US-Ermittler öffnen das FIFA-Gate

Mitglieder des Fußballweltverbandes in Zürich verhaftet – Kommunikationschef wehrt Fragen ab und nimmt Blatter nur in Schutz

Berlin, 27. Mai. Nun hat es also wirklich geknallt. Der vermeintlich unantastbaren FIFA fliegen die Brocken um die Ohren, die Sünden holen sie ein. Und glaubt man der US-amerikanischen Justizministerin Loretta Lynch und FBI-Direktor James B. Comey, dann ist das erst der Anfang, was sich da in Zürich und den USA am Mittwoch mit den Verhaftungen von Exekutivmitgliedern der FIFA und ehemaligen Partnern getan hat.

Geldwäsche, Bestechung, Veruntreuung, Korruption. Knallhart zählten die US-amerikanischen Ermittler bei einer Pressekonferenz in New York die Verbrechen auf. Bisher wurden 14 Verdächtige festgenommen. Seit langem verfolgten die US-Behörden FIFA-Angehörige und deren Machenschaften. Illegale Deals seien seit den 1990-er Jahren in den USA gelaufen. „Sie haben es immer wieder getan, von Turnier zu Turnier“, sagte Lynch. Gnade können sie nicht erwarten – bis zu 20 Jahre Gefängnis drohen.

Die Täter haben nicht mit der knallharten US-Steuerbehörde gerechnet, der der Ruf vorauseilt, wen sie mal im Fokus hat, den lässt sie nicht mehr los. Und dem FBI, dass es sich in einen Fall verbeißen kann. Und der mit Mafia-Machenschaften und -Bossen erfahrenen New Yorker Staatsanwaltschaft, der auch die heutige Justizministerin angehörte, die selbst gegen die FIFA ermittelte. „Man muss Geduld haben, um die verschiedenen Netze zusammenzufügen. Die Geduld hatten wir“ sagte der leitende Oberstaatsanwalt Kelly T. Currie, der mit vier weiteren Staatsanwälten ermittelte.

Nicht nur der Postman klingelt

Nun müssen nationale und kontinentale Verbände, Funktionäre und Funktionärinnen, Sportvermarkter, Sponsoren und auch der eine oder die andere PolitikerIn nicht nur auf dem gesamten amerikanischen Kontinent darauf gefasst sein, dass an ihrer Tür außer dem   Postman auch die Polizei klingelt. Weltweit wird der eine oder andere nun überlegen, ob er der nächste ist, den es erwischen könnte. An einer Schautafel zeigten die Ermittler während der PK die Verknüpfung, des „korrupten Finanzsystems der FIFA“ (FBI-Direktor Comey). Millionen, so die Ermittlungsergebnisse, sind geflossen, die sich einzelne FIFA-Verantwortliche in die eigene Tasche gestopft haben: Sie haben ihre Stimme verkauft, sie haben ihre Position benutzt, um Rechte und Veranstaltungen zu verhökern, sie haben auch andere Gefälligkeiten für ihr Wohlwollen entgegengenommen.

Eiernder Kommunikationschef

Alle Vorwürfe gegen die FIFA der letzten zwanzig Jahre scheinen die Ermittlungen nun zu bestätigen, darunter auch, dass die WM-Vergabe nach Südafrika mit Schmiergeld beeinflusst wurde, dass auch bei der Vergabe des COPA America, der 2016 in den USA stattfinden soll, 101 Millionen Euro Bestechungsgeld im Spiel (gewesen) sind. Und es kommt nicht von ungefähr, dass die Schweizer Staatsanwaltschaft nun ein Ermittlungsverfahren wegen der Vergabe der WM an Katar und Russland eingeleitet hat. Wie gesagt: Das ist erst der Anfang des FIFA-Gates – gegen weitere 25 Mitverschwörer wird aktuell ermittelt, sagt die US-Justizministerin.

