Sport-Baustellen mit Kettenreaktion

DOSB hat Probleme mit der Reform-Umsetzung/ Mangelnder Veränderungswille und fehlende Solidarität

Berlin, 20. Juni. Nicht Überzeugung, sondern Versprechungen waren der Grund, warum am 3. Dezember 2016 in Magdeburg die Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ohne öffentlichen Widerspruch der„Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung“ zustimmte. 98,6 Prozent sagten damals „Ja“ zu dem Konzept, das Bundesinnenministerium (BMI) und DOSB erarbeitet hatten. Und das schon während, kurz vor und unmittelbar nach der Verabschiedung auf wenig Beifall, aber umso mehr auf heftige Kritik stieß. Dass Chaos und Streit folgen würden, war abzusehen. In dieser Woche haben in Berlin die Spitzensportverbände ihr routinemäßiges Meeting, bei dem es laut Tagesordnung Mittwoch und Donnerstag hauptsächlich um die Umsetzung der Reform gehen wird. Außerdem stehen ein DOSB-Wahlhearing mit Bundespolitikern und ein anschließender Parlamentarischer Abend an. Großkampfwoche des Sports in der Hauptstadt.

Seit jenem denkwürdigen 3. Dezember – also vor gut einem halben Jahr – versucht nun der DOSB das Konzept umzusetzen. Oder wie die beiden Männerfreunde und Reformväter Bundesinnenminister Thomas de Maizière und DOSB-Präsident Alfons Hörmann es so schön formulierten: „mit Leben zu füllen“.

Leben ist schon in der Bude, aber nicht so, wie es die Bosse eigentlich gemeint hatten. Denn nun dämmert so manchem Verbandsvertreter, worauf er sich da eingelassen hat. Es läuft ganz und gar nicht so, wie das sportintern gern auch vom Präsidenten oder vom Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper kommuniziert wurde. Etwa, wenn es um die Finanzen geht.

Nur ein Echo hallt 

Und spätestens seit dem jüngsten Briefwechsel zwischen dem BMI-Sportabteilungsleiter Gerhard Böhm auf der einen Seite und dem DOSB-Vorstand Leistungssport Dirk Schimmelpfennig sowie dem Sprecher der Spitzenverbände, Ruderpräsident Siegfried Kaidel auf der anderen Seite, fühlen sich viele, vor allem jene, die in den Verbänden im operativen Geschäft zu Gange sind, „wieder mal wie durch den Wolf gedreht“. Turbulenzen und Verunsicherung lösten am Ende auch zwei Antwortschreiben von Kaidel und Schimmelpfennig auf den Böhm-Brief aus, wo er mitteilte, dass von dem angemeldeten Mittelbedarf von 39 Millionen nur acht Millionen genehmigt wurden. Daraufhin drohte der DOSB die Reform platzen zu lassen, weil man die Aufnahme in den Haushaltsantrag im Sport als feste Zusage verstanden haben wollte. Ein gutes Beispiel dafür, wie man „Missverständnisse“ provoziert, pflegt und nutzt, um jeweils dem Partner den Schwarzen Peter zuzuschieben.

Man wollte ja mit Wahrheit, Klarheit und Transparenz das Reformgeschehen angehen. Die drei Wörter, ständig strapaziert von Alfons Hörmann und Thomas de Maizière, hallen den Sportverantwortlichen nach wie vor in den Ohren. Doch außer dem Echo spüre man so gut wie nichts in dieser Richtung, sagen die.

