Zu wenig Abstand wird zur ungesunden Nähe

Grünen-Politiker Erhard Grundl über kulturelle Teilhabe und

Sport als Integrationskraft, Vereinssterben und hirnlose Kommerzialisierung

Berlin, 21.Februar 2019. Spätestens seit dem 2. März 2018 ist Erhard Grundl vielen in Deutschland bekannt. An jenem Tag hielt der Abgeordnete der Grünen im Bundestag seine erste Rede, in der er auf den AfD-Antrag „Deutsch als Landessprache“ eine richtige, humorvolle Antwort gab. Dabei bemühte er den von ihm geschätzten bayerischen „Philosophen“ und Kabarettisten Gerhard Polt, um mit dessen Frage „Braucht`s des?“ die Überflüssigkeit des Antrages zu unterstreichen.

Seit eineinhalb Jahren sitzt der Niederbayer, geboren im idyllischen Markt Mallersdorf-Pfaffenberg, das zwischen Straubing, Regensburg und Landshut liegt, im Bundestag. Mit seinen Beiträgen als kulturpolitischer Sprecher seiner Partei sorgt er immer wieder für Kurzweil in oft langatmigen, trockenen Debatten, die meist im typischen Politsprech geführt werden. Die Erwartungshaltung bei seinen Auftritten ist hoch – viele wollen immer ein neues humoristisches Bonbon. Aber per Knopfdruck geht das natürlich nicht. Und außerdem: „Da muss man aufpassen, damit man nicht überzieht“, sagt Grundl. „Das muss sich anbieten und passen.“ Da habe sich schon mancher ungewollt selbst zum Komiker oder noch schlimmer zur eigenen Karikatur gemacht.

Jetzt hat es also endlich geklappt mit dem Gespräch. Vor Monaten hatten wir vereinbart, „demnächst“ mal über Sport zu reden. Denn Erhard Grundl ist auch Mitglied des Sportausschusses im Bundestag. Sport scheint neben der Musik – denn er ist Rockmusiker – eine Leidenschaft zu sein. „Demnächst“ heißt allerdings nicht unbedingt gleich, sondern im Falle Grundls: Erst mal Einarbeitungszeit, „dann geht was“. Bei ihm waren das jetzt eineinhalb Jahre im Bezug auf den Sportausschuss. Ja, auch das ist ein Unterschied zu manch anderem im Parlament, dass er sich nicht gleich zum „Bundessport-Experten“ erklärt, der über alles redet und genau erklären kann, nur weil er weiß, wie eine Turnhalle von innen aussieht.

Knapp nicht erfolgreich

„Mittlerweile kann ich schon nun einiges einschätzen. Ich fühl‘ mich aber trotzdem noch wie ein Erstklässler, der jeden Tag viel dazu lernt“, sagt der 56-jährige, der von sich als politischem „Späteinsteiger“spricht. Leute aus seinem Wahlkreis Straubing, die ihn gut kennen, würden ihn vielleicht als „Spätberufenen“ titulieren. Mit 41 ging er in die Politik, war erster Grüner im Stadtrat von Straubing. Die Leute mögen den Mann – nicht nur als Politiker, sondern auch als Sänger. Das ist er tatsächlich. Und kurz bevor er in Berlin sein Abgeordneten-Büro Unter den Linden bezog, hat er noch mit der Band Clearwater 63 das Album „There is only one“ aufgenommen. Seine aktive Rockmusiker-Karriere mit seinen Bands, ja, die sei „knapp nicht erfolgreich“ gewesen. Und spätestens da erkennt man, dass der Mann Humor hat und sich auch mal selbst auf den Arm nimmt, und warum er dem „Forum für Humor und komische Kunst“ beigetreten ist. Singen tut er immer noch, Auftritte hat er nicht nur im Bundestag, sondern auch weiter auf Bühnen, – wenn er denn Zeit hat.

