Wenn zwei Dampfplauderer parlieren: Beckenbauer und Blatter telefonierten. Prompt folgt ein Dementi
Zunächst: Die neue inoffizielle Hymne der FIFA in gekürzter Form. Im Original interpretiert von der Lichtgestalt Franz Beckenbauer. Nun gesungen vom 209-köpfigen FIFA-Männerchor unter Leitung vom Fußball-Karajan Maestro Joseph Blatter.
Gute Freunde kann niemand trennen.
Gute Freunde sind nie allein,
weil sie eins im Leben können:
füreinander da zu sein.
Lass doch die andern reden!
Was kann uns schon geschehen?
Wir werden heut und morgen
nicht auseinandergehen. (Refrain)
Glück kannst Du leicht ertragen,
wenn Dir die Sonne scheint,
aber in schweren Tagen,
da brauchst Du einen Freund.(Refrain)
Berlin. 31. Mai. Die Lyrik, gesanglich vorgetragen von Franz Beckenbauer 1966 und auf Schallplatte für die Ewigkeit gepresst, soll unbestätigten Meldungen zufolge FIFA-Präsident Joseph Blatter jeden Morgen seit dem „Schwarzen Mittwoch“ beim Appell mit seinen engsten Mitarbeitern in der FIFA-Zentrale auf dem Grammophon abspielen lassen. Das Lied mit dem fast schon hellseherischen Text des heutigen deutschen Fußball-Kaisers soll Mahnung und Ansporn für die FIFA-Crew und die weltweite FIFA-Großfamilie sein, nach dem Motto: „Jetzt erst recht.“
Gute Freunde sind nie allein
Über gute, ja beste Freunde haben wir in den jüngsten denkwürdigen Tagen im Zusammenhang mit dem FIFA-Skandal in Zürich einiges erfahren, wobei auch die Definition von Freundschaft der FIFA und seiner Protagonisten wieder eine sehr eigene ist. Und der eine oder andere Freund entpuppte sich ja jetzt als ungeschickter Brutus, dem Caesar Blatter den versuchten Anschlag „zwar vergeben, aber nicht vergessen“ kann.
Aber auf den Franz kann sich der Sepp verlassen -zumindest bis ….? Während alle auf den standfesten und unerschütterlichen FIFA-Herrscher einschlugen, erhellte die Lichtgestalt aus Bayern die Horror-Tage des kleinen Gröffaz (Größter Fußball-Funktionär aller Zeiten) aus Zürich, indem er ihn in den Medien in Schutz nahm. „Es ist das System und nicht der Einzelne“, ließ der Kaiser wissen. Und philosophiert weiter über den „Faktor Mensch“, der dafür verantwortlich sei, ob alles „sauber laufe“. Und überhaupt: Schuld sind andere. Die UEFA habe es ja „nicht mal fertig gebracht, einen eigenen Kandidaten zu finden, sondern einen unbekannten Asiaten“.
24 Stunden später. Dazwischen gab es ein Telefonat zwischen dem Sonnenkönig und dem Kaiser, dessen Inhalt in einem Interview beim Schweizer „Sonntagsblick“ landete. Version Blatter: Er schildert neben dem Vieraugengespräch mit Michael Platini, in dem dieser ihn zum Rücktritt auffordert, auch noch Folgendes: „Ich habe mit Franz Beckenbauer telefoniert. Der sagte mir, er jedenfalls habe den deutschen Verbandspräsidenten zusammengefaltet, weil er gegen mich stimmte.“
Beckenbauer dementiert umgehend in der Bild-Zeitung. Version Beckenbauer: „Ich habe mit Wolfgang Niersbach freundschaftlich diskutiert. Von Zusammenfalten kann überhaupt keine Rede sein.“ Er und Niersbach hätten ein „herzliches und offenes Verhältnis“. Wahrnehmungs-Differenzen – bei FIFA-Funktionären und besonders deren Chef offensichtlich ein häufig auftretendes Symptom mit gefährlichen Nebenwirkungen. Wer nun was in dem Telefonat gesagt hat, bleibt – außer vielleicht für die NSA – das Geheimnis der Männerfreunde, die ja beide gerne Dampf plaudern nach dem Motto: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“
Was kann uns geschehen?
Na, einiges. Franz „Lichtgestalt“ Beckenbauer gehört zu denjenigen, die im Zusammenhang mit den Vorkommnissen rund um die WM-Vergaben für 2018 nach Russland und 2022 nach Katar von der Schweizer Bundesanwaltschaft befragt werden sollen. Als die Entscheidungen fielen, war Beckenbauer Mitglied des Exekutiv-Komitees. Die Behörden ermitteln wegen Manipulationsverdacht und „unrechtmäßiger Bereicherung“. Ob er und die anderen Kollegen, die befragt werden sollen, weiterhelfen können/wollen? Auch das FIFA-interne Verfahren Beckenbauer laufe weiter, bestätigte der Vorsitzende der Untersuchungskommission Cornel Borbély der dpa. Beckenbauer zeigte sich bei den internen Aufklärungsversuchen der Ethik-Kommission widerspenstig, wurde vor der WM in Brasilien gesperrt, und zeigte sich dann doch kooperativ.