Ganz im Gegenteil: Das Sch…-Wort, das französisch mit M…. beginnt und dadurch auch nicht feiner wird, ist am Telefon oder auch auch im persönlichen Gespräch zu hören, wenn man nachfragt, wie es denn reformtechnisch so laufe. Und selbst die ruhigsten Zeitgenossen unter den Sportverantwortlichen vergessen ihre Kinderstube: Chaos, Wut, Verärgerung sind die dann folgenden Gemüts- und Situationsbeschreibungen. Oder Resignation. „Was so in den letzten Wochen los ist – nee, ich habe einfach keine Lust mehr“, sagt ein Leistungssportverantwortlicher in einem Landessportbund. Und ein Kollege wartet auf einen „definitiven Knall. So kann das nicht weitergehen. Wir werden von allen nur noch vorgeführt. Und wenn sich die Verbände das weiter gefallen lassen, dann haben wir es nicht anders verdient.“ Kommt einem so bekannt vor. Hörte man alles schon im vergangenen Jahr.

Ärger und Druck

Der Ärger richtet sich vor allem auch gegen den DOSB. Warum? Nach Verbandsgesprächen sind manche ganz schön aufgebracht. Im Vorfeld würden da schon finanzielle Bedarfsanmeldungen „ohne Diskussion“ abgelehnt. Nachfrage unerwünscht. Oder in den Protokollen finde man den Gesprächsverlauf nicht wieder. Widerspruch sei zwecklos oder hätte vielleicht Folgen. Von Druck ist die Rede. Deshalb das bekannte Bild: Öffentliche Kritik kommt von den wenigsten. Und wenn, dann haben die nichts mehr zu verlieren. Oder haben ihre Angelegenheiten schon auf anderen Wegen, unter Umgehung des DOSB halbwegs mit den/dem Geldgeber(n) geklärt. So viel zur Solidargemeinschaft Sport, wo nun jedem sein eigenes Hemd näher ist als das der anderen.

Während die einen kritisieren, setzen andere fleißig um und schaffen schon mal Fakten. Wie etwa der Ruderverband, der mit dem Festlegen von Männer- und Frauenstützpunkten vor allem die Vereine, die maßgebliche Leistungsträger sind, gegen sich aufbrachte.

Oder die Schwimmer. Da ist nun der Cheftrainer Henning Lambertz offensichtlich nicht nur als sportfachlicher Experte im Einsatz. Sondern auch als sportpolitischer Lautsprecher des deutschen Schwimmverbandes (DSV).

Und erledigt damit gleichzeitig die eigentliche Arbeit der nicht mehr ganz so neuen Präsidentin im Amt, Gabi Dörries, vormals Vorsitzende der DSV-Sparte Schwimmen, die sich offensichtlich sportpolitisch gerne öffentlich heraushält und meist auf Tauchstation ist. In einem Interview der „Frankfurter Rundschau“ stellte sie sich aber vor ein paar Tagen nicht nur Journalistenfragen, sondern auch hinter ihren Cheftrainer. Und zeigt sich auch reformgläubig: „Wir glauben an den Effekt der Zentralisierung“, sagt sie. Ein Blick in das DSV-Archiv würde ihr sagen, dass Zentralisierungsversuche gerade im DSV bisher immer eine unsägliche Geschichte waren.

Umsetzung 1:1

Jahrzehntelang scheitere der DSV am Schmusekurs und Nachgeben gegenüber Landesfürsten und vor allem Heimtrainern, die alle ihr eigenes Ding durchzogen. Nun will es der DSV aber wissen, alles jedenfalls anders machen. Und ist ein gutes/schlechtes Beispiel – je nach Standpunkt des Betrachters – für diese Reform, will man sie denn wie er, 1:1 umsetzen. Mal abgesehen, dass Lambertz’ Konzept fachlich umstritten ist, tritt der DSV bei der Umsetzung knallhart auf. Unsensibel und rücksichtslos beschreiben es die, die es trifft: Trainer und Aktive. Wer nicht mitzieht, bekommt die Antwort postwendend – es folgen Kündigung oder Rausschmiss. Paul Biedermann, ehemaliger Weltklasseschwimmer, kritisierte in der „Süddeutschen Zeitung“, dass der Bundestrainer versuche, „allen seine Doktrin aufzudrücken, von der nur er selbst überzeugt ist“.

