BMI legt zweiten Entwurf vor / Jörg Ammon: Noch mehr Politik-Einfluss
Berlin, 26. August. Das Sportfördergesetz beschäftigt nach den Olympischen Spielen in Paris und vor den Paralympics nun intensiv den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und seine Mitgliedsverbände. Der erste Entwurf des Bundesministeriums für Inneres und Heimat (BMI), zuständig auch für Sport, vom 1. März 2024 sorgte für helle Aufregung. Und wurde damals als „nicht akzeptabel“ von DOSB-Präsident Thomas Weikert empört zurückgewiesen. Nun liegt ein überarbeiteter Entwurf vor, den DOSB-Vorstandsvorsitzender Torsten Burmester begrüßte. Das sehen aber manche in den Mitgliedsverbänden ganz anders. Die Verbände sollen sich nun bis zum 4. September zu der Vorlage äußern.
Begeisterung sieht anders aus: Die Gemengelage im organisierten deutschen Sport rund um den versuchten Reformkurs des Spitzensports samt geplantem Sportfördergesetz und Leistungssport Agentur (AG) bezeichnet der Präsident des Bayerischen Landessportverbandes (BLSV) und Sprecher der Landessportbünde, Jörg Ammon, als „schwierig bis sehr schwierig.“
Während Burmester in einem Sportschau-Beitrag „wesentliche Fortschritte“ im Bezug auf den Bürokratieabbau sieht, befürchtet der Bayer – und nicht nur er –, dass mit dem angepeilten Gesetz ein neues „Verwaltungsmonster“ auf den Sport zukommt.
Stimmverteilung sagt alles
Und nicht nur das. „Der Sport wird noch mehr politisiert.“ Was heißt? „Dass die Politik noch mehr Einfluss auf den Sport bekommt. Die Stimmverteilung im entscheidenden Stiftungsrat sagt doch schon alles“, so Ammon. Das ist dann wohl so zu verstehen, dass der langanhaltende Kampf um die Lufthoheit über den deutschen Spitzensport nun doch vom BMI gewonnen wurde, wenn das Gesetz in Kraft tritt.
Denn der Stiftungsrat der Agentur soll laut Sportfördergesetz 18 Mitglieder umfassen, davon stellt fünf der Deutsche Bundestag, vier Mitglieder kommen aus dem BMI. Sechs Plätze bekommt der DOSB, darunter ein AthletInnenvertreter, drei Mitglieder stellt die Sportministerkonferenz (SMK) der Länder. Laut Gesetz §20Abs.4 wählen aber nur die neun Vertreter aus BMI und Bundestag den Vorsitzenden.
Diesem Stiftungsrat untersteht ein Vorstand, der die Beschlüsse umsetzen soll. Und dann gibt es da noch den Sportfachbeirat, der den „Stiftungsrat und den Vorstand bei der Planung und Wahrnehmung ihrer Aufgaben“ berät. Auch dieses Gremium hat 18 Mitglieder. Davon stellt diesmal der DOSB neun (darunter wieder ein AthletInnenvertreter), das BMI sechs und die SMK drei Vertreter.
Deutliche Annäherung
„Wenn man sich Verteilung und Gewichtung der Stimmen anschaut, dann ist es mit der Autonomie des Sports nicht mehr weit her.“ Ammon sagt, dass viele seiner VerbandskollegInnen sich nach wie vor fragen, welche Rolle und Aufgaben denn da noch für den DOSB übrig bleiben, und auch, was aus der Leistungssportabteilung im DOSB wird. „Fragen meinerseits, die ich schon länger stelle, wurden bisher nicht beantwortet“ sagt Ammon. Vorstandsvorsitzender Burmester sieht die Aufteilung der Machtverhältnisse im neuerlichen Entwurf als eine „deutliche Annäherung an unsere Forderungen“. Heißt: Das Vetorecht des vom BMI gestellten Stiftungsratsvorsitzenden sei gestrichen. Was das dann allerdings in der Praxis bedeutet – da muss man nicht viel Phantasie haben, wer sich am Ende bei umstritten Entscheidungen durchsetzen wird.
Die große Reformdiskussion kam nach den Spielen in London 2012 wieder in Gang, als die Medaillenausbeute nicht wie gewünscht ausfiel. Obwohl auch damals der Etat kontinuierlich erhöht wurde, blieben die Erfolge aus. Im BMI kam man zu dem Schluss: Der Sport kann es einfach nicht. Und machte sich an eine neue Reform, die die DOSB-Mitgliederversammlung 2016 in Magdeburg mit fast 100 Prozent annahm. Trotz heftigen Moserns des Sports im Vorfeld.
