Lahme Mitgliederversammlung und zu viel Friede und Eierkuchen / Ein Kommentar
Berlin/ Saarbrücken, 7. Dezember.– Er ist und bleibt ein hoffnungsloser Fall – der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit seinen Mitgliedsorganisationen. Zu diesem Schluss muss man zwangsläufig auch nach seiner 21. Mitgliederversammlung (MV) am Samstag kommen. Denn nach heftiger Kritik an Präsident Thomas Weikert, an mangelnder politischer Präsenz des DOSB, an einer unambitionierten Performance in Sachen Olympiabewerbung, an schlechter Kommunikation und Krisenmanagement wurde ein weiteres Weichspül-Schauspiel inszeniert. Dabei kam die Kritik in den letzten Wochen nicht nur von außen, sondern vor allem aus dem Sport selbst.
Nun wurde aber hauptsächlich von denen hinter den Kulissen Regie geführt, die ihre Kritik öffentlich, aber gerne ungenannt in die Welt streuen und dabei vor allem Eigeninteressen verfolgen. Zündelnde Biedermänner und Brandstifter gibt es im deutschen Sport so einige, die sich gerne die Trainingsjacke mit dem Werbeblog „sachorientiert und im Interesse des Sports“ überziehen, aber darunter dann gerne mal einen Knallfrosch verstecken, um den dann zu zünden, wenn es gerade gegen ihre Interessen läuft.
Kritik allerorten. Dann hätte man nun die Gelegenheit gehabt, sich im Plenum mal alles von der Seele zu reden, Probleme zu diskutieren und vielleicht durch sachliche Debatten den deutschen Sport nach vorne zu bringen. Was passiert? Nichts. Schweigen im DOSB-Wald. Aber wer will auch aus dem eingeschworenen Schulterschluss ausscheren? Zusammenhalt, Harmonie- und Einigkeitssoße sind das Gebot der Stunde. Wie immer, wenn es für die „Sportfamilie“ brenzlig wird, rückt man zusammen. Zur Hölle mit den ewigen Nörglern – vor allem von der Presse. Und mit den Heckenschützen aus den eigenen Reihen!
Was macht ein Parlament?
Welche Funktion hat also eine Mitgliederversammlung, die DOSB-Präsident Thomas Weikert noch eingangs stolz als „das Parlament des deutschen Sports“ bezeichnet? Jedenfalls nicht die, die man sich landläufig unter einem Parlament vorstellt. Das Wort „Parlament“ leitet sich von dem französischen Wort „parler“ – sprechen – ab. Also Parlamentarier sprechen. Nicht so im DOSB-Parlament. Da parliert man lieber hinter verschlossenen Türen, räumt dann die heiklen Themen schon mal ab, fängt aufmüpfige Mitglieder ein, die sich vor der Tür äußern wollten.
Man müsse Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Sagt der Präsident. Erreicht man das, wenn Probleme, die vor allem aus dem Sport heraus thematisiert werden, nicht einmal öffentlich diskutiert und damit Transparenz hergestellt wird? Wie will der DOSB ein gesellschaftspolitisch ernst zu nehmender Player sein, wenn sich Bürger und Bürgerinnen kein Bild darüber machen können, welche Themen und Projekte, die auch sie und ihre Kinder angehen, er so im Köcher hat? Außer Olympiabewerbung, Spitzensportreform oder Sportfördergesetz. Zum Beispiel den wichtigen Safe Sport Code, der alle angeht. Und bietet sich da nicht gerade die Mitgliederversammlung an, wo man komplexe Themen differenziert und öffentlichkeitswirksam diskutieren könnte?
Das hat der organisierte Sport immer noch nicht verstanden. Und so verspielt er jedes Jahr eine neue Chance, sich auch als die Stimme und der Macher des „Sports für Alle“ zu präsentieren.
Polit-Fuchs Beucher in die Bütt
Vielleicht hatte Friedrich Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, erfahrener sozialdemokratischer Politik-Fuchs wieder das richtige Gespür, dass er mal in die Bütt müsste, um ein paar kritische Anmerkungen zu machen, damit die Mitgliederversammlung nicht völlig im Friede-Freude-Eierkuchenschleim sowie Phrasen und Emotions-Gelaber erstickt.
Denn: Es ist an diesem Vormittag zu viel gelobhudelt und geheuchelt, schöngeredet und verschwiegen worden. Es fehlt eine ehrliche Fehlerkultur. Und man denkt: Neue Männer, neue Frauen braucht der Sport…
A propos neue Köpfe: War es nun ihr letzter Auftritt bei einer DOSB-MV oder feiert sie ein Comeback in der neuen Regierung? Man weiß ja nie. Von Bundesinnenministerin Nancy Faeser hätte man sich deshalb keine Wahl-, sondern eine Ruck-Rede gewünscht, wie sie 1995 Bundespräsident Roman Herzog im Berliner Hotel Adlon gehalten hat, die in weiten Passagen auch heute noch aktuell ist
„Hier herrscht ganz überwiegend Mutlosigkeit, Krisenszenarien werden gepflegt. Ein Gefühl der Lähmung liegt über unserer Gesellschaft“, analysierte der Bayer damals.
Abschied von Besitzständen
Und: „Durch Deutschland muß ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen, vor allen Dingen von den geistigen, von den Schubläden und Kästchen, in die wir alles gleich legen.“ Schöne Grüße an den DOSB und sein Parlament!
Wer Sportbegeisterung auslösen möchte und von Olympia träumt, der sollte in Zukunft auf solche deprimierenden Mitgliederversammlungen verzichten. Und sie auf keinen Fall weiter streamen. Aufführungen wie diese sind keine Werbung für den Sport und Fair play.
Aber was mach ich mir schon wieder Gedanken über einen hoffnungslosen Fall.