Mit Profil und Aufgabenstellung auf Kandidatensuche
Berlin, 27. September. Auf der Suche nach neuen Köpfen ist auch Sportdeutschland. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) braucht einen neuen Präsidenten oder Präsidentin. Eine achtköpfige Findungskommission und ein Headhunter sind nun gerade dabei, eine geeignete Person zu finden. Ein entsprechendes Profil und die Aufgabenstellung sind formuliert und raus.
Hört sich alles unkompliziert an. Nun scheint es aber zum Prozedere Bedenken zu geben. Neun Verbände haben sich beim Sprecher der Spitzenverbände Ingo Weiss mit einem „freundlichen Brief“ (Weiss) gemeldet, der in Kopie an alle Verbands-SprecherInnen und die DOSB-Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker ging. Die Frage, die in dem Schreiben aufgeworfen wird lautet: Welche Aufgabe hat denn nun genau die Findungskommission unter Leitung von Ex-Bundespräsident Christian Wulff? „Im Auftrag der unterzeichnenden Verbände bitten wir dich deshalb, gemeinsam mit der Findungskommission und den Headhuntern das genaue Verfahren bei der Bewertung und Auswahl der Kandidaten für das Amt des Präsidenten und ggfls. für weitere Ämter zu definieren.“
Als Geschenk eingetütet
Offensichtlich haben die unterzeichnenden Verbände der Gewichtheber, Fechter, Triathleten, Segler, Kanuten, Leichtathleten, Turner, Ruderer und Taekwondo -Kämpfer die Sorge, dass da bereits im kleinen Kreis eine Entscheidung getroffen werden könnte, und der Kandidat / die Kandidatin im Hinterzimmer bereits in die Geschenktüte für die Mitgliederversammlung (MV) eingepackt wird. „Im Interesse des demokratischen Auswahlprozesses in unserer Mitgliederversammlung sollte keine Rangfolge, Priorisierung oder andersweitige Bewertung oder Einschätzung der jeweiligen Kandidaten erfolgen, insofern die Findungskommission die grundsätzliche Eignung bestätigt.“
Ideengeber, Sparringspartner
Es gibt bereits ein Stellen- und Aufgabenprofil, das zusammen mit der Düsseldorfer Personalagentur Headsahead GmbH erarbeitet wurde. „Der zukünftige Präsident (m/w/d) des DOSB verantwortet dessen strategische Ausrichtung und vertritt den DOSB im Außenverhältnis. Als Dienstleister (m/w/d) des Sports ist er kompetenter, persönlicher und engagierter Ansprechpartner (m/w/d) für die Anliegen der Mitgliedsorganisationen gegen über Gesellschaft, Staat und Politik – sowohl im Leistungs- als auch im Breitensport“, heißt es da. Und eine weitere Aufgabe neben der Zusammenarbeit mit regionalen und überregionalen Organisationen soll sein, dass „der Präsident (m/w/d) gleichermaßen Ideengeber und Sparringspartner für Politik sowie Verwaltung“ ist und „ein faires Abwägen der Anliegen unterschiedlicher Stakeholder sichert.“
Den Briefeschreibern fehlt bei der Aufgabenstellung aber ein wesentlicher Punkt. „Wir halten es für wichtig, dass hier die Aufgabe der Personalverantwortung des Präsidenten (gemeinsam mit seinem Präsidium) als ehrenamtlicher Aufsichtsrat für den hauptamtlichen DOSB-Vorstand als eine entscheidende Aufgabe des Präsidenten dargestellt wird.“
Darüber soll auf der nächsten Sitzung im Zusammenhang mit anderen Fragen zur strategischen Ausrichtung des DOSB am 23. Oktober bei der Sitzung der Spitzenverbände gesprochen werden.
