen und finanziellen Forderungen im Spitzensport müsse man aber schon fragen: Was machen die mit dem vielen Geld, und gibt es da welche, die sich eventuell auf Kosten aller die Taschen füllen?

Ja, was machen die mit dem Geld? Es landet jedenfalls nicht bei denen, die es in mehrfacher Hinsicht verdienen – den AthletInnen. Sie sind es aber, mit denen der DOSB seit kurzem auffällig oft, den finanziellen Mehrbedarf begründet. Denn: Human Touch geht immer. Zumindest würden BürgerInnen eher Geld für AthletInnen als für Sportorganisationen geben. Der Ökonom und Soziologe Eike Emrich berichtete das vor kurzem im Deutschlandfunk aus einer selbst durchgeführten Studie.

Selbstbewußt

Athleten und Athletinnen. In den 70er Jahren prägten Adam und sein damaliger Schüler und Ruder-Olympiasieger Hans Lenk ( heute ein bekannter Philosoph) den Begriff vom mündigen Athleten. Doch die werden auch heute von vielen SportführerInnen nur in Sonntagsreden geliebt. Nicht nur wegen der Haltung vieler Funktionäre in der Diskussion rund um das russische Staatsdoping haben SportlerInnen von ihren Verbands-Oberen die Nase voll. Ob zu Hause oder auf internationalem Parkett: Selbstbewusst mischen sich Aktive mittlerweile ein, vertreten ihre Belange. Und möchten nicht zuletzt von der großen Geldtorte, die bei Olympischen Spielen und internationalen Wettkämpfen am Ende aufgetragen wird, endlich etwas abhaben: Keine Krümel, sondern Stücke. Schließlich gäbe es ohne sie auch keine Torte!

Max Hartung , Athletensprecher im DOSB und Vorsitzender des Vereins  „Athleten Deutschland“, schrieb deshalb an seinen ehemaligen Fechter-Kollegen und heutigen IOC-Präsident Thomas Bach einen Brief, in dem er forderte , 25 Prozent der IOC-Erlöse an die AthletInnen auszuschütten. Damit nicht genug: Auch die TV- und Vermarktungserlöse sollen offengelegt werden. Und  eine Vervierfachung der Zahlungen an die Welt-Anti-Doping- Agentur (WADA) steht ebenso auf der Forderungsliste

Nun bekam Hartung eine Einladung von Bach nach Lausanne. Mit Argwohn  beobachtet  offensichtlich auch des IOC, was sich in Sachen Athleten-Aufmüpfigkeit so in Deutschland tut. Denn: Das deutsche Beispiel  findet nicht nur weltweit Interesse, sondern macht auch Schule. Die Zeichen  stehen auf Umbruch.

Auf Augenhöhe mit den Funktionären sein, ist sicher nicht zu viel verlangt. Denn: auch im DOSB und in manchen Mitgliedsverbänden werden Athleten bisher immer noch eher als willfährige Wesen denn als selbständige Menschen behandelt. Klagen der Aktiven über den Umgang mit ihnen gibt es zuhauf. Ein Athlet beschrieb das gewünschte Sportler-Verhalten so: „Spuren, trainieren, Medaillen holen, lächeln, dankbar sein. Und ansonsten den Mund halten.“ Stinkesauer ist das Gros der Aktiven auf den Dachverband.

Spätestens seit der Verein „Athleten Deutschland e.V.“ 2017 in Köln gegründet wurde, springen die DOSB-Verantwortlichen im Dreieck, weil sie nun gemerkt haben, dass ihr wichtigstes „Humankapital“ – die AthletInnen – eigene Wege gehen will. Das BMI befürwortete 225 000 Euro für den Verein sozusagen als  kleine Starthilfe,  damit die SportlerInnen unabhängig vom DOSB ihre Interessen vertreten könnten. Auch die Parlamentarier im Sportausschuss waren alle dafür – bis die Koalitionärs-Parteien, – vor allem die CDU/CSU-Akteure – wieder lavierten,man sich nicht einigen konnte.(Sportspitze berichtete). Blamabel genug – und dann doch noch ein Happy End für die Aktiven: Sie bekommen nun das Geld für den Verein. Nicht zuletzt wohl, weil  DOSB- Präsident Hörmann genervt  den Politikern die Verantwortung  zuschob: Sie sollten doch entscheiden, wer nun das (vom DOSB beanspruchte) Geld bekommen soll.

„Würden Sie sich ernst genommen fühlen, wenn ständig über Sie, aber nicht mit Ihnen geredet würde? Wenn Sie bei Entscheidungen, die uns betreffen, nicht einmal gefragt werden?“, lautet die Kritik von AthletInnen. Jüngstes Beispiel: Das High Performance Center bei den Olympischen Spielen in Tokio. 4,5 Millionen Euro soll diese neueste Idee kosten, die von andern Nationen abgekupfert wurde: Bei den Spielen soll ein Trainings- und Betreuungszentrum für die AthletInnen eingerichtet werden. Der teuere Plan nimmt schon Formen an, obwohl die Finanzierung nicht gesichert ist und das BMI bestimmt noch  Gesprächsbedarf hat: Auf dem Campus der Meikkai-Universität in Tokio soll das deutsche Team trainieren und regenerieren. Die Uni ist bereit, das Semester früher zu beenden, damit der deutsche Sport-Tross sich rechtzeitig vor den Spielen heimisch einrichten kann. Nicht nur medizinisches und physiotherapeutisches Personal stünde dann dort extra zur Verfügung, sondern auch drei Köche. Die sollen für 600.000 Euro, so heißt es, für das leibliche Wohl sorgen. Das Olympische Dorf wäre dann nur noch Schlafstatt.