Die Bitternis hat einen Grund: Biedermanns langjähriger Heimtrainer Frank Embacher, ein Gegner des Lambertzschen Konzepts, bekam die Kündigung als früherer Stützpunkttrainer in Halle an Weihnachten, weil ihn, so ist zu lesen, der neue Weg nicht überzeugte. Auch Athleten sind gefährdet, wenn sie sich querstellen, wie die Schwimmerin Vanessa Grimberg. Sie wollte nicht von Stuttgart an den Stützpunkt Heidelberg wechseln und verliert ab 1. Juli ihre Anstellung als Sportsoldatin bei der Bundeswehr.

Ein großes Talent wie der Freistil-Schwimmer Florian Vogel beendet mit 22 Jahren seine Karriere. Motivationsprobleme, zu denen  nicht nur seine Verletzung und das damit verbundene härtere Training um das alte Leistungsvermögen zu erreichen, gehören, gibt er offiziell als Gründe an. Auch  die Querelen und die unsichere Zukunft als Athlet im Spitzensportsystem haben ihm das Hinwerfen sicher erleichtert. Und damit steht er mittlerweile in einer Reihe von Athleten aus den unterschiedlichsten Sportarten, die bereits vor ihm mit ähnlichen Argumenten ausgestiegen sind.

Da der umstrittene Cheftrainer Schwimmen hauptsächlich für den DSV auftritt, finden die anderen Sportarten, die es im DSV auch noch gibt, allerdings kaum Beachtung: Kunstspringen, einst eine Medaillenbank, Synchronschwimmen und Wasserball – offensichtlich zu vernachlässigen.

Reform nur mit Veränderungswillen

Wer Reformen will, muss auch bereit sein, etwas zu ändern. Somit wäre der DSV ja auf gutem Kurs, was man in dieser Hinsicht nicht unbedingt von anderen Verbänden sagen kann, die am liebsten alles so lassen würden, wie es ist. Oder nur kosmetische Veränderungen gut fänden, aber trotzdem viel Geld haben wollen.

„Man kann keine Reform machen, wenn man nichts verändern will“, hat der Bundesinnenminister Sportdeutschland schon mehrmals ins Gewissen geredet. Aber mancher Verantwortliche war sich immer sicher, das gelte nur für andere, nicht für seinen Verband. Veränderungswillen schwach ausgeprägt – geht doch auch so. Bisher jedenfalls.

Der Begriff Spitzensportreform wurde zu einem elektrisierenden Schlagwort, das viele Betroffene und Beteiligte – AthletInnen, TrainerInnen, ehrenamtliche FunktionärInnen und hauptamtliches Verbandspersonal – hauptsächlich noch immer in Rage anstatt in Begeisterungsstürme versetzt. „Einigen, und nicht nur in meinem eigenen Verband, geht jetzt erst der Seifensieder auf“, sagt ein Sportdirektor und erntet Zustimmung von Kollegen.

Alle Beteiligten versuchen nun den Spagat zwischen aktuellem operativem Geschäft in einem olympischen Zyklus und gleichzeitig die Implementierung des neuen Konzeptes hinzukriegen. Mit dem soll ja ab 1.1.2019 gearbeitet werden.

Doch die ersten Umsetzungsschritte zeigen, dass das nicht so einfach ist. Kritiker sagen, es fehlt ein koordinierender Umsetzungsleitfaden.Und: Es werde auf zu vielen Baustellen gleichzeitig und – so scheint es jedenfalls – planlos gebuddelt. Ohne zu wissen, worauf man genau stößt, welche Aktionskabel verlegt oder vernetzt werden müssen. Naheliegend wäre, so ein Vorschlag, das Gespann Athlet/Trainer in den Fokus zu nehmen und drumherum ein funktionierendes System und Strukturen aufzubauen. Der DOSB müsse umdenken, sich als Serviceleister und nicht als allein bestimmender Herrscher über den deutschen (Spitzen-) Sport verstehen, sagen andere.

