Mayer gibt dem DOSB einen Korb

CSU-Politiker zieht zurück / Bokel und Weikert im Rennen

Berlin, 14. November. Schlechte Nachrichten am laufenden Band für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB): Stephan Mayer will nicht mehr Kandidat für das Präsidentenamt sein, die Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker muss gehen, weitere Absetzbewegungen werden aus den Führungsgremien gemeldet. Und jetzt ist auch noch der amtierende Präsident Alfons Hörmann – zum dritten Mal geimpft – Corona positiv getestet, wie der DOSB meldet.

Betröppelt hätten viele VertreterInnen der Mitgliedsorganisationen dagesessen, als der (noch) Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenminiministerium, Stephan Mayer (CSU), nach einer „ ausgezeichneten Rede“, der versammelten Sportfamilie einen Korb gab: Der Bundestagsabgeordnete aus Altötting zog seine Kandidatur für das Präsidentenamt am Sonntag bei der Konferenz der Verbände in der Messe Düsseldorf zurück.

Da waren‘s also nur noch zwei, die NachfolgerIn von Alfons Hörmann werden wollen – Claudia Bokel, die Fechtpräsidentin, und Thomas Weikert, der ehemalige nationale und internationale Tischtennispräsident. Hinter verschlossenen Türen stellten sich die Bewerber und die Bewerberin den Fragen der VerbandsfunktionärInnen. Wirklich überzeugend sei nur der rhetorisch versierte Politiker Mayer gewesen, der nun passt. Weder bei Claudia Bokel noch bei Thomas Weikert wäre ein „Funke übergesprungen“, wie sich das mancher Delegierte offensichtlich für einen Neustart gewünscht hätte.

Nicht zumuten

Das Amt wollte sich aber selbst der in politischen Auseinandersetzungen erprobte CSU-Mann nicht antun. Der Jurist und Bundestagsabgeordnete Mayer begründete seinen Rückzug mit den Ereignissen der letzten Tage, berichten TeilnehmerInnen. Ein Wahlkampf würde dem deutschen Sport in der jetzigen Situation nicht gut tun, und die Gräben noch weiter vertiefen. Diese Einlassung des Bayern bestätigten auch die Sprecher, der Spitzenverbände, Jörg Ammon (Landessportbünde), Barbara Oettinger (Verbände mit besonderen Aufgaben) und Ingo Weiss (Spitzenverbände), auf einer Hybrid-Pressekonferenz nach Ende der Düsseldorfer Konferenz.

Was honorig rüberkommt, ist sicher auch Selbsterhaltungstrieb: Mayer zog aus seiner Sicht rechtzeitig noch die Bremse, wenn er sich selbst nicht beschädigen wollte. Und er könne dem deutschen Sport mit dem Rückzug mehr dienen als mit einer Kandidatur. Dass Mayer im Sport zu gegebener Zeit eine wie auch immer geartete Rolle übernehmen wird – dafür hat er mit seiner Kurz-Kandidatur gut für sich geworben.

Zurechtrücken

Überraschend dürfte der Rückzug seines Kollegen aus der Schwesterpartei für den Leiter der Findungskommission, Christian Wulff (CDU), gekommen sein, der gestern noch im Deutschlandfunk von den drei ausgezeichneten KandidatInnen schwärmte, die man vor allem wegen ihres „Charakters“ und ihrer Fähigkeit, Vertrauen herzustellen, ausgesucht habe. „Das wird eine schwierige Aufgabe sein, jetzt diese Dinge zurechtzurücken“, so Wulf weiter.

Zurechtrücken kann man im DOSB nicht mehr viel. Aufklärung und Vergangenheitsbewältigung sind angesagt. Dass dieser 14. November in Düsseldorf wirklich ein guter Tag und ein Neustart für den deutschen Sport war, wie Weiss mit seinen beiden MitkoordinatorInnen Ammon und Oettinger eingangs der Pressekonferenz sagte, sehen wohl nicht alle so. Und die morgendliche Parole von Weiss in Düsseldorf: „Wir müssen nach vorne schauen und uns nicht mit der Vergangenheit beschäftigen“, wird wohl ein Wunsch bleiben: Zu viele „Schmutzeleien“, um es mit dem geschäftsführenden Bundesinnen- und Sportminister Horst Seehofer zu sagen, sind passiert, die man nun nicht mehr unter dem Teppich kehren kann. Nicht zuletzt dank einer Karin Fehres. Hätte das ehemalige Vorstandsmitglied sich nicht öffentlich gegen die Vorwürfe gewehrt, sie sei laut einem in Auftrag gegebenen Sprachgutachten die Autorin des anonymen Briefes vom Mai, dann wäre vermutlich nichts oder kaum etwas passiert.

