Neuer Sportfördergesetz-Entwurf liegt vor / Agentur mit Überraschungen
Berlin, 23. Oktober. Mitten in der Bewerbungsshow und dem Abstimmungsprozedere um die Olympischen Spiele löst die Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Christiane Schenderlein, ein Versprechen ein: Am Donnerstag legte sie den„Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Förderung des Spitzensports und weiterer Maßnahmen gesamtstaatlicher Bedeutung im Sport sowie zur Errichtung der Spitzensport-Agentur“ vor. Damit soll der Spitzensport wieder international wettbewerbsfähig gemacht werden.
Seit 2016 der damalige CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière zusammen mit dem Ex- Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, die „Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung“ in Angriff nahm, herrschte – nach kurzem anfänglichen Einklang – vor allem Disharmonie und Streit zwischen dem damals noch für Sport zuständigen BMI und dem DOSB.
Altes Reform-Credo
Mehr Geld, dann aber auch mehr Medaillen. So lautete das Reform-Credo des damaligen Führungsduos. Davon wollten aber die Sport-Verantwortlichen nichts mehr wissen, als das Prinzip Gießkanne nicht mehr gelten sollte, sondern gezielte Förderung angesagt war. Die Bereitschaft von DOSB und Verbänden, sich auf Neuerungen einzulassen, vor allem eigene Strukturen zu hinterfragen, sich vom Status quo wegzubewegen und ihre Aufgaben endlich mal anzugehen, wurden kaum und nur widerwillig umgesetzt.
Bis heute ist die To-do-Liste in Sachen Reform-Hausaufgaben fast genauso lang wie 2016: TrainerInnen-Frage, Stützpunkt- und Kaderlisten, Nachwuchsförderung sind nach wie vor ungeklärt. Der ganzheitliche Blick, geschweige denn eine Umsetzung eines erfolgreichen Spitzensports sind nach wie vor Fehlanzeige.
Nun aber soll sich alles ändern, wenn es nach der zuständigen Ministerin geht. Also ein neuer Anlauf. „Die Vergangenheit hat gezeigt: Punktuelle Änderungen im bestehenden System bringen nicht den gewünschten Erfolg. Das gilt auch für die bloße Erhöhung der Bundesmittel. Wir haben die Bundesmittel seit 2017 fast verdoppelt – ohne, dass wir damit unseren Zielen spürbar nähergekommen wären“, sagt die Ministerin.
Keine Kosmetik
Deshalb fordert sie einen „gesamtheitlichen Ansatz, um die Spitzensportförderung neu aufzustellen. Es geht nicht nur um kosmetische Änderungen oder neue Akzente“, so Christiane Schenderlein. „Wir arbeiten seit mindestens einem Jahrzehnt in verschiedenen Zusammensetzungen an der Diagnose des Systems, nicht aber an dessen grundlegender Neuausrichtung. Ich will die Reformbestrebungen jetzt zu einem guten Abschluss bringen.“
Denn im Koalitionsvertrag gibt es einen klaren Auftrag. „Die Spitzensportförderung braucht einen Paradigmenwechsel, um Deutschland als Sportnation international wieder wettbewerbsfähig zu machen“, ist da zu lesen.
Externalisierung
Mal abgesehen davon, dass Deutschland, auch wenn man es noch so oft wiederholt, bisher trotzdem keine Sportnation ist, hat man ein Ziel formuliert: es „wieder wettbewerbsfähig“ zu machen. Wie soll das gelingen? „Vereinbart wurde, dass wir zu diesem Zweck eine „Externalisierung“ vornehmen und die Förderung „weniger bürokratisch“, effektiver und effizienter – also professioneller aufstellen. Das gehen wir mit dem Sportfördergesetz jetzt an“, erklärt die Staatsministerin.
Das heißt auch: Im Gesetzentwurf ist der Fokus auf Leistung im Spitzensport verankert. Und das bedeutet wiederum: Es geht um Medaillen, und danach richtet sich die Förderung aus. Spitzensportförderung und die Ziele von Sportförderung werden allerdings hier getrennt behandelt. Übrigens sollten sich da mal Verbände genau anschauen, wann sie Geld bekommen. Neben der Umsetzung des Nationalen Anti-Doping-Codes und dem entschiedenen Vorgehen gegen Gewalt jeglicher Art ist auch eine ordnungsgemäße Geschäftsführung Voraussetzung, um Fördergeld zu bekommen… Schöne Grüße u.a. an die Modernen Fünfkämpfer!
Keine Freundensprünge
Der neue Entwurf hat es in sich. Freudensprünge dürfte er beim Deutschen Olympischen Sportbund und seinen Mitgliedsorganisationen nicht gerade auslösen. Denn beim Kernstück des Gesetzes – der Spitzensport-Agentur – wird es nun keine Kakophonie von zu vielen Mitgliedern mehr geben wie im vorherigen Entwurf. Die Unabhängigkeit des Vorstandes soll gewährleistet sein.