Wo andere im beruflichen Alltagstrott über Stress klagen, hat der Niederbayer noch einmal mit etwas ganz anderem angefangen. Dabei hätte das als Grüner in Bayern auch schief gehen können. Wie ist das mit dem Späteinsteigen in die Politik? „Einerseits super: Wenn man so spät anfängt, hat das den Nachteil, dass das mit einer Politikkarriere vielleicht etwas knapp wird. Anderseits lässt man sich natürlich von dem vielen Drumrum nicht so leicht beeindrucken oder aus der Ruhe bringen“ sagt er, der so etwas wie eine wohlige Bierruhe ausstrahlt.

Mit den Stones und Bob Dylan ist er groß geworden, hat viele bekannte Künstler persönlich kennengelernt – wer soll ihn da in der Blase Berlin noch groß überraschen? Eigentlich wollte er als Musikmanager neben dem Politgeschäft weitermachen, aber schnell hat er gemerkt: Das wird nix. „Der Ast Politik an meinem Stamm ist einfach gewachsen“, sagte er vor einiger Zeit in einem Interview seiner Heimatzeitung.

Nun sitzt er in seinem Berliner Büro weit weg von Straubing und seiner Familie. Und noch weiter weg zum Beispiel von Nashville/Tennessee, wo er gute Erinnerungen an seine Musikvergangenheit hat. Er hat Spaß an seinem neuen Aufgabenfeld. Niederbayer, Rockmusiker, Kultur- und Sportpolitiker – das wirkt schon so wie ein Gesamtkunstwerk. Er fällt aus dieser grauen Krawatten- und Anzugwelt, auch weil er ist, wie er ist: „Da wo man herkommt, da kommt man her. Das soll man nicht verleugnen.“ Das tut er auch nicht. Er steht zu seinem bayerischen Idiom, das seinen Reden, die hart in der Sache sind, eine weiche Verpackung verleiht.

Sport und Kultur

Aber eigentlich wollten wir uns über Sport, Kultur, Heimat, auch den einen oder anderen Heimathirschen, der in Berlin sein (Un)-wesen treibt, oder auch ein ländliches Platzkonzert unterhalten…

Also dann. Erhard Grundl fordert ja die Frage geradezu heraus, ob für ihn, den Kultur- und Sportpolitiker, eigentlich Sport Kultur ist, und wenn ja warum?

Grundl: „Auch wenn mich jetzt Kulturpolitiker vielleicht schimpfen: Natürlich ist Sport Teil der Kultur. Sehen Sie sich manche SportlerInnen an – so wie die ihren Sport präsentieren, ist das schon eine Art Kunstform. Was mich besonders an dem Thema interessiert, ist, dass Sport genau wie die Kunst integrativ sein soll, das heißt, dabei hilft, Barrieren abzubauen und zu überwinden.Das ist eine Aufgabe, die Kultur – mit vielen unterschiedlichen Ansätzen – hat. Und mit dem Sport ist das ähnlich. Ein Beispiel: es gibt unterschiedliche Fußballphilosophien. Wenn ich jetzt eine Mannschaft habe mit verschiedenen Kulturansätzen – also Spielern unterschiedlicher Herkunft -, dann spielen die oft einen ansprechenderen Fußball. Das sind meine Beobachtungen. Das sind zwar nicht unbedingt immer die erfolgreichsten Teams, aber sie spielen den attraktiveren Fußball, der schön anzuschauen ist.“

Erhard Grundl ist offensichtlich – wie viele Kulturschaffende – von den Aufführungen auf dem grünen Rasen genauso angetan wie von denen auf den Theaterbrettern. Parallelen leicht auszumachen. Fußball ein Volkssport in Deutschland als Teil der Kultur, o.k., aber wie ist denn das dann zum Beispiel mit Bobfahren? Muss eine Sportart weit verbreitet sein und von vielen betrieben werden, um als Kultur anerkannt zu werden?

