Am „Feindbild“ angedockt

Berlin, 17. August. Der wievielte Schulterschluss zwischen Politik und Sport ist das gleich wieder? Mittlerweile verliert man schon etwas die Übersicht. Nach dem überraschenden Rücktritt des PotAS-Vorsitzenden Bernd Strauß und den Umsetzungsproblemen mit der Stützpunktstruktur war es wohl mal wieder an der Zeit, eine Art Krisengespräch im Bundesinnenministerium (BMI) einzuberufen: Die Protagonisten von BMI, Ländern und Deutschen Olympischen Sportbund beschworen danach – Überraschung – die Gemeinsamkeit. Und den Willen, mit „einheitlichem Votum“, wie es in einer Presseerklärung hieß, den Reformprozess intensiv fortzusetzen. Das Beschwörungsritual Einigkeit ist mittlerweile ein Standardprogramm zwischen Politik und Sport.

Diesmal sind BMI und DOSB einig, dass sie wohl ihren Zeitplan in Bezug auf die Klärung der Stützpunktfrage zu eng gesteckt haben. „Wir haben erkannt, dass es zeitlich zu ambitioniert war, die neue Bundesstützpunktstruktur zum 1. Januar 2018 umzusetzen“, lässt sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach der Gesprächsrunde in einer Pressemitteilung zitieren. Und weiter: „Daher haben wir uns auf ein weiteres Übergangsjahr geeinigt, um Athletinnen und Athleten und ihren Trainern und Trainerinnen hinreichend Planungssicherheit für die persönliche Zukunft zu geben.“

Zeitlich im Trudeln

Also bleibt erst einmal weiter alles beim alten. Überraschend ist diese Entscheidung nicht, wenn man die Diskussion der letzten Monate verfolgt. Denn das Reduzieren der Bundesstützpunkte um 20 Prozent von 204 auf 165 ist ein Prozess, wo im föderalen System allen Beteiligten Verzicht – in diesem Fall die Streichung eines Bundesstützpunkts – mehr als schwer fällt. Was nicht zuletzt zur Folge hat, dass man zeitlich ins Trudeln kommt. Hätte man zu dieser Erkenntnis aber nicht schon bei der Konzeptionierung der Reform kommen müssen?, fragen nun nicht nur diejenigen, die schon beim Start der Reform betonten, „dass in dem Konzept zwar vieles richtig und gut ist. Aber zu wenig durchdacht.“

Einige Verbände, die nun schon ihre Strukturen umgemodelt haben, sind mit der neuerlichen Lösung, die als sozial verträglich zu verstehen ist, nicht glücklich: Sie fürchten, durch das „Weiter so“ würden sie nicht ausreichend Geld bekommen, weil „überflüssige Stützpunkte weiter durchgezogen“ würden.Für eine faire Behandlung als Lösungsansatz will das BMI sorgen.

Hörmanns Sorgfalt

DOSB-Präsident Alfons Hörmann hat in diesem Gespräch auch ein neues Motto entdeckt: „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ gilt jetzt als Parole. Bisher konnte ihm allerdings die Reformumsetzung nicht schnell genug gehen. „In intensiven Verbandsgesprächen haben DOSB und Spitzenverbände binnen weniger Monate eine neue sportfachliche Bewertung der potenziellen Bundesstützpunkte erarbeitet. Nun geht es um eine verantwortungsvolle Umsetzung, bei der Sorgfalt vor Schnelligkeit geht“, so sein Statement in der gemeinsamen BMI-DOSB-Presseerklärung. Offensichtlich ist er momentan von der Einsicht gesteuert, dass er mit der Unternehmer-Rolle des durchsetzenden Bestimmers irgendwie nicht weiterkommt – zumindest nicht bei seinen Partnern aus Bund und Ländern.

Denn die fordern, dass der DOSB sich an Absprachen hält. Moniert wird, dass zwar die Verbände ihre Hausaufgaben erledigen, nicht aber der DOSB, der die abgesprochene Streichliste zu den Bundesstützpunkten mit den entsprechenden Angaben über Kader, Trainer, Finanzierungsart der Trainer usw. immer noch nicht so abgeliefert hat, wie von Bund und Ländern gewünscht. Sie muss nun bis zum 13. September vorliegen, weil sich die Sportreferenten und die Sportministerkonferenz dann bei Folgeterminen abstimmen müssen.

Schuld ist immer…

Offensichtlich wird gerade am Beispiel der Stützpunktstruktur, dass die Herangehensweise der Protagonisten unterschiedlicher nicht sein kann. Was die einen als unverzichtbare Angaben und Unterlagen haben wollen, sehen die anderen als überzogene und lästige Formalien und Gängelei. Und die Kommunikation scheint unterirdisch: Man redet zwar, aber mehr aneinander vorbei als miteinander. Und nicht zuletzt werden auch gerne neue Missverständnisse gezielt provoziert: denn es geht immer noch um die Lufthoheit über den deutschen Spitzensport. Und wenn es schief geht, greift die im Sport oft strapazierte „Sündenbockstrategie“ – Schuld ist immer der andere.

Granacher ernannt

Neben den Stützpunktstrukturen musste sich die Runde auch mit der PotAS-Kommission auseinandersetzen. Am Mittwoch (16. August) wurde nun Urs Granacher auch offiziell vom Minister als neuer Vorsitzender ernannt.Der Potsdamer Professor stimmte zusammen mit seinem Gremium für die neue Geschäftsstelle, die nun am Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Bisp) in Bonn angedockt wird. Dort soll „ohne zeitlichen Verzug“ die Arbeit fortgesetzt werden können. Dass Alfons Hörmann hier zugestimmt hat, verwundert und überrascht. Denn das Bisp birgt neues Konfliktpotential: Es ist seit Jahren erklärtes „Feindbild“ vieler Fachverbände. Diese Entscheidung – das zeigt u.a. die Reaktion eines Verbndspräsidenten wird als “ weiterer Schritt zur Steuerung des deutschen Sports durch BMI und Bisp“ gesehen.

Bei allem Einigkeits-Gedöns liegt also schon wieder Streit in der Luft. Bleibt abzuwarten, wie lange der Burgfrieden diesmal hält.