Ein kleiner Zwischenruf

Special Olympics World Games in Berlin

Berlin, im Juni 2023.- Die sonst schnoddrige, manchmal herzlose, oberflächliche Hauptstadt war in den letzten neun Tagen an manchen Orten kaum wieder zu erkennen: Im Sturm eroberten 6500 Athleten und Athletinnen aus aller Welt bei den Special Olympics World Games die Herzen vieler Berliner durch ihr liebenswertes und freundliches Auftreten. Wer kann dem Lächeln und der guten Laune, mit denen einem Sportler aus Costa Rica, Kenia, Norwegen oder Syrien in den Öffis begegnen, auch widerstehen? Sonst sitzen einem oft mürrische und genervte Zeitgenossen gegenüber, für die ein freundliches Gesicht eine Zumutung am frühen Morgen ist.

Für viele, die sich mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen oder dem Thema Inklusion und Teilhabe bisher gar nicht oder kaum auseinandergesetzt haben, war diese Sport-Großveranstaltung mit und für geistig beeinträchtigte AthletInnen, eine neue und positive Erfahrung.

Nicht selbstverständlich

Inklusiver Sport ist in Deutschland – im Gegensatz etwa zu den USA und Kanada, Großbritannien und den skandinavischen Ländern – noch immer keine Selbstverständlichkeit. Für Menschen mit geistiger Beeinträchigung gibt es in Deutschland kaum Sportangebote in Vereinen – und auch Verbände halten sich oft beim Thema Inklusion eher zurück.

Die Politik redet zwar viel über Inklusion, aber wenn es um konkrete Dinge wie Barrierefreiheit im Alltag oder speziell bei Sportstätten geht, guckt man nicht so genau hin. Hoffen wir, dass es jetzt nicht bei wohlwollenden Worten bleibt. Und dass auch bei den BürgerInnen der Schalter im Kopf umgelegt wurde, dass diese Games nicht eine einmalige „Menschel-Veranstaltung“ waren, sondern ein echter Durchbruch in Deutschland: Um Berührungsängste abzulegen und Inklusion im Alltag als normal zu über- und anzunehmen.

Anarchie und Emotion

In einer doch so vermeintlich perfekten Welt tut es gut, wenn nicht alles hochglanzbroschürenmäßig abläuft, sondern ein Hauch Anarchie und viele Emotionen einfach ihren Lauf nehmen. Nicht nur der Boss der Special Olympics, Timothy Shriver, auf dessen Mutter Eunice Kennedy Shriver diese Spiele zurückgehen, wurde bei der Eröffnungsfeier spontan von einem syrischen Athleten umarmt, der auf die Bühne stürmte. Auch mancher von uns erlebte in den letzten Tagen spontan „hugs“, Give-me-five-Handschläge oder einfach ein Wangenstreicheln. Empathie und Fröhlichkeit waren entscheidender bei den Wettbewerben als Sieg oder Niederlage. Und die AthletInnen steckten mit ihrer Freude am Leben nicht nur die rund 18000 freiwilligen Helfer an.

Nichts ist steril

Welch ein Unterschied zu glamourösen, sterilen und von ökonomischen und finanziellen Interessen dominierten andern Groß-Sportevents.

Danke an die Menschen, die diese Games möglich gemacht haben –  die freiwilligen Helfer –  und vor allem ein besonderes Danke sehr an die TeilnehmerInnen. Sie stehen nicht nur für das, was Sport so schön macht – für Freude, Spaß und Bewegung. Sie haben nicht nur Sportwerte vorgelebt, die anderswo schon lange über Bord geworfen wurden und damit bewiesen, welche Energie und Freude Sport in sich hat. Und geben kann. Sie belegten damit, dass das Motto der Games „Zusammen. Unschlagbar“ nicht nur Worte bleiben müssen. In einem Land, das immer mehr auseinanderdriftet, waren diese Special Olympics Vorbild für Zusammenhalt. Und nicht zuletzt: Sie haben einer oft schlecht gelaunten Stadt für einige Tage Herzenswärme gegeben und ein Lächeln aufgedrückt. Wäre schön, wenn auch das bliebe…