Als „Kasperltheater“ hatte er damals die FIFA-Aufforderung bezeichnet. Dass Polizei und Staatsanwaltschaft wegen Verbrechen und nicht irgendwelchen Kavaliersdelikten ermitteln, scheint ihm, wie vielen anderen in der FIFA-Familie, noch immer nicht bewusst zu sein. Auch wer Vergehen duldet, macht sich zumindest moralisch schuldig. Das wurde ihm schon im Zusammenhang mit seinen lockeren Sprüchen zum Thema Menschenrechtsverletzungen in den Emiraten mehrfach unter die Nase gerieben, als er meinte, er habe in Katar keine Sklaven gesehen.
Auch in Großbritannien laufen nun Ermittlungen. Die beiden britischen Bankhäuser Barclay und Standard Chartered untersuchen Verbindungen und Geldflüsse, berichtet AFP. Sie waren von den US-Ermittlern als jene Banken aufgeführt worden, bei denen auf Konten beschuldigter FIFA-Mitglieder illegales Geld überwiesen wurde. In diesem Zusammenhang geriet auch die Vergabe der WM nach Südafrika wieder in den Fokus. Und auch wieder FIFA-Ex-Vizepräsident Jack Warner, der sich am Mittwoch in seinem Heimatland Trinidad und Tobago der Polizei gestellt hatte, verhaftet worden war und gegen eine Kaution von 360 000 Dollar wieder frei gelassen wurde.
Gute Freunde kann man nicht trennen
Doch. Warner hat in dem Verband vermutlich nicht mehr viele Freunde. Schließlich hat er gegen sie „geschossen“. 2011 musste die FIFA aktiv werden, weil die Korruptionsvorwürfe sich gegen den damaligen Blatter-Freund so hartnäckig hielten, dass ihr nichts anderes übrig blieb. Warner verließ unter Druck und nach einem Zerwürfnis mit „Sepp“ den Verband, weil er Sanktionen befürchten musste. Nach seinem Abgang wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Danach drohte er mit Enthüllungen, hat die Drohung aber bisher nicht wahr gemacht.
Wer über Südafrika spricht, der erinnert sich wieder an den guten Freund Blatter und seine Andeutungen, dass auch die WM 2006 in Deutschland nicht sauber vergeben worden sei. 2011 steckte er ebenso in einem Sog von Korruptionsvorwürfen und diktierte der Schweizer Zeitung „Blick“ in den Block „Gekaufte WM… da erinnere ich mich an die Vergabe 2006, wo im letzten Moment jemand den Raum verließ.“ Mit der nebulösen Andeutung spielte er auf den neuseeländischen Funktionär Charles Dempsey an, der 2008 starb. Seine Enthaltung im Exekutivkomitee machte Deutschland mit 12:11 Stimmen zum WM-Gastgeber. Der neuseeländische Verband wollte für Südafrika votieren, er persönlich für Deutschland.
Dempsey hat in einem seiner wenigen Interviews von „Druck durch einflussreiche europäische Interessengruppen“ gesprochen. Was lief da wirklich? Über den damaligen merkwürdigen Stimmungswandel unter den Verbänden, wo außer den Europäern keiner den deutschen Bewerber unterstützte, schrieb schon Thomas Kistner in seinem Buch „Fifa Mafia“. Und könnte Dempseys Verhalten auch mit einer Golfeinladung des damaligen OK-Chefs Beckenbauer zu tun haben, von der Insider erzählen? Sollte da vielleicht auf dem Green noch jemand auf Kurs gebracht werden? Um die Gerüchte endgültig aus der Welt zu räumen: Wie wäre es mit der brutalst möglichen Aufklärung? Nee lieber nicht, hatten wir schon einmal, das funktionierte auch bei der CDU-Spendenaffäre nicht. Und wie wär es einfach mit der Wahrheit? Transparenz ist doch so ein Lieblingswort, das auch der DFB-Präsident gerne in den Mund nimmt.
„So ein Schmarrn!“ Man hört den Kaiser förmlich durchatmen und dann in seiner unnachahmlich charmanten Art alle lästigen Fragen und Vorschläge mit einem Wortschwall abwürgen, aus dem er dann das Fazit zieht: „Das war ein Spiel unter guten Freunden.“
Finger weg vom Telefon
Wann also ist ein Freund ein Freund? War Dempsey ein Freund? Ist Sepp Blatter nun nach dem Dementi noch ein Freund? Oder setzt jetzt das Elefantengedächtnis ein, das nie etwas vergisst, und die kalte Dusche kommt bei passender Gelegenheit für Beckenbauer und Co?
Deshalb ein guter Rat unter Freunden: Finger weg vom Telefon, Herr Beckenbauer. In so stürmischen Zeiten kann ein Anruf nicht nur heikel werden, vor allem, wenn zwei Dampfplauderer sich unterschiedlich erinnern, worüber sie parliert haben. Ein Telefonat könnte eine zusätzliche Krise auslösen und weitereMenschen in die Bredouille bringen.
Und bloss nix auf der Mailbox hinterlassen!
Das wurde schon anderen zum Verhängnis. Und ruinierte Freundschaften für immer – wenn sie denn welche waren.