Der Leistungs-TÜV nimmt Arbeit auf

PotAS-Kommission vorgestellt/ Kernelement der Reform/Vertrauen aufbauen

Berlin. 8. Mai. Nun ist sie also am Laufen: Die PotAS-Kommission.Die Gremiums-Mitglieder wurden gestern offiziell mit großem Auflauf mediengerecht von Bundesinnenminister Thomas de Maizière per Urkunde ernannt. Zusammen mit dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, und dem Vorsitzenden der Sportministerkonferenz (SMK), dem saarländischen Innenminister Klaus Bouillon, stellte er die Mitglieder vor.

Vorsitzender der Kommission ist der Sportpsychologe Bernd Strauß, Professor an der Uni Münster. Der Sportwissenschaftler, der an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel promovierte und sich mit der Arbeit „Die Beeinflussung sportlicher Leistungen durch Sportzuschauer“ 1989 habilitierte, ist national und international gut vernetzt. Seit 2014 ist Strauß, der auch Präsident der Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) war, unter anderem Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (Bisp). Der 59-jährige stand als Wunschkandidat des BMI schon letztes Jahr im Oktober fest. Sein Vertreter ist Urs Granacher, Professor für Trainings- und Bewegungswissenschaften an der Universität Potsdam. Dr. Miriam Rebel vom Bisp vervollständigt das wissenschaftliche Trio. Für den DOSB sitzen im Gemium der ehemalige Geschäftsführer der Reiterlichen Vereinigung, Reinhard Wendt, und die Fechterin Britta Heidemann, Mitglied der IOC-Athletenkommission und des DOSB-Präsidiums.

Auf den ersten Blick eine ausgewogene Besetzung mit drei renommierten Sportwissenschaftlern und dem altgedienten Fahrensmann Wendt, der die föderalen Strukturen des deutschen Sports ebenso gut kennt, wie er weiß, wie die Sportverbände ticken.

Außer Takt

Nun, wie ticken die? Momentan irgendwie außer Takt, weil sie immer noch verunsichert und beunruhigt sind, was mit dieser PotAS-Kommission auf sie zukommt. „Mumpitz“, sagen die einen, „Zu wenig Sachverstand“, die anderen – aber unruhig sind sie alle. Wissenschaft fern von der Praxis, was soll das werden? Schon seit langem haben Praktiker Vorurteile gegenüber Akademikern und deren angeblich eingeengtem Blick aus dem Elfenbeinturm auf die Verbände. Die meinen, dass sie wissenschaftliche Hilfe in ihrem alltäglichen Sport und Verbandsbetrieb nicht brauchen.

„Doch“, sagen die Reform-Väter. Denn es soll ja alles besser und „transparenter, objektiver und verlässlicher werden“ durch die PotAS-Kommission, wie der Minister heute noch einmal betonte. Und natürlich  – auf lange Sicht gesehen – zu einem  Medaillenregen verhelfen.

Also, was soll PotAS – das Potenzialanalysesystem – nochmal genau? Alle Disziplinen und Sportarten „nach objektiven, transparenten, sportfachlichen Bewertungskriterien“ beurteilen, die für eine „perspektivische Leistungserringung“ (= nach vier bis acht Jahren auf das Treppchen) wichtig sind. Um objektive und transparente (darauf legen das BMI und der Minister ganz besonderen Wert) Bewertungsgrundlagen zu schaffen, werden sogenannte Attribute für die Bewertung erarbeitet. Danach wird berechnet, in welchem Cluster (Einstufung) die Sportart oder Disziplin landet. Exzellenzcluster (Medaillenpotenzial), Potenzialcluster (Aufbau-, Struktur- und Individualförderung). Wer kein oder wenig Potenzial vorweisen kann, soll nach dem letzten Stand eine Basisförderung bekommen.

Verwaltungsakt

Diese Bewertung des fünfköpfigen Gremiums ist dann Grundlage für die Strukturgespräche und die Förderentscheidung der Förderkommission. Hört sich erstmal vernünftig an, wenn man auch befürchten muss, dass es doch ein ziemlich bürokratischer Verwaltungsakt ist – und seine Zeit braucht. Aber für Uniprofessoren und Doctores sind das keine Fremdgebiete, damit kennen sie sich aus.

