Talkrunde im ZDF-Sportstudio versuchte sich an der Leistungssportreform abzuarbeiten
Berlin, 13 November. Der Fußballfan dürfte am Samstagabend irritiert gewesen sein, als er das „Aktuelle Sportstudio“ im ZDF einschaltete: Denn nicht Nach- und Vorberichte über die Fußball-Nationalmannschaft und Nachrichten aus der Liga waren auf Sendung, sondern eine Diskussionsrunde. Thema: Die Reform des deutschen Spitzensports. Trotz Einspielern, die für etwas inhaltliche Aufklärung sorgen sollten, dürfte sich nicht nur der Fußballfan, sondern auch der allgemein sportinteressierte Zuschauer schon nach kurzer Zeit gefragt haben: Worüber reden die da?
Ja, worüber? Über eine Reform, die Medaillen als das Maß aller Dinge beinhaltet. Über Bundestrainer, die für das neue Jahr noch keinen Vertrag haben. Über ein Potenzial-Analysesystem, genannt PotAS, das die neuen Förderkriterien darstellt. Und vor allem über Geld. Denn Geld ist immer die einfachste Lösung – und das Argument, mit dem man kritische Fragen am besten abbügelt.
Locker Bälle zugespielt
Die „Väter“ des Sport-Erneuerungs-Entwurfs, Bundesinnenminister Thomas de Maizière und der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Alfons Hörmann, spielten sich dann auch locker die Argument-Bälle zu, die den Eindruck erwecken sollten – obwohl es noch zugegebene Schwierigkeiten und noch viele zu lösende Probleme gibt -, dass es sich um eine Art Jahrhundertwerk handelt, das den deutschen Sport nicht nur revolutionär umkrempelt, sondern wieder fest auf sprintende Erfolgsbeine stellt. Und man darüber bei der DOSB-Mitgliederversammlung in Magdeburg am 3. Dezember wenn schon nicht begeistert, aber dennoch beruhigt abstimmen kann.
Diejenigen, die im Mittelpunkt der Reform stehen sollen, aber bei der Erarbeitung derselben kaum beteiligt wurden, nämlich die AthletenInnen, sind verunsichert. Auch die, die da in der ZDF-Runde sitzen. Triathlon-Olympiasieger und Ironman-Weltmeister Jan Frodeno kritisiert fehlende Transparenz und Kommunikation speziell bei den Förderkriterien. Er sieht da ein „Prinzip Glaskugel“. Auch sein Kollege Max Hartung, Fechter und Mitglied der Athletenkommission, versteht nicht, dass die Aussicht auf eine Medaille der einzige Grund sein soll „warum man Sport fördert“.
Zwischengrätsche Fehlanzeige
„Wir reden hier von Leistungssport“, sagt der Minister immer wieder, wenn es um die strikte Podiumsplatzvorgabe geht. Und Hörmann grummelt, dass ja auch diejenigen, die mit fünften oder sechsten Plätzen zurückkämen, nicht untergehen würden. Oder ähnliches. Die Athleten (unter ihnen auch die Kugelstoßerin Christina Schwanitz) mühten sich, das Reformer-Duo zu klaren Aussagen und Erklärungen zu bewegen. Aber Konkretes gab es wenig. Halt! Der Minister versprach eine Aufstockung der Mittel „Ich werde mich dafür einsetzen, dass es mit der Reform der Spitzensportförderung mehr Geld gibt“ sagt er. Wo bleibt da die verbale Zwischengrätsche von Moderator Jochen Breyer? Am Vortag hat es schon eine „Anschubfinanzierung“ von 5,2 Millionen zusätzlich zu den 162 Millionen Euro bereits genehmigten Mitteln gegeben. Welcher Geldregen soll also noch kommen, wenn die Reform dann mal am 1. Januar 2019 vermutlich startet?
Nachhaken ist out
Der Moderator macht es Minister und DOSB-Funktionär leicht. Nachhaken ist out, nächste Frage. Sonst wimmelt es in den Studios bei Sportsendungen von externen Experten .Warum hat das ZDF diesmal keinen dazu geholt, der mit dem Blick von außen den Reform-Machern ganz anders hätte Paroli bieten können als die Sportler? Bei der Frage, ob der Medaillendruck die Versuchung verstärken könnte, zu unerlaubten Mitteln zu greifen, ließ sich Breyer mit der Minister-Antwort „den Druck machen sich die Athleten selber“, und einem zustimmenden Kopfnicken des DOSB-Präsidenten abspeisen. Da hätte man sich die Dopingforscher Perikles Simon oder Fritz Sörgel in der Runde gewünscht. Oder Sozialwissenschaftler wie Gunter Gebauer oder Thomas Alkemeyer.
Probleme der Schwimmer haben auch andere
Die beiden Sportler, nicht der Moderator, mussten den dabeisitzenden Schwimm-Bundestrainer Henning Lambertz animieren, zur Dopingproblematik im internationalen Schwimmsport und geforderten sauberen Höchstleistungen deutscher Athleten etwas zu sagen. Dabei hätte der Moderator gerade am Beispiel der Schwimmer mit seinen Gästen viele Probleme aufarbeiten können, die symptomatisch auch für andere Sportarten und Verbände in Deutschland sind. Als Beispiel für ein erfolgreiches System, an dem sich auch die deutschen Reformer orientiert haben, wurde ein Einspieler über den Sport in Großbritannien gezeigt. Dass sich die Redaktion dann ausgerechnet die britischen Radfahrer als Beleg aussucht, ist bemerkenswert. Denn das Wort „positiv“ spielt gerade da bei den Medaillenerfolgen in mehrfacher Hinsicht eine Rolle.
Krawatte lockern
Am Internationalen Olympischen Komitee (IOC) mit seinem Chef Thomas Bach arbeitete sich die Runde auch noch ab. Klare Athletenkritik an dem Vorgehen und den Umgang des IOC mit den Russen, die trotz erdrückender Dopingbeweise nach einem unwürdigen Hin und Her dann doch noch mit einer Teilmannschaft bei den Spielen in Rio antreten durften. Während der Minister das Verhalten von Bach und dem IOC kritisch sieht, geht Hörmann sofort in den Verteidigungsmodus über: denn Schuld sind Politik, WADA und Fachverbände, aber nicht das IOC und keinesfalls Bach. Da möchte man die Krawatte lockern, wenn man eine umgebunden hätte..
Für die fußballbegeisterten Sportstudio-Fans, die bis zum Ende der Talkrunde durchgehalten haben, gab es das gewohnte Ende: Torwandschießen. Da agierte ein offensichtlich erleichterter Moderator dann wieder auf gewohntem Terrain, die Reform-Väter leisteten sich mit ihren Schießversuchen eine Nullnummer, The winner is – ein Zuschauer. Und Hörmann weiß spätestens jetzt, und witzelt, warum „es eine Leistungssportreform geben muss“: Weil auch die Sportler nicht trafen. Fazit: Eine späte Joggingrunde ums Haus und danach ein Heißgetränk hätten mehr gebracht.