Überforderung

Die Beteiligten aus dem Sport zeigen deutliche Anzeichen von Überforderung: Verbände, SportlerInnen und TrainerInnen sind verunsichert und genervt, weil sie nicht wissen, wie die naheliegende Zukunft in der Übergangszeit, geschweige denn die fernere Zukunft mit der Reform für sie aussieht.

Professor Lutz Thieme lehrt an der Hochschule Koblenz u. a. Sportmanagement und Sportökonomie. Und beschäftigt sich mit den vielen Facetten des Sports vom Verein bis zur Spitze. Dass es so viel Kritik am DOSB gibt, wundert ihn nicht: „Der Gesamtüberblick allein reicht nicht, um ein Konzept umzusetzen. Man muss auch sicher sein, über die finanziellen, personellen und strukturellen Ressourcen zu verfügen, um das Konzept umzusetzen.“

Jede Baustelle, jeder einzelne Schritt im teilweise fragilen Gesamtkonstrukt Sport hat Folgen. Es tritt immer eine Wechselwirkung ein, die manchmal nicht einzuschätzen ist. Etwa, wenn der Föderalismus ins Spiel kommt.

Eine Großbaustelle, die der DOSB angehen muss, ist das Reduzieren der Bundesstützpunkte. Im Konzept sind 204 aufgeführt (ohne Behindertensport). Davon, so heißt es in dem Papier, sollen mindestens 20 Prozent gestrichen werden. Problem eins: Diese Stützpunkte sind für viele Verbände nicht nur sportfachlich, sondern oft auch landsmannschaftlich bedingt, keine Verhandlungsmasse.

Problem zwei: Die Stützpunkte werden nicht nur vom Bund, sondern auch von den Ländern und den Kommunen mitfinanziert. Daher gilt es nun alle Beteiligten zu überzeugen, warum ein Stützpunkt bleiben oder geschlossen werden soll. Aber auch, warum man bei einer Schließung weiter das föderale Geld braucht.

Problem drei: Eine Schließung setzt eine Art Kettenreaktion in Gang, und es folgt ein weiterer Rattenschwanz an Problemen. Wo sollen die SportlerInnen in Zukunft trainieren? Welche TrainerInnen werden weiterbeschäftigt? Gibt es andere Stellen, um sie umzusetzen? Wer soll Umzüge und Lehr-, Schul- oder Studienplätze organisieren bzw. bezahlen? Wer übernimmt das Gehalt der Angestellten, wenn es die Mischfinanzierung nicht mehr gibt? Das sind nur einige Fragen, die nach Antwort suchen. Überzeugungsarbeit ist gefragt.

Gefahr der Verselbständigung

Man muss also aufpassen, dass man nicht zu früh ein Baustellenloch schließt. Oder dass sich Bauarbeiter samt Baustellen verselbständigen, weil sie glauben, mit einer exklusiven kosmetischen Reparatur und viel Geld sei alles erledigt. Thieme bezweifelt stark, dass „mehr Geld als einzige Ursachenbehebung“ ausreicht. Denn: „Ob mehr Geld die Effizienz steigern wird, muss sich ja erstmal zeigen. Und wer wie der DOSB einen Steuerungsanspruch erhebt, der muss auch inhaltlich überzeugen“, sagt der Professor, der den Sport nicht nur theoretisch erforscht, sondern auch praxiserfahren ist: Als Vorsitzender der SSF Bonn. Intensiv setzte er sich vor kurzem auch mit der „potenzialorientierten Fördersystematik für den deutschen Spitzensport“ auseinander.

Steuern will der DOSB – jetzt erst einmal zusammen mit dem BMI die Umsetzung nach einem gemeinsam vereinbarten Zeit- und Ablaufplan, den Experten als „ziemlich.ambitioniert“ bezeichnen. „Wenn Reformen dauerhaft sein sollen, müssen sie langsam durchgeführt werden“, wusste schon der Staatsmann Niccolo Machiavelli. Weil, es kann ja manchmal nicht so laufen, wie geplant. Und das passiert nun gerade dem DOSB, der sich ohne Not irgendwie selbst mit der Zeitschiene unter Druck gesetzt hat. Und nun schon mal in Verzug geraten ist.