Die Ministerin und ihr Team – vor allem diejenigen, die schon länger dabei sind –, ahnen vermutlich, was auf sie zukommen wird. Eher gelassen scheint das Kanzleramts-Sportteam den zu erwartenden Auseinandersetzungen entgegenzusehen. „Uns ist allen sehr bewusst, dass unsere Änderungen im Gesetzentwurf zu intensiven Diskussionen – auch im organisierten Sport führen werden. Mir ist die Klarheit in der Rollenverteilung der Gremien aber sehr wichtig. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, die besten Entscheidungen zum Wohle des Spitzensports zu treffen“, so Schenderlein.
Seismograph
Ganz überraschend dürfte das eine oder andere für die SportfunktionärInnen nicht kommen – schließlich ist man ja im Gespräch mit dem Ministerium. Aber ist dem DOSB nun seine eigene Rolle in dem neuen Entwurf wirklich klar? Er hat im Spitzensport fachlich mitzureden, aber ansonsten nicht mehr viel zu sagen. Sollten die DOSB-Seismographen nicht schon lange heftig ausschlagen, dass die Politik ein „Weiter so“ im Spitzensport nicht mehr mitmachen wird? Wer sich jetzt beschwert, hat die Gemengelage wohl falsch eingeschätzt.
Weniger Menschen im Stiftungsrat
Wie soll die neue Agentur nun aussehen? Kritik im Gesetz der Ampelkoalition, das ja Grundlage für den neuen Entwurf ist, löste vor allem auch die Masse Mensch aus, die da in den Gremien mitreden wollte. Das hat sich nun im Bezug auf den Stiftungsrat geändert: Fünf Mitglieder – anstatt 18 wie vorher – nehmen darin nun Platz. Drei Mitglieder entsendet der Bund, davon gehören zwei Mitglieder dem Deutschen Bundestag und ein Mitglied dem Bundeskanzleramt an. Je ein Mitglied stellen der DOSB, und die Sportministerkonferenz der Länder.
Vorstand entscheidet
Der Vorstand soll, so sieht es der Entwurf vor, hauptamtlich sein und für vier Jahre vom Stiftungsrat gewählt werden. Seine Aufgaben sind: Führen der laufenden Geschäfte, Förderentscheidungen unabhängig und eigenverantwortlich treffen. Außerdem soll er Förderkonzepte und abgeleitete Förderrichtlinien erarbeiten. „Den Vorschlag für ein Förderkonzept sowie abgeleitete Förderrichtlinien legt er nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens mit dem Sportfachbeirat und dem Stiftungsrat zum Beschluss vor.“
20 Mitglieder im Sportfachbeirat
Während man beim Stiftungsrat personell eine kleine Besetzung vorgesehen hat, ist das beim Sportfachbeirat etwas anders: Da sollen nun 20 Mitglieder (vorher 18) am Tisch sitzen. Wert gelegt wird auf die unterschiedlichen sportlichen Fachrichtungen der Mitglieder mit Expertise auf dem Gebiet des Spitzensports.
So soll der DOSB sechs Plätze mit Fachleuten besetzen, jeweils ein/e VertreterIn sind aus dem Allgemeinen Deutschen Hochschulverband, von Athleten Deutschland, vom Berufsverband der Trainerinnen und Trainer, vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft, dem deutschen Behindertensportverband und dem Nationalen Paralympisches Komitee, der Stiftung Deutsche Sporthilfe, der Deutschen Sportjugend, der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, Teamsport Deutschland und der Trainerakademie Köln vorgesehen.
Die Sportministerkonferenz und die Landessportbünde nehmen im Beirat ihre jeweils zwei Plätze ein. Als ständiger Gast und beobachtendes Mitglied wird jemand vom Bundeskanzleramt in der Runde sitzen, und auch der Sportbeirat kann eine/n VertreterIn entsenden.
Aus diesem Kreis wählt der Beirat seine/n Vorsitzende/n. Er kann Beschlüsse mit einfacher Mehrheit fassen – bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzes.
Windmaschine anstellen
Liest und hört sich auf den ersten Blick alles vernünftig an. Mehr Professionalität, besseres Management im Spitzensport – alte Forderungen, die am eigenen System bisher immer scheiter(t)en. Und am Einknicken der Politik, wenn die Sport-Lobbyisten wieder mal die parteipolitische und parlamentarische Fan-Windmaschine auf Orkan im Wasserglas stellten.
Nun wissen wir nicht erst seit Peter Strucks, ehemaliger SPD-Fraktionsvorsitzender und Verteidigungsminister, Zeiten: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so wie es hineinkommt.“ Das weiß auch die Ministerin. Aber sie will sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, wenn es in den Debatten denn stürmisch werden sollte – auch nicht vom DOSB.
Wo findet man unabhängige Experten?
Nicht nur der Gesetzentwurf an sich, sondern auch Personalien werden für weiteren Diskussionsstoff sorgen. Denn: Wo finden sich zwei Menschen für die Vorstandsposten, die nicht nur weit von Sport und Politik entfernt sind, um die versprochene Unabhängigkeit zu garantieren. Und auch fachlich und führungserfahren genug sind, um sich gegen oft selbstüberschätzende und hartleibige FunktionärInnen durchzusetzen? Was übrigens passiert mit der Abteilung Spitzen-/Leistungssport im DOSB, die in den letzten Jahren immer mehr gewachsen ist? Welche Aufgaben im Spitzensport bleiben für den DOSB?
