Lange Tradition geht zu Ende/ Sport gefordert/ Neue Chance nicht vergeigen
Berlin, 7.Mai. Seit gestern ist es amtlich: Der Sport ist in Zukunft im Bundeskanzleramt angesiedelt. Im Organisationserlass der neuen Bundesregierung, datiert vom 6. Mai 2025, ist das nun nachzulesen. Und damit wird eine lange Tradition beendet, die auf einen Reichstagsbeschluss vom Februar 1914 basierte. Der legte fest, dass das Innenministerium für Sport zuständig ist.
Die neue Sportministerin Christiane Schenderlein kann nun also auf die Erfahrung und das Wissen des rund 70-köpfigen Teams der „umgesiedelten“ Sportabteilung aus dem Bundesministerium des Innern (BMI), wie es nun heißt, zurückgreifen. Ob der neue Mann an der Spitze, Alexander Dobrindt darüber unglücklich ist, den Sport abzugeben, wird er wohl für sich behalten. Zumindest sonnten sich einige seiner VorgängerInnen, gerne im Sport. Aber in den letzten Jahren gab es viele Turbulenzen zwischen BMI und Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB), was viele Beteiligte als sehr belastend empfanden. Und den Ruf des Sports noch mehr verfestigte, „der schwierigste aller Lobbyisten“ zu sein. Übrigens hat das BMI auch das Heimatressort an das Bundeslandwirtschaftsministerium abgegeben.
Zuständig für Sportpolitik
Vor eineinhalb Wochen ist wohl festgelegt worden, dass das BMI die Sportabteilung abgeben wird. Was ja letztendlich konsequent ist, wenn man einen/eine StaatsministerIn im Kanzleramt beruft, Bürokratie abbauen will, Doppelstrukturen und daraus resultierende Auseinandersetzungen vermeiden möchte. Im Organisationserlass heißt das dann so: „Dem Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes werden übertragen 1. aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren die Zuständigkeit für Sportpolitik sowie für das Themenfeld Ehrenamt.“
Interessant in dem Erlass ist, dass es nicht „zuständig für Sport“ heißt, sondern für „Sportpolitik“. Wird spannend, wie das vom nun zuständigen Staatsministerium und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) interpretiert werden wird, wieweit der Sport seine Autonomie auslegen wird und ob das Staatsministerium das akzeptiert, etwa wenn es ums Geldverteilen geht.
Mehr Sichtbarkeit und die gesellschaftliche Bedeutung soll nun mit der Installation dieses neuen Amtes für den Sport einhergehen. Und vor allem auch, dass er in den verschiedenen Ministerien mitgedacht wird. Dafür soll Ministerin Schenderlein nun sorgen, die sich, so der Wunsch des Sports, auch als Anwältin des Sports und dessen Stimme verstehen soll.
Jetzt Strategie und Ziel des Sports
Zumindest hat die neue Regierung das Versprechen eingelöst, ein Sportministerium einzurichten. Nun ist es am DOSB und seinen Mitgliedsverbänden, eine Strategie und vor allem ein Ziel zu entwickeln, wie der deutsche Sport der Zukunft nicht nur aussehen soll, sondern vor allem, wie er wieder erfolgreicher werden kann. Alte Rezepte zur Problembekämpfung werden da nicht ausreichen. Und ein neues Ministerium ist kein Garant für besseren, erfolgreicheren Sport oder gar mehr Medaillen. Da müssen nun schon die verantwortlichen SportfunktionärInnen für Innovation und Ideen sorgen – und die vor allem umsetzen. Ein „Weiter so“ oder das Festhalten am Status quo wird die neue Ministerin nicht einfach so hinnehmen können. Nicht zuletzt auch deshalb, weil – so das Versprechen der neuen Regierung – genau hingeschaut wird, wofür Geld ausgegeben werden kann. Und wofür nicht.
Der DOSB und seine Mitgliedsorganisationen wären gut beraten, schon mal selbst eine Einsparliste zu erarbeiten, um für sinn- und hoffnungslose Hochglanz-Vorhaben kein Steuergeld zu fordern, sondern eher konstruktive Projekte im Bezug auf Sport für alle auf den Weg zu bringen.
Aufgaben umsetzen
Wenn die Sportverantwortlichen von der Politik fordern, Anwalt des Sports zu sein, dann müssen sie auch entsprechende Vorarbeit leisten, Vorschläge einbringen und ihre Hausaufgaben erledigen. Wer 30 Jahre gefühlt alle zehn Minuten eine Traineroffensive fordert, sie aber nicht umsetzt, disqualifiziert sich. Wer ständig darüber redet, das Stützpunktsystem zu reformieren, aber wenn es Streichungen geben soll, das St.-Floriansprinzip anwendet, braucht sich nicht zu wundern, wenn dann andere den Rotstift ansetzen. Es gibt viele Beispiele, wo der organisierte Sport nach innen wirken könnte, das aber nicht tut und Kritik bisher immer an die Politik weiterreichte. Das wird mit dem neuen Ministeramt nicht mehr so einfach gehen.
Nun man wird sehen, wie sich alles zurechtrüttelt.
Zumindest scheint man in der Politik nun die Kräfte bündeln zu wollen. Es liegt aber jetzt am Sport, was er im Zusammenspiel mit dem neuen Ministerium macht. Es ist wieder eine Chance, die er nicht vergeigen sollte wie so viele andere in den letzten Jahrzehnten.
Personalie
Die Juristin Dr. Babette Kibele soll dem Vernehmen nach Abteilungsleiterin im Staatsministerium Sport im Kanzleramt werden. Frau Kibele, die an der Universität Münster Jura studierte, kennt sowohl das BMI wie auch das Kanzleramt sehr gut. Im BMI leite sie u.a das Ministerbüro von Thomas de Maizière von 2013 bis 2015 sowie den Leitungsstab im Bundesministerium des Inneren. Auch im Kanzleramt war sie Referatsleiterin und Referentin mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen. Dazu gehörte der Sport nicht. Auch entsprechende Recherchen ergaben, dass es bisher keine beruflichen Berührungspunkte gibt. Frau Kibele würde damit Nachfolgerin von Steffen Rülke, der das Amt von Beate Lohmann übernahm, die im Mai 2022 überraschend von der damaligen Bundesministerin Nancy Faeser in den Ruhestand versetzt wurde.