Faeser schickt Beate Lohmann in den Ruhestand

Gerade noch Lob von der Ministerin – dann überraschender Abzug der Sportabteilungsleiterin

Berlin, 26.Mai. Beate Lohmann, Abteilungsleiterin Sport im Bundesministerium für Inneres und Heimat, ist am Dienstag (24. Mai) überraschend von Ministerin Nancy Faeser (SPD) in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Die Betroffene bestätigte das auf Anfrage. Sie räumte am Mittwoch ihr Büro. Damit ist die 61-Jährige Ministerialdirektorin die zweite Abteilungsführungskraft, die vorzeitig in Rente geschickt wird.

Überrascht, ja schockiert zeigten sich Vertreter aus dem Sport und der Politik. „Ich habe gestern noch mit ihrem Büro einen Termin vereinbart“, sagte ein Verbandsvertreter. Schon seit einiger Zeit gab es Gerüchte, dass es immer mal Knatsch zwischen der fachkompetenten Rheinländerin und dem Parlamentarischen Staatssekretär Mahmut Özdemir gegeben haben soll. Das habe man aber geklärt. Auch wegen „unüberbrückbaren Differenzen“ zwischen dem Sport und der Abteilung Sport soll es bei der Ministerin und ihrem Staatssekretär Beschwerden gegeben haben. Ein déjà-vu.

Ein heißer Stuhl

Vor vier Jahren trat Beate Lohmann die Nachfolge von Gerhard Böhm an und wechselte von der Abteilung für Verwaltungsmodernisierung und Verwaltungsorganisation in den Sport. Dass sie keine leichte Aufgabe übernahm, war ihr von Anfang an klar. Und dass sie auf einem heißen Stuhl Platz nahm, ebenso. Sie hatte ja als warnendes Beispiel das Schicksal ihres Vorgängers vor Augen. Böhm, ebenso fachlich und kompetent anerkannt, war keinem Streit – es ging vor allem um die Umsetzung der Spitzensportreform und deren Finanzierung sowie um Kompetenzen – mit der Führung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) aus dem Weg gegangen, was auch offen ausgetragen wurde. Der damalige CDU-Innenminister Thomas de Maizière ließ seinen Beamten aber nie im Regen stehen, ganz im Gegenteil: Er stärkte ihm öffentlich immer wieder den Rücken.

Das änderte sich, als CSU-Mann Horst Seehofer ins BMI einzog: Der gab relativ schnell dem Anliegen des DOSB-Präsidenten, seinem Parteifreund Alfons Hörmann nach, den unbequemen, widersprechenden Beamten eilig in den Ruhestand zu versetzen. Böhm erfuhr das damals zufällig durch eine Notiz in einem Mitarbeiterbrief. Im Urlaub.

Anerkannt und gradlinig

Lohmann hatte sich schnell eingearbeitet, war nach kurzer Zeit eine anerkannte Gesprächspartnerin – auch im Sport. Nicht nur wegen ihrer Kompetenz („Die lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen“) und Integrität schätzten sie viele, sondern auch wegen ihrer Gradlinigkeit. Dass sie viele Differenzen mürbe machten, die es mit dem Sport immer wieder gab, war nicht zu übersehen. Dass sie das eine oder andere mal ans Handtuchwerfen dachte, hätte man ihr nicht übelnehmen können. Doch sie war engagiert bei der Sache. Aufgeben? Da hätte es schon ganz übel kommen müssen. Nun wurde sie also vor die Tür gesetzt.

Streit um den Spitzensportkurs scheint es auf den ersten Blick intern im BMI nicht zu geben. Der Politiker Özdemir und die Beamtin Lohmann sind sich einig gewesen, dass eine unabhängige Spitzensport GmbH der Ort sein soll, von dem aus mit harten Kriterien die 300 Millionen Euro Fördergelder verteilt werden soll.

Von Ministerin gelobt

Auch die Bundesinnenministerin, die am 27.April den Sportausschuss besuchte, lobte dort ausdrücklich noch die Arbeit von Beate Lohmann. Was also ist in der Zwischenzeit passiert? Über Gründe für die Versetzung in den Ruhestand teilte die Pressestelle des BMI auf Nachfrage mit, „… dass wir uns wie üblich zu einzelnen Personalangelegenheiten nicht öffentlich äußern können.“ Auch zur Nachfolge gibt es keine Auskunft.

Mit VertreterInnen aus dem DOSB -Präsidium gab es jedenfalls – soweit bekannt – keinen Streit. Der neue Kurs in der Sportpolitik, den die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionspapier angekündigt hat, scheint allerdings nicht nur im BMI für Meinungsverschiedenheiten zu sorgen. Wie man nun Versprechen umsetzen will, ist offenbar auch im Ministerium nicht geklärt. Beispiel: Corona-Unterstützungsleistungen. 50 Millionen Euro waren für den Neustart des Breitensports beantragt worden, der Haushaltsausschuss genehmigte aber nur 25 Millionen – und die sind erst einmal gesperrt. Denn, so die Haushälter, es fehle auch ein Konzept des BMI, wie und wofür die Fördermittel verteilt werden sollen.

Keine konkreten Vorstellungen

Der DOSB stellte diese Woche sein Eckpunktepapier vor, in dem er fordert, dass der Bund nun auch den Breitensport fördern soll, was bisher Aufgabe der Länder ist. Nicht zuletzt deshalb kam der DOSB mit seiner alten Forderung um die Ecke, den Sport im Grundgesetz zu installieren und eine/n StaatsministerIn im Kanzleramt zu etablieren. Denn bisher ist der Bund offiziell nur für den Spitzensport zuständig. 

In welche Richtung man nun agieren will, darüber scheint es auch noch keine konkreten Vorstellungen der Politik zu geben, die die Abteilung Sport dann umsetzen müsste. „Ich dachte Personal-Rochaden aus Animositäten oder Parteibuchgründen hätten wir hinter uns. Denn an mangelnder Kompetenz von Frau Lohmann kann es ja nicht liegen. Ausgerechnet jetzt einen Wechsel in so einer entscheidenden Position, das ist unverständlich und sorgt doch erst mal für weiteren Stillstand im deutschen Sport, den er sich nicht leisten kann.“ Diese Meinung eines desillusionierten Verbandsmenschen stützen an diesem Donnerstag bei vielen Telefonaten und in Mails andere Sportvertreter und auch (Partei-) PolitikerInnen unterschiedlicher Couleur, die nun auch nach dem neuerlichen „Ruhestandsrauswurf“ von dem „Sportabteilungs-Schleudersitz“  im BMI sprechen.