Auf Erfolg wetten würde momentan keiner

Wenig öffentliche Reaktionen auf den Entwurf der Spitzensportreform aus den DOSB-Mitgliedsverbänden

Berlin, 30.September. Öffentliche Reaktionen aus den Mitgliedsorganisationen des Deutschen Sportbundes (DOSB) zum Entwurf der Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung sind noch spärlich. Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop und der scheidende Präsident des Deutschen Turnerbundes (DTB) und ehemalige Sprecher der Spitzenverbände, Rainer Brechtken, äußerten sich differenziert und verhalten zu dem Reformpapier.

„Das muss sich erst einmal setzen“, erklärte der Sprecher der Spitzensportverbände und Ruderpräsident Siegfried Kaidel in einem Gespräch die Zurückhaltung. Er habe zwar Rückmeldungen aus Verbänden, aber Rückschlüsse auf die Gesamt-Stimmungslage könne er momentan nicht wiedergeben. „Die Reaktionen der Verbände fallen so aus, wie sich die Reform auf sie auswirken könnte“, antwortet er diplomatisch, aber: „Wir Verbände sind diskussionsbereit. Das wird sich dann auch am 18. Oktober bei unserem Treffen in Frankfurt am Main zeigen.“

Solange will natürlich eine Reihe von Mitgliedsorganisationen nicht still sitzen und abwarten. Sondern sie formieren sich – sagen jedenfalls einige -, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Denn: Vieles, was ihnen da so vorgelegt wurde, wollen sie nicht – und schon gar nicht unwidersprochen – einfach schlucken. „Kuschelkurs ist aus“, gibt sich einer kämpferisch, vor allem, nachdem er das Interview der „Süddeutschen Zeitung“ mit DOSB-Präsident Alfons Hörmann und Bundesinnenminister Thomas de Maizière gelesen hat, wo doch schon einige Kritikpunkte an dem Entwurf relativiert wurden. Und sich nun die Frage stellt: Gilt das gesprochene Wort oder das Papier? Misstrauen aus Erfahrung sei angebracht.

Effizienz durch Zentralisierung und Vermeidung von Reibungsverlusten und eine Rechtfertigungsbasis für die teure Finanzierung des deutschen Spitzensports sei der Anschein, den man mit diesem Reformentwurf vermitteln wolle. Damit begebe man sich schnurstracks auf den Sportkurs der DDR. Man habe das „Reformwerk“ nur anders genannt, sprachlich alle Konzepte bürokratisiert und verklausuliert. Sagen KritikerInnen  wie etwa Ines Geipel, Vorsitzende der Doping-Opfer-Hilfe auf Nachfrage.

„Ich habe heute ein Papier von 1992 herausgezogen, wo der DTSB und der DSB ein Leistungssportpapier erstellt haben. Das erinnert mich zu 98 Prozent an das, was nun vorliegt – 24 Jahre später. Damit sind wir damals grandios gescheitert, weil das gesellschaftspolitisch nicht durchzusetzen war – zu viel DDR, zu viel transparente Intransparenz an vielen Stellen. Und in einer demokratischen Gesellschaft wie unserer nicht umzusetzen“, so ein hauptamtlicher Verbandsmitarbeiter. Der auch sagt, dass dieses Papier „systemimmanentes  Doping“ provozieren werde.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum der Bundesinnenminister am Mittwoch nach der Anhörung im Bundestags-Sportausschuss schon bei der Förderung  „dopingbelasteter Sportarten“ differenzierte. Und: Er kündigte überraschend an, er wolle sich einen Kabinettsbeschluss für die neue Spitzensportreform holen, wenn sie denn fertig ist. Ungewöhnlich und unverständlich: Kabinettsbeschlüsse gibt es eigentlich sonst nur bei einem Gesetz. Als was ist das dann gedacht? Als Rückendeckung? Wenn dann nicht nur konkrete Zahlen vorliegen und für Unmut sorgen könnten, was der Luxus Spitzensport den Steuerzahler jährlich kostet. Und vor allem, wenn kein gesellschaftlicher Konsens über diesen DDR-angehauchten Medaillen- und podiumsorientierten Spitzensport zustande kommt.

Kaidel antwortet ausweichend auf die Frage, ob in dem Entwurf nicht in vielen Bereichen die Autonomie der Fachverbände verloren geht. Na, das müsse man sehen. Auf eine politische und verbandspolitische allgemeine Einordnung, was denn nun diese Reform insgesamt für den organisierten Sport bedeute, will er sich nicht einlassen. Jetzt müsse man erst einmal sprechen, aber auch dafür sorgen, dass die Verbände operativ weiterarbeiten können, etwa wenn sie neue Trainer verpflichten wollen. „Dafür brauchen wir in der Übergangszeit, bis die Reform in Gang kommt, eine Anschubfinanzierung.“ Zumindest ist sich Kaidel da mit Hörmann einig.

Und: Er  stimmte auch mit dem DOSB-Boss überein: „Wir sind uns alle einig, dass etwas passieren muss. Und wir reden ja nun erst einmal über einen Entwurf.“ Kann er sich vorstellen, dass das Papier keine Mehrheit findet? Und was wäre, wenn dieser Entwurf bei der Mitgliederversammlung durchfiele?

“ Ich bin von Haus aus Optimist. Aber man weiß ja nie, was passiert und wie das läuft.“ Wetten würde er momentan vermutlich nicht auf eine  Spitzensportreform annehmen, die am 1. Januar 2019 starten soll.