Grundl: „Da ist der Kulturbergriff dann wohl weiter gefasst. Wenn einer am Königsee den Eiskanal runterdonnert, dann hat der ja nicht da auf der Bahn angefangen, sondern irgendwo auf einem Wiesenhang. Seine wachsende Professionalisierung bringt es dann mit sich, dass er eventuell im Eiskanal landet. Das ist genauso, wenn einer seine erste Theatererfahrung bei einer Laienspielgruppe oder in der Schul-AG sammelt, sich für den Beruf des Schauspielers entscheidet und dann irgendwann in den Kammerspielen in München auf der Bühne steht. Man fängt unspektakulär an – im Sport ist man vielleicht etwas schneller in der professionalisierten Ecke.“

Erste Schritte auf dem Weg zum Spitzen- oder/und Profisport machen viele zunächst im Verein: Dort entwickeln sie ihr Faible für eine Sportart, vielleicht wird ihr Talent entdeckt und gefördert. Sie erleben dort meist Unterstützung, Gemeinschaft. Um die Vereinslandschaft werden die Deutschen, so jedenfalls die gängige Erzählweise Verantwortlicher, weltweit beneidet. Der DOSB hat bei der UNESCO einen Antrag gestellt, die deutschen Sportvereine als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen. Ist das ein berechtigter Anspruch?

Grundl: „Das geht vielleicht zu weit. Natürlich existiert in der deutschen Kultur auch Vereinsleben, wenn man so will, das auch für Gemeinschaft steht, und zum Mitmachen einladen soll. Das gilt aber sicher nicht für alle Vereine. Es gibt schon welche, die sehr ausschließend unterwegs sind. Wichtig wäre aber das man inkludierend wirkt – das ist aber nicht überall so. Über diesen DOSB- Ansatz müsste ich noch mal ganz lange nachdenken, denn das klingt alles nach Selbstzweck und schreckt mich etwas ab.“

Seehofer und Heimat

Apropos abschrecken – kommen wir mal zu unserem Landsmann und Bundesminister für Inneres, Bau und Heimat. Für Sport ist der ja auch zuständig. Er möchte richtigerweise dafür sorgen, dass die Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land angepasst oder gleich werden. Dafür soll das Heimatministerium sorgen. Und auch der Sport soll da seine Rolle spielen oder kriegen. Röhrt da jetzt der Platzhirsch auf dem heimatlichen Spielfeld? Und überhaupt Herr Grundl: Für jeden ist doch Heimat was anderes, oder?

Grundl: „Ja, was ordnet man einem Heimatministerium zu? Da ist alles und nichts betroffen – alle Bereiche gehören irgendwie dazu. So ein Ministerium ist überflüssig. Das ohnehin schon riesige Ministerium hat mit dem neuen Minister noch weitere Aufgaben übernommen, und da landen dann eben Dinge wie Sport ganz unten auf der Prioritätenskala. Der Sport ist geschwächt auf Grund der neuen Verortung im Ministerium. Aber das ist ja so gewollt.“

Der Minister hat ja nun gerade eine Reihe von Reform- Kernpunkten – etwa die Reduzierung der Bundesstützpunkte – zurückgenommen – auch wenn dort keine oder kaum SportlerInnen trainieren und auch keine fachlichen Gründe dafür sprechen, mit der Begründung, die Lebensverhältnisse sollen verbessert werden.

Grundl: „Ich gebe dem Minister insofern recht, dass die altbekannte Rechnung jeder Euro Investition zieht auch in den Kommunen einiges nach sich. Im Sport kommt es natürlich auf die Angebote an. Ich gebe mich nicht damit zufrieden, dass da niemand an den Stützpunkten trainiert. Man muss aber doch in der Lage sein, ein Konzept für eine bestehende Sportstätte oder einen Bundesstützpunkt so zu konzipieren, dass das von vielen in Varianten bespielt werden kann.“

Ja, schön wäre das, aber viele Kommunen, die sich vorher um Sportstätten gerissen haben, klagen über zu teueren Unterhalt und zu wenig finanzielle Unterstützung durch Bund und Land – etwa wenn es um Eislaufzentren oder Stadien, Schanzen oder auch Bobbahnen geht. Man produziert entweder Ruinen, oder teuere Anlagen für wenige – und es wird meist nur über Mittelzuschüsse aber selten über gute Konzepte gesprochen.