Umdeutungsversuche
Und noch heftigerer Kritik an dem neuen Steuerungsmodell, das nach einigen Anlaufschwierigkeiten die Arbeit aufnahm: die Potenzialanalyse (PotAs). Immer mal wieder versuchten SportfunktionärInnen, die Rolle von PotAS umzudeuten, die Arbeit des Gremiums infrage zu stellen, über den Sinn zu diskutieren. Aber es änderte sich ja nichts im Zusammenspiel zwischen Sport und Politik: Die Geldmittel flossen und fließen weiter. Und da schluckt man dann schon die eine oder andere Kröte als Lobbyist. Auch diesmal gibt es trotz mauer Haushaltslage für 2025 im Etatentwurf satte 48 Millionen Euro mehr für die Spitzensportförderung: Von 283 Millionen also nun auf 331 Millionen aufgestockt.
AG als Steuerungsmodell
Nun, 2024, wird als Steuerungsmodell also die Leistungssport Agentur als Schritt zu neuem Spitzensporterfolg propagiert. PotAs soll nun laut Entwurf vollständig in die neue Agentur übernommen werden – einschließlich der Personalstellen.
Die Skepsis gegenüber der AG, die, bevor sie Formen annahm, von vielen als Stein der Sportweisen angesehen wurde, wird in Gesprächen mit VerbandsvertreterInnen nun aber deutlich: Schon alleine, dass die AG als Stiftung angelegt ist, erscheint nicht nur Ammon als Risiko, falls sich die Stiftung nicht als geeignete Form erweist, um schnell auf bestimmte Abläufe reagieren und Entscheidungen treffen zu können – also, wenn es nicht so in der Umsetzung läuft, wie vorgesehen. Schnell und flexibler zu reagieren, ist ja ein Credo des Gesetzes. „Eine Stiftung ist dann eine unumkehrbare Entscheidung. Da sitzt man fest“, sagt er.
Das BMI bestätigt, dass es im Spätsommer 2024 noch einen Kabinettsbeschluss zum Sportfördergesetz geben soll. Und damit wird dann das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Wenn alles gut geht.
Viele Fragen offen
Sollte das Sportfördergesetz kommen, woran viele immer noch ihre Zweifel haben, nicht nur wegen des Zeitfensters bis zur Bundestagswahl im September 2025, wären viele Fragen überhaupt nicht geregelt, kritisieren SportvertreterInnen. Beispielsweise: Wo soll der Sitz der AG sein? In Berlin, Frankfurt oder…? Wann kann die Agentur anfangen zu arbeiten? Wie werden die MitarbeiterInnen gefunden? Werden Stellen ausgeschrieben? Oder soll die Leistungssportabteilung des DOSB einfach in die AG transferiert werden? Wie steht es eigentlich um die Unabhängigkeit der AG – es sollte ja eine „unabhängige“ Leistungssport AG sein? Wer kontrolliert eigentlich den Stiftungsrat? Und so weiter…
Bei allen Unwägbarkeiten und ungeklärten Sachverhalten könne man nur hoffen, vor allem in Sinn der Athleten und AthletInnen, dass „dieses Gesetz nicht kommt“, sagt Ammon. „Wir reden schon lange, besonders aber seit 2016, wo die Spitzensportreform angegangen werden sollte, was alles zu tun ist. Aber wir, der Sport, haben unsere Hausaufgaben bisher überhaupt nicht gemacht. Das ist doch das erste, was wir tun müssen, um weiter zu kommen“, fordert Ammon.
Wo soll es hingehen?
Viele in den Mitgliedsorganisationen sehen das auch so: Das Hüh und Hott nerve von Tag zu Tag mehr. Ebenso wie das „Herumdoktern an einzelnen Symptomen“, sagt ein Sportdirektor. Und ein anderer ergänzt, es fehle einfach die große Linie – auch in dem neuen Gesetz. Man verliere sich im Kleinklein, weil man nicht den Mut hat, groß zu denken. Da braucht man aber auch erstmal ein Ziel. Wie man da hinkommt, ist dann der zweite Schritt.“ Die erste Frage ist immer noch unbeantwortet.
Ansprüche nicht nur an andere
Aber bei manchen endet diese Einsicht, wenn es um Eigeninteressen geht. „Verzicht, Strukturveränderung, Verlust von Privilegien – all das fällt schwer und wird dann oft mit Machtverlust gleichgesetzt“, beschreibt ein ehemaliger Funktionär das Problem mit der eigenen Klientel, wenn es um neue/alte Wege geht, die man dringend umbauen muss, um ans Ziel zu kommen.
„Ziel“ ist das Stichwort für Ammon: „ Wie gesagt, da muss man seine eigenen Aufgaben erst einmal erledigen. Und das gilt für alle im Sport. Da dürfen auch nicht ständig nur an andere Ansprüche gestellt und Haltung gefordert werden. Die muss man auch selbst erfüllen. Und man muss erklären und klären, wo man sich hin entwickeln will – auch vom DOSB-Präsidenten. Das ist die entscheidende Frage“, sagt der BLSV-Vorsitzende. Und es gebe mittlerweile im Sport-KollegInnen-Kreis die Erkenntnis, dass man erstmal wissen muss, welchen Sport man will.
Das BMI hat den Referentenentwurf veröffentlicht: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/SP1/SpoFoeG.html