Gesetz im Sommer 2026?
Jetzt also beschäftigen sich erstmal alle Betroffenen mit dem Gesetzentwurf. Wenn es gut läuft, wird es bis Dezember 2025 einen Kabinettsbeschluss geben. Dann könnte der Entwurf ab Anfang 2026 ins parlamentarische Verfahren gebracht werden und das Gesetz im Juni/Juli 2026 in Kraft treten.
Danach kann die Spitzensport-Agentur formal gegründet werden, die ab 2027 ihre Arbeit aufnehmen soll, zunächst mit dem Einstieg in das Förderverfahren olympischer Sommersport (für den Förderzyklus ab 2029). Bis Ende 2030 soll die Spitzensport-Agentur dann schließlich in den Regelbetrieb übergehen.
Vorausgesetzt: Es endet nicht wieder alles im Streit.
Stellungnahmen von Verbänden und Parteien:
Athleten Deutschland begrüßt den am Mittwoch veröffentlichten Referentenentwurf zu einem Sportfördergesetz. Dieser markiere einen wichtigen Schritt hin zu einem rechtlich abgesicherten, kohärenten und zukunftsfähigen Spitzensportsystem. Nach einem Jahr Stillstand werde der Prozess damit im zweiten Anlauf wieder auf Kurs gebracht. „Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Bundesregierung die Führung übernimmt und den Reformprozess auf die politische Spur zurückbringt“, sagt Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland. Der Entwurf eröffne Chancen, bleibe aber in entscheidenden Punkten hinter den Erwartungen der Athletinnen und Athleten zurück. Man befürworte grundsätzlich das Anliegen der Bundesregierung, dem Vorstand durch die Verkleinerung des Stiftungsrat und der Entmachtung des Sportfachbeirats mehr Gestaltungsspielraum zu geben. Dabei aber auf die Stimme der Athletinnen und Athleten zu verzichten, ist nicht nachvollziehbar. „Schon in den Entscheidungsstrukturen des organisierten Sports wird die Athletenvertretung marginalisiert; nun soll sie lediglich eine von zwanzig Stimmen in einem rein beratenden Sportfachbeirat Dagegen bewertet Athleten Deitschland positiv die geplante Stärkung der individuellen Förderung von Athletinnen und Athleten über rein sportbezogene Bedarfe hinaus (§ 6). Die Einführung eines solchen Förderbausteins in Form eines Individualbudgets ist ein lang gehegter Wunsch von Athleten Deutschland. Dieser kann entscheidend dazu beitragen, strukturelle Lücken zu schließen.
Die Grünen sprechen von „Verschlechterungen“ : Tina Winklmann, Sprecherin für Sportpolitik, und Ophelia Nick, Obfrau im Ausschuss für Sport und Ehrenamt, erklären: „SPD und Union greifen mit ihrem Entwurf im Wesentlichen auf die Vorarbeit der Ampelregierung zurück. Statt die Vorlage aber weiterzuentwickeln, wurden an entscheidenden Stellen deutliche Verschlechterungen eingebaut. So sieht der Entwurf etwa eine weitgehende Konzentration von Entscheidungskompetenzen in Vorstand und Stiftungsrat der geplanten Spitzensport-Agentur vor, während der Sportfachbeirat lediglich eine beratende Rolle erhält. Die Athletenvertretungen wären damit von Entscheidungsprozessen weitgehend ausgeschlossen.
Auch die Transparenz bei der Mittelvergabe bleibt unzureichend. Aus grüner Sicht sind regelmäßige, unabhängige Evaluationen und eine klare parlamentarische Mitsprache von Regierung und Opposition für eine transparente Steuerung öffentlicher Fördermittel zwingend notwendig. Geschlechtergleichstellung, -parität und Diversität werden zu oft mit „Kann“-Bestimmungen aufgeführt, zudem wird eine Bekämpfung von Queerfeindlichkeit nicht explizit benannt. So wird der Entwurf dem Anspruch einer diskriminierungsfreien Sportförderung nicht gerecht. Zudem ist die Repräsentation von Menschen mit Behinderungen unzureichend. Eine inklusive Struktur erfordert hier eine stärkere institutionelle Einbindung anstatt reiner Absichtserklärungen.
Insgesamt bleibt der vorgelegte Entwurf deshalb hinter den Erwartungen an eine echte Reform der deutschen Sportförderung zurück. Statt auf Aufbruch, Gleichstellung und Transparenz zu setzen, werden zentrale Entscheidungen in wenigen Gremien gebündelt und wichtige gesellschaftliche Aspekte abgeschwächt. Wir sehen deshalb erheblichen Nachbesserungsbedarf und sind bereit, in den kommenden Beratungen konstruktiv an einem modernen, gerechten und zukunftsfähigen Sportfördergesetz mitzuwirken.“