Mancher gescheitert
Hätte es die aktuelle Profilanforderung für Präsidentenkandidaten der Vergangenheit gegeben, dann wäre mancher gescheitert. Und auch jetzt fragen sich viele, ob da nicht mancher abgeschreckt wird, der sich bewerben möchte. Wo findet sich so eine Person für ein Ehrenamt, das derzeit so ramponiert ist, dass man in dem einen Jahr, für das man zunächst gewählt wird, vor allem Vertrauen schaffen und aufräumen muss.? Ingo Weiss sagte vor Monaten, als er die Koordinierungsarbeit für einen Neustart aufnahm, man könne sich ja keinen Präsidenten oder Präsidentin backen. Dass das Profil einen Superman oder Supergirl beschreibt , kommentiert er heute so: „Ja, das ist natürlich der Idealkandidat oder -kandidatin. Es wird vermutlich niemanden geben, der das 1:1 abbildet.“ Abgeschlossenes Hochschulstudium oder vergleichbare langjährige berufliche Qualifikation im (Top-) Management und Führungserfahrungen aus größeren Organisationen sind gefragt. Und natürlich ein enger Bezug zum Breiten- und Leistungssport durch eine haupt- oder ehrenamtliche Tätigkeit sind weitere Anforderungen. „Darüber hinaus zeichnet sich der zukünftige Präsident (m/w/d) durch ein strategisch-konzeptionelles General-Management-Verständnis sowie einen internationalen Erfahrungshintergrund mit interkultureller Sensitivität aus.“
Ein ausgeprägtes gesellschafts-, wirtschafts- und sportpolitisches Verständnis, hervorragende Repräsentationsfähigkeiten, Diplomatie, Fingerspitzengefühl und Überzeugungskraft fordert das Profil als weitere herausragende Merkmale der angehenden Führungspersönlichkeit Sportdeutschlands. Auch ein moderner, motivierender und fördernder Führungsstil ist gefragt. „Transparenz, politische Offenheit, Kooperationsbereitschaft sowie fließende Englischkenntnisse runden das Profil des idealen Kandidaten (m/w/d) ab.“
Keiner, der alles erfüllt
Die Hürden sind hoch.Aus der DOSB-Familie sind viele überzeugt, dass es voraussichtlich „eine ganz kurze Kandidaten-Liste geben wird“. Weiss betont: „Wir werden vermutlich niemanden finden, der alles erfüllt.“ Es kursieren ja schon seit langem Namen: der Jurist Thomas Weikert, der aus dem Tischtennis kommt. Der Mediziner und Präsident der Triathleten Martin Engelhardt und der ehemalige Hockeypräsident und DOSB- Schatzmeister Stephan Abel sind als Kandidaten bisher unter anderen im Gespräch.
Während Headhunter dem/der neuen Präsidenten/Präsidentin auf der Spur sind, ist die Kandidatur für das Präsidium noch nicht geklärt. Die verbliebenen Mitglieder Andreas Silbersack, Gudrun Doll-Tepper, Uschi Schmitz und Petra Tzschoppe haben noch bis Anfang November Zeit, sich zu erklären. Eine hat sich nun schon mal eine – wenn auch skurrile – Wahlempfehlung geben lassen: Die Frauenvollversammlung (FVV) des DOSB beschloss am Samstag, die amtierende Vizepräsidentin für Frauen und Gleichstellung, Tzschoppe, genau für dieses Amt wieder vorzuschlagen. Laut Geschäftsordnung kann die FVV das. Die Empfehlung ist aber absurd, weil es die Ressortaufteilung im Präsidium gar nicht mehr geben wird, also auch keine Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung. Also, was macht der Vorschlag für einen Sinn?
Petra Tzschoppe wird vermutlich kandidieren. Davon geht Weiss auf Nachfrage auch aus. Andere kritisieren das Vorgehen, weil es in die „DOSB-Tradition des stillosen Umgangs“ passt. Eine vertrauensbildende Maßnahme sei das in der sensiblen Situation, in der sich der DOSB befindet, nicht. Interne und externe Kritiker sprechen vom „starrsinnigen Prinzip des Am-Stuhl-Klebens“, egal was man mitzuverantworten habe.