Wurden die Athleten dazu befragt? Nein. Die, und nicht nur die, hätten da Fragen: Etwa wie das logistisch gehen soll. Wie will man alle Sportarten mit völlig unterschiedlichen Anforderungen, Trainings- und Wettkampfstätten da unter einen Hut bringen? Wozu noch ein Olympisches Dorf, das doch, glaubt man Funktionären, den Spirit von Spielen ausmacht? Ein Edel-Center-Parc wofür? High Performance für wen?

Druck erzeugen

Vieles, was in den DOSB-Bedarfsforderungen aufgeführt wird, stellt an die SportlerInnen in erster Linie professionelle Ansprüche und erzeugt Druck. Und provoziert die Frage: Wie sollen sie unter den gegebenen Verhältnissen ihr Leben finanzieren? Denn darüber findet man in dem Bedarfsplan nichts. Der Spitzensport, für den man Mittel haben will, liest sich wie der Spitzensport von Vollprofis.

Der Sportökonom und Soziologe Lutz Thieme vermisst in der ganzen Diskussion vor allem eins – Querdenken. „Ein großes Defizit rund um diese Reform ist doch, dass es keine Plattform gibt, wo andere Finanzierungsmodelle für den Spitzensport quer gedacht werden.“

Was wäre eigentlich, wenn der Staat aus dem Spitzensport aussteigen, sich diesen „Luxus“ nicht mehr leisten will – Repräsentation hin oder her? Ein Blick über den Großen Teich: Dort stehen Eigentümer von Mannschaften oder „Sportställen“ starken Spielergewerkschaften gegenüber, die miteinander Gehälter und soziale Absicherungen verhandeln. Übertragen auf deutsche Verhältnisse würde das heißen: Verbände als Arbeitgeber, die mit ihren Athleten einen ordentlichen Arbeitsvertrag abschließen. Denkbar, aber mit öffentlichen Geld nur bedingt machbar. Dabei wäre dann eine Umverteilung der Mittel mit Schwerpunkt auf Athleten/Trainer unumgänglich ebenso wie das Mühen um Sponsoren.

Vielleicht könnte die Potenzialanalyse PotAS, die ja nun für verbesserte Rahmenbedingungen sorgen soll, um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu steigern, bei der Auswertung der gesammelten Daten den Verbänden wirklich Hilfestellung geben, wie man sich als moderner „Arbeitgeber“ im deutschen Sportsystem positionieren müsste, um in jeder Hinsicht auf einen grünen Zweig zu kommen.

Für die rund 3500 ?  Spitzensportler müsste es doch eine Lösung geben, ohne den Sport neu zu erfinden. Gibt es, sagen Ökonomen. Nur muss man sich anders aufstellen. Und bereit sein, alles im Ganzen zu (über-)denken.

Etwa Ausbildung und Zukunftsplanung von AthletInnen – das Dauerthema wird seit Jahrzehnten unter den Titeln Duale Karriere, Karrieremanagement diskutiert. Laufbahnberater, meist angesiedelt an Stützpunkten, sollten da helfen. Ratsuchende fanden dort nicht immer, was sie sich vorstellten. „Ich wollte nicht zum Bund oder zum Zoll. War aber die bequemste Lösung für den Verband, der dem Berater diese Entscheidung quasi nahelegte“, erzählt einer, der keine guten Erfahrungen gemacht hat. Und fordert: „Laufbahnberater müssten unabhängig arbeiten und nur dem Sportler verpflichtet sein.“ Einige Verbände wollen nun Bundestrainer für Karrieremanagement, Duale Karriere oder Bildung finanziert haben. Gibt es das Berufsbild Bundestrainer für Karriere? Was passiert dann mit den Laufbahnberatern- bleiben die, müssen die gehen? Wären da Partner wie der Allgemeine Deutsche Hochschulverband (ADH) oder Wirtschaftsverbände nicht die qualitativ bessere und vor allem billigere Lösung?

Nimmt man einzelne Mosaiksteine aus dem Mehrbedarfsplan genauer unter die Lupe, entpuppen sich manche als wortreich verpackte Mogelpackungen und teuere Wünsche. Eine Rundumerneuerung oder gar Reform belegt das nicht. Professionelle Ansprüche an Geldgeber und AthletInnen allein reichen nicht für High-Performance-Auftritte. Die geraten eher zu peinlichem Experimentier-Theater, wenn einige selbstherrliche Amateure Leitung und Regie übernehmen. Die logische Folge ist deshalb, dass die AthletInnen nun rebellieren, ihre Belange selbst in die Hand und eine Reform in Angriff nehmen. Die Revolution frisst nicht mehr ihre Kinder, sondern diejenigen, die der Grund für die Revolte sind. Also FunktionärInnen aller Länder  – zieht euch warm an, die AthletInnen kommen…