Die Verbandsgespräche sollten, so hieß es bisher, Mitte Juli beendet sein. Nun gilt als Deadline „Ende Sommer“. Bis 31. Juli sollte die Streichliste der Bundesstützpunkte beim BMI vorliegen. Auch der Termin wird wohl nicht eingehalten werden können, da sich DOSB, Verbände und Länder noch immer nicht einig sind. Der DOSB hat nun die Landessportverbände, die ihm ja sonst eigentlich ziemlich egal sind, als „Best Buddys“ entdeckt, weil er sie braucht. Die sollen ihm zur Seite stehen bei den Verhandlungen mit den Ländern, die genauso unterschiedlich agieren wie die Landessportbünde. In diesen Gesprächen mit der Bund-Länder-Kommission geht es auch um Talentfindungs- und Nachwuchskonzepte. Oder die Optimierung und Förderung des wissenschaftlichen Verbundsystems. Und um die Verkleinerung der Kaderzahlen. Auch das ist ein Punkt im Konzept. In Zukunft soll es 1000 Kaderathleten weniger geben. Das ist aber die einzige greifbare Zahl, denn die aktuelle Kaderzahl variiert: „Das kommt darauf an, wen Sie fragen“, ist die Standardantwort aus Verbänden oder von Olympiastützpunkten., wenn man sich erkundigt. Doppelte Meldungen von Athleten gibt es offensichtlich nach wie vor. Transparenz?

Zauber jedes neuen Anfangs

Für die soll ja nun die PotAS-Kommission sorgen. Und sie soll, liest man das Konzept, der Anfang allen neuen Zaubers im deutschen Spitzensport sein. Doch der Anfangs-Zauber ließ Monate lang auf sich warten: Die Kommission wurde offiziell erst am 8. Mai berufen, weil der DOSB offensichtlich Probleme hatte, geeignete Kandidaten zu finden.

Das Gremium unter Vorsitz des Sportwissenschaftlers und Sportpsychologen Professor Bernd Strauß soll der Dreh- und Angelpunkt für die Zukunft der Verbände sein, so sieht es die Reform vor. Nun ist man dabei, eine Geschäftsstelle einzurichten, die an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster angedockt ist, geeignetes sportwissenschaftlich und IT-erfahrenes Personal einzustellen,, um richtig loslegen zu können.

Untätig waren Strauß und einige Co-Mitglieder auch vor ihrer offiziellen Ernennung nicht: Sie haben sich bei Verbänden umgesehen, und sich einen Plan zurechtgelegt. Erste Baustelle, die man in Angriff genommen hat, ist die Attributsliste. „die wir uns genau anschauen und nach Bedarf überarbeiten werden“, sagt Strauß im Gespräch. Denn nach dieser Liste werden u.a. die Verbände bzw. Sportarten/Disziplinen in drei Cluster eingestuft. Zur Erinnerung: Es gibt ein Exzellenzcluster. Das bedeutet Optimalförderung für diejenigen mit Medaillenpotenzial. Im Potenzialcluster gibt es die Möglichkeit, Athleten individuell zu fördern oder Mittel für Nachwuchsmaßnahmen und Strukturverbesserungen zu bekommen. Im dritten Cluster landen diejenigen, die nur minimale Erfolgsaussichten haben. Sie sollen aber eine Art Basisförderung bekommen.