Auch für den Kommunikationschef der FIFA, Walter De Gregorio, wurde dieser Mittwoch zu einem Super-GAU. Am Donnerstag soll der FIFA-Kongress beginnen, bei dem Josef Blatter wieder zum Verbandspräsidenten gewählt werden will. Es sei gut für die FIFA, dass das nun passiert sei, sagt der Medienmann. Erstaunen bei den Journalisten und Journalistinnen? Wie jetzt? Die FIFA habe ja schon alles getan, was sie tun konnte, um die Vorwürfe zu entkräften. Und man kooperiere. Man sei überrascht worden von der Aktion. Präsident Blatter sei gelassen, nicht beunruhigt. Nachfrage. Wie kann er ruhig sein? Nein, er ist jetzt nicht so gelassen, sondern schon betroffen. Gegen ihn liege ja nichts vor. De Georgio eiert durch die Pressekonferenz, ist genervt und antwortet entsprechend. Nein, man werde den Kongress nicht verschieben, ebenso wenig wie die Wahlen. Wieso auch? Liegt ja wohl nahe, Mister PR. Pilatus wäscht die Hände in Unschuld – oder in diesem Fall: Herr De Gregorio wäscht die Hände seines Herrn rein, dem er loyal zur Seite steht. Die PK wird somit zu einer einzigen Peinlichkeit.

Wie lange noch Blatter?

Wie lange will Joseph Blatter die Rolle des nichts und von nichts wissenden Unschuldslamms durchhalten? Hat er nicht einmal selbst gesagt, ohne ihn gehe nix? Die Unschulds-Rolle glaubt(e) ihm jetzt und früher kaum jemand. Er ist 40 Jahre bei der FIFA. Zu nah war er erst als Generalsekretär am Geschehen. Und seit 17 Jahren ist er als Präsident der Strippenzieher, der keinen Widerspruch duldet. Setzt er auf gemeinsame Leichen im Keller mit Leuten, die ihn vielleicht noch aus der Bredouille retten könnten und mit ihm den Schulterschluss suchen? Oder sieht er sich gar nicht in der Klemme? Ist er einfach sicher, dass ihm nichts passieren kann, und er wird wieder gewählt? Ist dieser (alters-)sture 79-jährige wirklich nicht zu fassen? Die Krone auf dem FIFA-Ober-Haupt ist seit dem denkwürdigen Mittwoch schon ziemlich in Schieflage gerutscht.

Eigentlich wäre es an der Zeit, dass Josef Blatter dem Fußball und seinen Millionen von Fans mit einem Rücktritt endlich mal einen wirklichen Dienst erweist. Er würde mit einem schnellen Abgang das zurückzahlen, was er (und andere) dem Fußball genommen hat: Fairplay und Würde. Selbstverliebt, macht-, medien-, und geldgeil – das sind Attribute, die Blatter und allen Spitzen-SportfunktionärInnen – gerechtfertigt oder nicht – anhaften. Aber sie brauchen sich über diesen Ruf nicht zu beklagen: Wenn sie auch nicht aktiv bei den Schweinereien mitgemacht haben, so haben sie es geduldet oder mitgetragen – durch Schweigen oder Wegschauen. Der ehemalige Weltklasse-Fußballer Luis Figo, der seine Kandidatur gegen Blatter zurückzog, begründete seine Entscheidung damit, dass er während seines „Wahlkampfes“ innerhalb der FIFA-Familie so viel erlebt habe, für das man sich schämen müsse. Die FIFA sei eine Diktatur. Die funktioniert, weil der selbstherrliche Diktator eben von selbstverliebten und ignoranten FunktionärInnen widerspruchslos gestützt wird. Sein Wohlergehen ist auch ihres.

Pokal-Weisheit

Fußball ist ein Geschäft. Die FIFA ist ein gut gehendes globales Unternehmen, das den Fußball verkauft (hat). Sie ist kein Non-Profit-Unternehmen mehr, ebenso wenig wie ein Großteil ihrer nationalen Mitgliedsverbände. Sie hat ihre eigenen Regeln geschaffen. Und muss nun auch alle Konsequenzen als global player tragen. In anderen Unternehmen wären die Tage des Sonnenkönigs Blatter gezählt, um zu retten, was zu retten ist. Oder um einen Neuanfang zu starten. Aber bei der FIFA ist es wie mit der Pokalspiel-Weisheit: Die haben bekanntlich ihr eigenes Gesetz. Oder wie der Bayer sagt, „Gwiss woas ma nix!“(Genaues weiß man nicht). Nur das: Das Eigenleben der FunktionärInnen nach Gutsherrenart scheint vorbei. Und das gilt nicht nur für die FIFA.

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