Dank Rettungsschirm keine Bruchlandung

Die Arbeit von Jens Krüger und dem Corona-Team des LSB Berlin

Berlin, 25.Januar. Neben der gesundheitlichen Bedrohung machen vielen Menschen die sozialen, existenziellen und finanziellen Folgen Angst, die das Covid-19-Virus ausgelöst hat. Auch im deutschen Sport haben sich manche Verantwortliche in die Schar der fast nur noch klagenden Lobby-Organisationen eingereiht, die vor allem Geld fordern, weil Sportvereine und Verbände vor dem „Aus“ stehen. Ist das so? sportspitze.de hat bei denen nachgefragt, die an und mit der Basis arbeiten.

Jens Krüger ist beim Landessportbund Berlin der Mann der Zahlen – zuständig für Finanzen und Service. Seit elf Jahren ist der Brandenburger aus Teltow beim LSB. Seine Arbeit mache ihm immer noch Spaß – auch in diesen harten Zeiten. Seit die Pandemie sich nun vor einem Jahr tückisch in unser Leben einschlich, hat der 55-Jährige täglich noch mehr Zahlen auf dem Tisch: Mit einem Corona-Team versucht er betroffenen Berliner Vereinen zu helfen, die Probleme wegen Covid 19 bekommen haben. „Acht Mitarbeiter erledigen neben ihrer normalen Arbeit nun auch die Anträge der Vereine“, sagt Krüger.

Und zu tun gibt es eine Menge, seit dem vergangenen Frühjahr als das Team startete. Das Land Berlin hat sehr zeitig und sehr unkompliziert – wie die meisten anderen Bundesländer auch – einen Rettungsschirm für den Sport in Höhe von sechs Millionen Euro aufgespannt. Auch der LSB hatte sich schnell aufgestellt, um die Vereine zu unterstützen, die Einnahmeverluste wegen fehlenden Mitgliedsbeiträgen, Sponsorengeldern, geschlossenen Vereinsgaststätten und ausgefallenen Veranstaltungen zu beklagen hatten.

Da in Berlin die meisten Sportstätten dem Land gehören, haben die Vereine in diesem Bereich – im Gegensatz zu Bayern oder Baden-Württemberg – kaum Probleme. „Wenn ein Verein eigene Gast- und Sportstätten hat, dann kommen da schon schnell größere Ausfallsummen zusammen“, sagt Krüger, der damit etwa die 200 Millionen Euro Schadensberechnungen aus Bayern vom letzten Mai erklärt.

Plausibilität

Denn manchmal schleicht sich schon der Verdacht ein, dass sich da jemand mit Hilfe der Pandemie einiges schön rechnet. „Wir unterziehen die Anträge einer Plausibilitätsprüfung“, sagt Krüger. Beispiel: „Wenn das Sponsoring eines Vereins in den letzten drei Jahren im Schnitt 50 000 Euro war und nun plötzlich 300 000 entgangene Euro für das vergangene Jahr angegeben würden, dann macht das schon stutzig. Da würde natürlich nachgefragt“, erklärt Krüger. „Wir haben hier im Sport ja gegenüber anderen Gesellschaftsbereichen eine gute Datenbasis, wo wir auch bestimmte Dinge gut nachprüfen können.“ Und was auch die Auszahlungen nach eingängiger Prüfung zügiger im Gegensatz zu manch anderem Bereich möglich macht. „Da müssen ja viele Daten erstmal zusammengestellt  werden“, so Krüger, der sich über manche „Bürokratieklage“ dann schon wundert.

700 Anträge bisher

Von den 2500 Berliner Vereinen haben etwa 400 bisher finanzielle Hilfe beantragt, knapp 700 Anträge wurden gestellt für entgangene Einnahmen und  zusätzliche Kosten. „3,2 Millionen Euro sind bisher von den sechs Millionen ausgereicht“, sagt Krüger. Reichen werden die sechs Millionen sicher nicht.Der LSB ist mit der Politik deshalb im Gespräch.

Welche Vereine funken denn nun „SOS“? „Es geht querbeet durch die Landschaft, aber besonders sind natürlich Gesundheits– und Rehasportvereine betroffen. Und beispielsweise Pferdesportvereine, die ja auch hauptsächlich von Kursen leben. Und nun mehr Personal brauchen, weil die Mitglieder, die sonst die Pferde bewegen oder mit versorgen, ja jetzt nicht da sind.“

Den Vereinen werden mittlerweile auch Kosten für Hygienemaßnahmen erstattet – von Masken und Tests über Desinfektionsmittel bis hin zu Lüftungsgeräten. „Natürlich alles im vernünftigen Rahmen“, so Krüger. Gemeint ist: Sichere, zertifizierte, finanziell akzeptable Hilfsmittel. Beispiel: Ein Corona-Test darf bis zu 210 Euro kosten (Schnitt etwa 150-170 Euro) Oder Masken bis fünf Euro pro Stück werden bezahlt.

Nacharbeiten

Bei etwa 30 Prozent der Vereine müssen die Corona-Experten des LSB „nacharbeiten“. Das liegt daran – und da sind die Berliner nicht die einzigen mit dieser Erfahrung –, dass manche Anträge halt falsch ausgefüllt sind. Manche der Ehrenamtlichen sind nicht so in der Materie drin. Und auch überfordert. Beispiel: „Mit dem Begriff „freie Rücklagen“ können viele nichts anfangen. Das ist aber ein wichtiger Punkt, wenn man Unterstützung haben möchte“, erklärt Krüger. Problem erkannt – und deshalb bietet der LSB nun zu diesem Thema für seine Klientel eine Online-Schulung an.

Die Hilfe steht. Der Rettungsschirm bremst Bruchlandungen bisher ab. Krüger, der gleichzeitig stellvertretender Direktor  im LSB ist, hält nichts von zurzeit fast täglich erscheinenden, nicht belastbaren finanziellen Hochrechnungen und daraus resultierenden Schadensszenarien, die in Pleiten enden sollen. Viele andere stimmen ihm da zu.

Nicht nur die finanzielle staatliche Hilfe, wo sich Bund und Länder auch im Profisport (außer bei Fußball-Bundesligen) großzügig zeigen, ist ein Grund, warum Krüger nicht an Vereinspleiten aus Coronagründen glaubt. „Die Vereine haben sich in der Krise sehr flexibel gezeigt und ganz viele kreative Dinge auf die Beine gestellt – etwa digitale Kursangebote.“ Krüger, selbst Fußball– und Badmintonspieler, weiß, wie Vereine und ihre Mitglieder ticken. Und er ist sicher, dass sie nach der Pandemie den neuen Herausforderungen gewachsen sind. Für ihn gehören zur Vereins-Zukunft „Flexibilität und Innovation“ etwa im Angebot und Zeitmanagement. Und nicht zuletzt wird Jens Krüger vermutlich nach der Pandemie ein Plus an Mitgliederzahlen in Berlin in seine Excel-Tabellen aus einem weiteren Grund eintragen können: Für viele Vereinsmitglieder, aber auch Neueinsteiger, die jetzt alleine Sport treiben müssen, werden Team und Mannschaft – das Miteinander, die Geselligkeit eine große Rolle spielen. Und der Spaß. Denn Verein ist da, wo Lebensfreude in Bewegung ist.