Und diese Cluster-Einteilung ist Grundlage für die Förderung der Verbände, über die BMI, DOSB und die Länder entscheiden werden. „Deshalb muss man sich da wirklich individuell mit jeder Sportart genau auseinandersetzen“, sagt Strauß weiter. Und er ging schon Ende Mai davon aus, dass es mit ersten erkennbaren Arbeitsergebnissen erst mal nicht so schnell gehen wird, wie wohl mancher dachte. Er betont, dass „wir als Kommission nicht alle fachspezifischen Probleme sehen oder lösen können. Wir sind deshalb auch auf vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Verbänden angewiesen.“ Alleiniger Bestimmer über Ach und Wehe eines Verbandes, einer Sportart/Disziplin? „Nein, das möchte die Kommission nicht sein. Und auch nicht so verstanden werden“, führt der Kommissionsvorsitzende aus. „Wir empfehlen, aber wir entscheiden nicht.“ Dass mit der Empfehlung eine Art Vorentscheidung getroffen wird, sieht Strauß auch nicht so.

Mittlerweile haben einige Verbände die Kommissionsmitglieder kennengelernt. Und mancher, der bisher sehr skeptisch war, sieht nach der Begegnung mit der PotAS-Kommission nicht mehr ganz so schwarz: „Die geschilderte Vorgehensweise und die Inhalte machen Sinn. Alles in allem waren die Ausführungen sehr positiv. Ich bin angenehm überrascht“, sagt ein Teilnehmer eines Treffens. Andere bleiben bei ihrer Ablehnung.

Befremden

Positive Resonanz und Rückmeldungen gibt es in diesen Tagen in Alfons Hörmanns Sportdeutschland eher selten. Auch die jüngsten schriftlichen Auseinandersetzungen zwischen BMI und DOSB in den letzten Wochen blieben nicht ohne neue negative Eindrücke bei BürgerInnen und Sportfans. Nicht nur der raue Umgangston befremdet viele.

Diese letzte Auseinandersetzung sagt viel darüber aus, wie schwer Kommunikation, vertrauensvolle und sachorientierte Zusammenarbeit sein können, wenn nicht nur persönliche Animositäten, sondern auch Machtambitionen eine Rolle spielen. Oder es gar um die Frage geht: Wer diktiert, was Sache ist? So kehrt man zwangsläufig zum Anfang der Reform-Geschichte zurück, die unter schlechten Vorzeichen startete.

Klar waren damals nur vier Dinge: Zum ersten herrschte Einigkeit zwischen BMI und DOSB, dass etwas passieren muss, um wieder vorne dabei zu sein. Damit war der Konsens auch schon dahin. Das Ministerium forderte zweitens effektivere Arbeit und drittens mehr Medaillen. Und verkündete sein unumstößliches Credo: Es gibt erst dann mehr Geld, wenn die Reform umgesetzt ist. Das war Punkt vier. Der DOSB ging mit der Vorstellung und dem Anspruch in die Verhandlungen, dass man nur auf Reform-Touren komme, wenn es erheblich mehr Geld gebe.

Dass das BMI seine knallharte Haltung durchziehen würde, daran wollte im Sport keiner glauben, nicht zuletzt deshalb auch, weil die DOSB-Führung den Anschein vermittelte, den finanziellen Aspekt der Reform im Griff zu haben.

Runderneuerung mit altem Personal?

Dass man nun nicht weiß, wie das alles weiter geht – in diese Situation haben sich die Verbände auch durch fast unglaubliche Naivität und Mutlosigkeit selbst gebracht. Sie kritisierten stets die schlechte Kommunikations- und Informationspolitik des DOSB, regten sich über die Hinterzimmerdiplomatie von Hörmann und Co. auf, waren aber nicht bereit, dagegen etwas zu unternehmen. Klagen und Kritik ja, aber – nicht öffentlich, weil sie Sanktionen durch den DOSB befürchten Nur wenige stell(t)en sich. „Wer auf Hinterzimmergespräche setzt und sich auf persönliche Verbindungen verlässt, der erlebt das, was die Verbände jetzt erleben“, sagt Thieme. Deshalb: Wenn schon Runderneuerung im deutschen Sport, dann muss man auch eine neue, offene Streit- und Diskussionskultur entwickeln. Und über sportpolitisches Unvermögen, mangelnde Durchsetzungskraft und miserables Krisenmanagement des agierenden DOSB- Führungspersonals endlich auch mal öffentlich reden.