Absurdes Theater im DOSB

Medaillen sind plötzlich nicht mehr so wichtig / Reform unterlaufen / BMI überrascht

Berlin,7. Februar. Nanu – was ist denn jetzt passiert? Man muss den Bericht des Sport-Informationsdienstes (sid) schon zweimal lesen, um glauben zu können, was da steht: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) schafft für die Winterspiele in Pyeongchang 2018 die Medaillenprognose ab, die ein steter Stein des Anstoßes war.

Der Vorstand Leistungssport im DOSB, Dirk Schimmelpfennig, der in Südkorea auch Chef de Mission sein wird, sagt in dem sid-Interview, man werde mit den Verbänden „die Ziele aktualisieren. Für uns ist der Ansatz, dass man den Leistungssport nicht auf Medaillen reduzieren sollte.“ Und setzt noch eins drauf: „Selbstverständlich bleibt es dabei, dass wir Medaillen gewinnen wollen. Aber wir freuen uns auch über Weltklasseleistungen, die sich im unmittelbaren Umfeld der Podestplätze bewegen, oder über Athleten, die ihre Bestleistung erreichen.“ Allerdings räumt er ein, dass die Ergebnisse von Sotschi doch Maßstab sein werden. Damals gewannen die Deutschen 19 Medaillen – prognostiziert waren 27 bis 42.

Trendwende contra Credo

Nun wären die Aussagen, dass Edelmetall nicht mehr das Maß aller Förder-Bedingungen sein soll, ja als erfreuliche Trendwende anzusehen. Gäbe es da nicht die Spitzensportreform, an der DOSB und Bundesinnenministerium zwei Jahre bastelten. Und da hatten Minister Thomas de Maizière und DOSB-Präsident Alfons Hörmann das unumstößliche Erfolgs-Credo „Medaillen“ ausgegeben. Bis jetzt jedenfalls. Die Mitgliederversammlung, die vorher entsprechend eingenordet wurde, stimmte in Magdeburg mit 98 Prozent nahezu widerspruchs- und widerstandslos zu – trotz vorangegangener heftiger Kritik hinter verschlossenen Türen.

Und nun rudert der DOSB zurück. Und konterkariert die eigene Reform, die ja 2019 -so der Plan – umgesetzt werden soll. Wobei Dirk Schimmelpfennig in der Rückwärts-Bewegung aber keinen Widerspruch zum Leistungssport-Konzept sieht.

Ist das der Einstieg in den Ausstieg aus der umstrittenen Reform, den der sportpolitische Sprecher der Linken, Andre Hahn, schon im Herbst prophezeite?

Nachgeben

Oder ist das ein Nachgeben gegenüber den Verbänden, die in vielen Dingen nicht so wollen, wie die DOSB-Verantwortlichen es gerne hätten? Und weil sich die Versprechungen der DOSB-Bosse aus den letzten Monaten als leer erweisen? Sie hatten noch mehr Geld gefordert und erwartet, als sie bekamen – auch für die Übergangsphase. Was bei Hörmann zu einem seiner Rumpelstilzchen-Anfällen führte – warum, erklärt sich vielleicht jetzt.

Vielleicht ist es aber auch nur eine vorbeugende Maßnahme, weil man fürchtet, dass das mit den Medaillensammeln noch schlechter ausgehen könnte als in Sotschi? So richtig einen Reim auf den Salto Rückwärts aus heiterem Himmel kann man sich nicht machen.

Komplexere Ziele

Man wolle, sagt Schimmelpfennig, das Bewusstsein für den Leistungssport „auch dadurch schärfen, dass wir komplexere Ziele setzen“. Zu beachten seien auch sportpolitische Entwicklungen wie der Anti-Doping-Kampf. Schön, aber diese Erkenntnisse hätten die DOSB-Funktionäre auch schon vor ihrem Reformvorhaben und vor allem vor der Abstimmung haben können.

Überrascht wurde man von der „neuerlichen Pirouette“ des DOSB beim Bundesinnenministerium. Das sei weder angesprochen noch besprochen worden, hieß es da. Nicht erfreut über die Aktion dürfte auch der Minister sein, der zum wiederholten Mal vom Sport vorgeführt wird.

Nur 27 Prozent

„Ich habe Vertrauen, dass deutsche Sportfunktionäre moralisch integer handeln und die Einhaltung von Fair-Play und Unbestechlichkeit beachten“. Diesem Satz stimmten nur 27 Prozent der Befragten laut einer Studie der Deutschen Sporthochschule Köln zu, in der  es um die Akzeptanz des Spitzensports in der Bevölkerung ging. Eine vertrauensbildende Maßnahme ist dieser neuerliche Eiertanz sicher nicht. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Man darf gespannt auf das Haltbarkeitsdatum der Schimmelpfennigschen Aussagen sein. Und welche Kapriole die DOSB-Truppe als nächste schlägt. Absurdes Theater.