Das gibt Weiss in der Pressekonferenz zu. Ja, man gesteht den dreien vorne eine gewisse Überforderung zu, aber die vorgegebene Hilfs- und Ahnungslosigkeit befremdet. Gestandene Funktionäre wissen nicht, wie sie reagieren sollen? Vielleicht das Gutachten anfordern, das nun seit Freitag ein Grund für eine weitere Lawine ist, die über Sportdeutschland rollt?

Wie sieht es mit der Entlastung von Präsidium und Vorstand auf der Mitgliederversammlung am 4. Dezember in Weimar aus? Welche Mitglieder aus dem jetzigen Präsidium werden definitiv wieder antreten? Auch da gibt es bisher keine klare Antwort, ebensowenig wie Regie und Leitung der Mitgliederversammlung aussehen werden. Und ob Hörmann und Rücker dabei sein werden.

Aufklärung zugesagt

Zumindest: Die Ehrenpräsidentschaft – das wurde nochmal gesagt – ist ad acta gelegt. Jörg Ammon, Mitglied der DOSB-Finanzkommission, sagt Aufklärung zu. Dass im Haus des Sports nach dem Amtswechsel alle Unterlagen zu finden sind, davon gehen alle aus. Ob sich da dann auch die Unterlagen einer Detektei finden lassen, die Mailverkehr und Telefonlisten von MitarbeiterInnen im DOSB ausgeforscht haben sollen, wie in der Pressekonferenz gefragt wurde? Ammon und Weiss erklärten, davon sei ihnen nichts bekannt. Und Ingo Weiss muss zum Flieger.

Während also nach einem neuen Präsidenten oder einer neuen Präsidentin gefahndet wird, hat der Briefverkehr in Sportdeutschland rasant zugenommen. Nachdem am Samstag (13.11) die Vorstandsmitglieder Dirk Schimmelpfennig (Leistungsport), Christina Gassner (Sportjugend) und Thomas Arnold (Finanzen/Personal) bemüßigt fühlten, auf Distanz zum Führungs-Duo Hörmann/Rücker gingen, ging einen Tag später die Absetz-Bewegung weiter: Die VizepräsidentInnen Gudrun Doll-Tepper (Bildung) und Petra Tzschoppe (Frauen und Gleichstellung) sahen sich offensichtlich genötigt, die Stellungnahme von Hörmann/Rücker zu „ergänzen“. In ihrem Statement an die Sprecher der Verbände beziehen sie sich auf die Erklärung des Präsidenten und seiner Vorstandsvorsitzenden vom Freitag.

Nicht gebilligt

„Bezugnehmend darauf möchten wir klarstellen, dass wir erst durch das Schreiben von Dr. Karin Fehres Kenntnis von diesen Vorgängen erhalten haben. Wir waren zu keiner Zeit und an keiner Stelle über dieses Vorgehen informiert geschweige denn beteiligt. Wir hätten dies auch nicht gebilligt.“ Nicht erklärt hat sich Uschi Schmitz, Präsidiumsmitglied Leistungssport. Von ihr ist weder etwas zu hören noch zu lesen, ob sie die Absicht hat, wieder anzutreten.

Schimmelpfennig, Gassner und Arnold hatten nicht nur ihr Bedauern gegenüber Fehres ausgedrückt, sondern dem Präsidenten und der Vorstandsvorsitzenden vorgeworfen, sie hätten mit ihrem juristischen Vorgehen gegen Fehres gegen einen gemeinsamen Beschluss des Vorstandes gehandelt.

Überraschend hat dieses Schreiben auch Vorstand Arnold unterzeichnet, der in dem Fehres-Brief neben Rücker und Hörmann als der Dritte genannt wurde, der sie mittels einer Anwaltskanzlei bedrängt habe, sich als Verfasserin des anonymen Schreibens zu bekennen.

Der Vizepräsident (Sportentwicklung/Breitensport) Andreas Silbersack erklärte einen Tag nach dem Bekanntwerden des Briefes von Karin Fehres, seiner ehemaligen hauptamtlichen Mitarbeiterin, überraschend, dass er nicht mehr kandidieren wolle. Dabei wollten er wie seine Vizekollegin Leistungssport Uschi Schmitz abwarten, so war von dem Neustart-Koordinator Weiss zu hören, in welche Richtung die PräsidentInnenkür geht, um zu entscheiden, ob sie weiter am Präsidiumstisch sitzen wollen.

Es geht um Jobs

Die Unterstützungs-Front bröckelt also auch auf der Führungsetage. Kein Wunder: Schließlich geht es für die hauptamtlichen VorständInnen um viel: Um den Job. Und am Ende vielleicht auch um Haftungsfragen.

Und die Präsidiumsdamen Tzschoppe und Doll-Tepper möchten gerne wiedergewählt werden. Die Frage ist allerdings, ob ein Schreiben mit der Versicherung, nichts gewusst zu haben, reicht, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Ein Neuanfang, so ist aus den Mitgliedsorganisationen zu hören, geht eigentlich nur mit neuen Leuten.