Mehr Zeit wollten die Gremiums-Mitglieder denn auch nicht mehr verlieren. Gleich nach der offiziellen Ernennung, konstituierte sich sich das Gremium und ging an die Arbeit. Erste inhaltliche Aufgabe: „Wir werden uns um die Attribute kümmern“, sagte Strauß, und das scheint ein gut überlegter Schachzug des Sportpsychologen zu sein: Diese Attribute und Unterattribute sind seit Anfang an ein Aufreger bei den Verbänden. Vielleicht ganz gut, wenn man dieses Problem gleich erledigt.

Für Ratschläge und Empfehlungen, aber auch Kritik sei man offen und dankbar, sagt Strauß, der weiß, wie viel Skepsis und Ablehnung dem Gremium aus den Verbänden entgegen schlägt, die immer noch in Alarmmodus sind: Sie fürchten, dass für sie plötzlich aus dem Förder-Topf  ein Förder-Tropf werden könnte, der sie gerade noch so am Leben lässt. Deshalb setzt Strauß auf Kooperation. Man muss sich erst zusammenraufen.

Gesprächstherapie

Vertrauensbildende Maßnahmen sind von Nöten. Der Minister empfiehlt Gespräche. Wohl schon eher eine Gesprächstherapie. Besonders ist da aber der DOSB-Präsident gefordert, ein Klima zu schaffen, das ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander gewährleistet. Hörmann sieht bei der Vorstellung mal wieder den  Mantel der Geschichte flattern. Und sagt, dass der „Leistungs-TÜV“ – also PotAS – „dazu führen wird, dass weniger aus dem Bauch, sondern mehr mit dem Verstand“ in den Verbänden gearbeitet wird. Will sagen? Dass die Zeiten, in denen man sich verbandsinteren alles zurecht biegen konnte, vorbei sind. Zumindest sagt er das in Anwesenheit des Ministers.

Manchmal allerdings muss man ihn daran erinnern, wenn er wieder mal auf Kritik aus den Verbänden an der Reform auf Distanz geht – auch zu seinen eigenen Entscheidungen – und den Schwarzen Peter dem BMI zuschiebt. Die Verbände müssen sich nun arrangieren. Schließlich waren sie es, die mit einem Volkskammer-Ergebnis der Reform im letzten Jahr zugestimmt haben. Risiken und Nebenwirkungen waren bekannt.

Kooperation als Zauberwort

Und so wird Kooperation zum Zauberwort der Stunde. Verweigerung wird vermutlich nicht funktionieren: Schließlich will man ja weiter gefördert werden.

Ob PotAS erfolgreich sein wird, hängt von vielen Parametern ab: Zum Beispiel, ob die Überprüfungen nicht zu lange dauern. Im Konzept steht: „Jedes Mitglied der Kommission wird sodann auf der Grundlage schriftlich angeforderter und durch die Verbände übermittelter Dokumente und persönlich geführter Gespräche (Anhörungsrecht der Verbände) in allen Disziplinen die Attribute in seiner Federführung bewerten und dabei in dem nach seinem Ermessen erforderlichen Umfang Experten (z. B. IAT, Wissenschaftler, Verbandskoordinatoren etc.) hinzuziehen. Unter der Leitung des Vorsitzenden werden die Ergebnisse diskutiert und eine gemeinsame abschließende Attributbewertung vorgenommen.“ Da wird einem beim Lesen schon ganz schwindlig. Und man kriegt Angst vor den Papier- und Daten-Monstern.

Diese Angst müssen aber besonders die Mitarbeiter der Geschäftsstelle haben, die an die Uni in Münster angedockt wird.

In der Politik ist es üblich, den Neuen im Amt 100 Tage Einarbeitung zu gewähren – das ist Fair Play. Dann kann man ja immer noch lästern über PotAS , das in Verbandskreisen in Pocahontas umbenannt wurde. Warum?  Der Name der Indianerprinzessin bedeutet: „Die alles durcheinander bringt“.