Der grüne Grundl kommt aus der Kommunalpolitik, er kennt die Problematik gut, wie man mit weichen Themen wie Sport oder Kultur umgeht. Da schwelgt man gerne und wird freigiebig. Und dass das im Bund mit dem steten Fordern nach immer mehr Geld nicht anders ist als in Land und Kommune, das hat er nun als Sportausschussmitglied im Rahmen der Spitzensportreform auch zur Genüge miterlebt.

Grundl:“ Wo die Strukturen schwach sind, muss man in verschiedene Richtungen denken. Es ist die Aufgabe von Sport- wie auch Kulturpolitik, Möglichkeiten zu schaffen, die einen niederschwelligen Einstieg ermöglichen und Berührungsängste abbauen. Und man muss zusammenarbeiten. Um beispielsweise Bauruinen zu verhindern – in Sport und Kultur gäbe es da sicher auch gemeinsame Nutzungsideen.“

Also nur über Kohle alles regeln ist zu einfach, oder?

Grundl: „Es ist eine Abwägungsfrage. Wenn man beispielsweise sanierungsbedürftige Sportstätten nur unter dem Aspekt Geld betrachtet, dann muss man sofort zum Rotstift greifen und streichen, streichen, streichen. Nehmen wir die Bahn am Königssee: Die ist für die Menschen und die Region sicher identitätsstiftend. Und da gibt es auch Kinder und Jugendliche, die man für den Sport gewinnen kann. Aber natürlich müssen sich diejenigen vor Ort überlegen, wie sie so etwas auf Dauer – auch wenn Bund und Land helfen – selbst finanzieren können. Darüber kann man nicht erst nachdenken, wenn so was schon steht. Und es geht auch darum, solche Anlagen für den Breitensport – in welcher Form auch immer – zugänglich zu machen. Denn grade im Breitensport sind ja viele Defizite vorhanden – nicht im Spitzensport, den wir ja genügend fördern. Darauf möchte ich ganz deutlich hinweisen.“

Breitensport und Vereinssterben

Breitensport – da sind wir dann in der Heimat gelandet, und beklagen gemeinsam das Vereinssterben: Mangels Nachwuchs müssen Vereine fusionieren oder gar aufgelöst werden. Mit ihnen sterben spannende Dorf-Derbys und das Interesse am Sport. „Solche Derbys im Fußball gehörten zum Dorfleben, weckten bei den jungen Leuten den Ehrgeiz, sich in den Mannschaften zu engagieren, mitzuspielen, waren Unterhaltung und sorgten für Spannung und Gesprächsstoff beim Bäcker und am Stammtisch“, erinnert sich Grundl. Und heute?

Grundl: „Die hirnlose Kommerzialisierung des Fußballs sorgt auch dafür, dass diese Art ländlicher Kultur immer mehr verschwindet. Da macht der DFB ziemlich viel verkehrt. Samstag 15.30 Uhr Spiele, dass ist ja okay, aber die Sonntagsspiele – oder Spiele während der ganzen Woche. Mal abgesehen von der Abnutzung durch Überpräsentation des Fußballs sitzen die jungen Frauen und Männer ja nur noch vor dem Fernseher und schauen Fußball, anstatt selber zu spielen. Mittlerweile hat man ja den Eindruck, dass nicht einmal eine WM mehr auf großes Interesse bei jungen Leuten stößt. Man muss sich da auf seine Wurzeln besinnen.“

PolitikerInnen und FunktionärInnen

Back to the roots. Das gilt dann auch für den DOSB, den man ja eigentlich nur noch als Spitzensport-Vertretung wahrnimmt – Breitensport eher Fehlanzeige, gesellschaftliche Stimme schweigt. Und viele nicht nur überregionale Medien interessieren sich auch mehr für den Spitzensport und seine Skandale, als für das, was vor der Haustür passiert und berichtenswert wäre.

Grundl: „Naja, das unterstützen natürlich auch SportpolitikerInnen, die sich darin gefallen, dass sie mit SpitzensportlerInnen assoziiert werden, dass sie es denen ermöglicht haben, an Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften teilzunehmen. Da fällt schon Glanz auf die PolitikerInnen. Natürlich ist es gut, wenn man SpitzensportllerInnen hat und sie fördert, Bei meinem Eishockeyclub in Straubing, da zieht eine erfolgreiche Mannschaft Kinder zum Eishockey. Das haben Sie bei anderen Sportarten auch – wenn Sie erfolgreiche SportlerInnen haben, sorgt das für eine Breitenwirkung. Aber für die Breite müssen Sie dann auch etwas tun. Aber auch hier gilt: Man darf nicht alles auf mehr Geld reduzieren.“

Das heißt?

Grundl: „Wir als SportpolitikerInnen müssen dafür sorgen, dass der Sport seine Probleme selber lösen kann. Davon sind wir aber weit entfernt. Da ist Eigenverantwortung gefragt – im DOSB wie etwa auch in einem Fachverband wie dem DFB. Weder Bund, noch SportpolitikerInnen können Strukturen im Sport ändern, der ja immer auf seine Autonomie verweist, wenn`s passt. Beispiel DFB. Ob es um die Aufklärung der Vorgänge des Sommermärchens 2006 geht oder um die jetzigen Vorfälle um Reisen und Gelage beim DFB – da ist der Aufklärungswille schleppend, wenn überhaupt vorhanden.“

Vernetzung und Verquickung

Ja, man setzt aufs Vergessen und lebt im Sport nach wie vor gerne nach dem Motto: „Das war schon immer so“, und „Uns kann keiner“. Das hat bisher immer geklappt, denn gegen den Sport zieht keiner mal Konsequenzen. Beispiel: Er erledigt seine Reformaufgaben nicht wie vereinbart, bekommt dennoch Geld. Beschwert sich, wenn er Steuermittel beantragen muss, über zu viel Bürokratie, meckert, dass etwa die Kultur viel Geld ohne Diskussion nachgeworfen bekommt. Klären Sie doch mal SportfunktionärInnen auf, dass das ein Märchen ist, Herr Grundl. Und woran liegt es, dass der Sport sich mehr erlaubt als andere?

Grundl: „Ich finde das überhaupt nicht gut, den einen gegen den anderen auszuspielen. Natürlich muss man, wenn man ein Kulturprojekt gefördert haben will, Anträge stellen. Und natürlich muss belegt werden, wofür das Geld ausgegeben wurde. Das ist aus gutem Grund so, wenn es um Steuergeld geht. In der Kultur gibt es theoretisch keine Erbhöfe – das ist schon mal ein elementarer Unterschied zum Sport. Der Kulturbetrieb läuft anders.“

Und wie ist das mit dem Ineinander-verknäult-Sein von SportfunktionärInnen und SportpolitikerInnen zu erklären? Wenn gleiche Parteibücher eines Ministers, eines Staatssekretärs und eines DOSB-Chefs offensichtlich so sehr verbinden, dass man Vereinbarungen einfach über Bord wirft, die auch mal vom Kabinett gebilligt wurden, oder Beamte in den Ruhestand versetzt, die nicht so spuren, wie der Sport es gerne hätte. Was sagt uns das?

Grundl:“ Das sehe ich sehr kritisch. Das ist sehr problematisch. Dieses Verzahnen zwischen Politik und Lobbyisten ist im Sport zu stark und scheint eine Art gut funktionierender Mechanismus zu sein. Da ist kein Abstand, daraus wird ungesunde Nähe. Das Verständnis der Kulturschaffenden ist ein anderes – die gehen auf Abstand zur Politik, was ja in der jüngsten Brüsseler Erklärung deutlich wird, wo es um die Freiheit der Kunst geht, die sich Einflussnahme von rechten Parteien und Regierungen verbittet. Der eine oder andere Künstler mag vielleicht auch ein Parteibuch haben oder mit einer Partei sympathisieren, aber sie halten Abstand. Im Sport ist das offensichtlich viel problematischer.“

Athleten und Fürsorge

AthletInnen versuchen seit geraumer Zeit, eigene Wege und auf Abstand zu FunktionärInnen den verkrusteten Strukturen auf nationaler und internationaler Ebene zu gehen. Sie fordern in ihrer Eigenschaft als Protagonisten, ohne die es keine sportlichen Großereignisse gäbe, nicht nur vom reichen Internationalen Olympischen Komitee (IOC), sondern auch von den Verbänden mehr finanziellen Anteil und vor allem Mitsprache. Was ja richtig ist. Der Sport scheint aber nicht bereit zu sein, da groß umzudenken – und so ist der Staat bei uns gefordert und ja auch gewillt, AthletInnen zu unterstützen. Wie weit kann man da aber noch gehen – schon aus Gleichheitserwägungen gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen – ist eine Altersabsicherung für Menschen doch problematisch, die ja freiwillig für eine gewisse Zeit Spitzensport treiben. Neue Spitzensport-Modelle sind gefragt. Die Diskussion ist überfällig, findet aber nicht statt.

Grundl: „Was die Absicherung von SpitzenathletInnen angeht, die einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend dem Sport widmen – da gibt es sicher eine Fürsorgepflicht. Das ist aber auch in erster Linie die Aufgabe der Sportorganisationen. Das ist nicht ausdiskutiert, es ist nicht einmal andiskutiert. Ich will keinen Staatssportler. Man muss sich also Möglichkeiten überlegen, wie man politisch helfen kann. Eine Art Alimentierung bis zum Lebensende sehe ich sehr kritisch. Die Politik kann helfen, der Sport muss aber handeln.“

Boxen und und und…

Eigentlich wollten wir noch über Boxen reden. Erhard Grundl hat geboxt – „aber nur gegen meinen großen Bruder daheim“ – ist in Straubing im Förderverein des dortigen Boxclubs. Boxen: Da haben noch immer viele Vorbehalte. Aber Grundl, der mal vier Semester Sozialpädagogik studierte bevor er mit seiner Band auf Tour ging, weiß die Arbeit der Trainer zu schätzen: „Das ist nicht nur Training für den Körper, sondern sie leisten hier auch Sozialarbeit. Das kann man gar nicht genug loben. Da zeigt sich eine integrative Kraft.“ Und schon geht das Gespräch um Boxen in den USA, das für viele, vor allem schwarze Boxer der Weg aus den Ghettos war, das die bedeutende US-amerikanische Autorin Joyce Carol Oates in ihrem Essay „Über Boxen“ so vortrefflich beschrieb: „Boxen wurde Amerikas tragisches Theater:“ Und viele Beobachtungen von damals sind heute aktueller denn je: „Rassismus, gegen den nicht einmal ein schwarzer Präsident ankam, ist dank eines Präsidenten Donald Trump aktueller denn je“, sagt Grundl. Und erinnert an den Boxer Muhammed Ali, der für ihn nicht nur ein Künstler war. Er war auch ein Fighter gegen Rassismus. So wie die Footballer, die sich diesem spaltenden Präsidenten in vielerlei Weisen verweigern. Auch im deutschen Sport wäre in manchen Stadien und an einigen Orten Verweigerung und Haltung zeigen überlegenswert. Das wäre dann ein neues Thema.

Noch was: Bitte eine Idee für ein Sport- und Kulturprojekt. „Da schlaf ich mal drüber“ sagt Grundl, der nun in den Sportausschuss muss, wo Sebastian Coe, der Präsident des Internationalen Leichtathletikverbandes über Reformen, Kämpfe gegen Doping, Korruption… referiert.

Am nächsten Tag kommt der Vorschlag: „Als mögliches Sport-Kulturprojekt mit großer Außenwirkung fallen mir Halbzeitpausen z.B. des DFB-Finales ein, bei der man Bildende Künstler zu einem 15-minütigen „Art-on-the-move“ einladen könnte. Man muss ja nicht immer die üblichen musikalische Gassenhauer haben. Und auch für die EM konkret könnte man eben Bildende Künstler aus ganz Europa an so einem Konzept beteiligen, die dann bei jedem Spiel mit dabei wären.“

Danke, Herr Grundl. Bis bald. Demnächst. Dann mehr.