Doch nicht die Frage von Sekt oder Selters…

Eine bedingt aussagekräftige Sporthilfe-Studie und der ungeklärte Status der AthletInnen

Berlin. 24. Januar – Die Stiftung Deutsche Sporthilfe hat wieder einmal eine Studie unter dem Titel „Die Lebenssituation von deutschen Spitzensportlern und -sportlerinnen“ veröffentlicht, die sie bei der Deutschen Sporthochschule Köln in Auftrag gegeben hatte. Dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung unmittelbar vor einer Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages lag, ist sicher kein Zufall: Das Gremium beschäftigte sich mit dem „Konzept der Stiftung Deutsche Sporthilfe zur unmittelbaren Athletenförderung“. Abgeordnete und Öffentlichkeit sind mit Zahlenspielen, Schlagwörtern wie Mindestlohn und Verlustrechnungen offensichtlich leicht zu überzeugen, dass die Lage der SpitzensportlerInnen Grund zu großer Sorge gebe. So wirft die Studie nicht nur allerlei Fragen auf, sondern fordert vor allem Widerspruch heraus. Sie zeigt auch, dass die Diskussion, welchen Spitzensport diese Gesellschaft haben will, was der kosten darf und welchen Status nun die AthletInnen haben sollen, nicht nur überfällig, sondern dringend nötig ist.

Also nun haben wir es wieder einmal schwarz auf weiß: Deutsche SpitzensportlerInnen kriegen nicht mal den Mindestlohn von 8,84 Euro, sondern nur 7,41 Euro pro Stunde. Dafür sind sie durchschnittlich 56 Wochenstunden im Einsatz, 32 davon für den Sport und 24 für Beruf, Studium oder Ausbildung. Im Schnitt haben sie ein Bruttoeinkommen von 1560 Euro, von dem 25 Prozent Eltern, Verwandte oder Bekannte zuschießen. Und dann müssen sie im Vergleich zu gleichaltrigen Nicht-Spitzensportlern im Laufe ihrer etwa zehnjährigen Karriere auch noch auf mindestens 58 000 Euro verzichten. Man möchte fast meinen: Wer sich auf das Abenteuer Spitzensport in Deutschland einlässt, riskiert den Bettelstab.

Lebenssituation nicht aller

Aber stimmt das wirklich so? Gibt diese Studie tatsächlich die Lebenswelt bundesdeutscher SpitzenathletInnen wieder? Die Autoren, zu denen erstaunlicher Weise nun zum wiederholten Mal auch Michael Ilgner, der Vorstandsvorsitzende des Auftraggebers Sporthilfe gehört, führen schon mit dem Titel der Studie in die Irre. Es handelt sich nicht um eine Studie, die die Lebenssituation der deutschen AthletInnen beleuchtet. Denn es wurden nur diejenigen befragt, die von der Sporthilfe gefördert werden. Insgesamt 1087 nahmen an der Studie teil, davon das Gros aus der Altersgruppe zwölf bis 20 Jahre. Eine Reihe von Sportarten, in denen man gut Geld verdienen kann, wie die Profis aus den Ball– und Spielsportarten oder dem Wintersport, wurden ausgeklammert. 32 SportlerInnen mit einem Bruttoarbeitsverdienst von durchschnittlich 82 000 Euro wurden als „extreme Ausreißer“ gar nicht berücksichtigt – Und so entsteht ein schiefes Bild, das nur bedingt aussagekräftig ist.

Michael Ilgner, dessen Mitarbeit an der Studie auf Anfrage bei der Sporthilfe überhaupt nicht problematisch gesehen wird, wird in der zugehörigen Pressemitteilung so zitiert: „Die Studienergebnisse sind ein weiterer wissenschaftlicher Beleg, dass Deutschlands Spitzenathleten noch immer mit geringen Einnahmen zu kämpfen haben. Allem voran im Sport, aber auch in Ausbildung und Beruf zeigen sie dabei aber überdurchschnittlichen Einsatz. Wir müssen aufpassen, dass Deutschlands Athleten in internationalen Wettbewerben nicht zu sehr an Boden verlieren.“

Angst abzurutschen?

Boden verlieren im Kampf um Medaillen, im Ranking weiter nach hinten zu rutschen. Und das nun auch noch, wo man doch mittlerweile auch auf das einst unerschütterliche Gütesiegel „Made in Germany“ beim Autokauf oder Bankgeschäften nicht mehr vertrauen kann. Geht gar nicht.

Sportliches Abrutschen allerdings an zu wenig Einnahmen festzumachen, wie das nun Ilgner tut, geht auch nicht.

Bringt eine Studie nun wirklich weiter, wenn man erfährt, dass SpitzensportlerInnen im Durchschnitt 1560 Euro verdienen? Dass die Eltern (wie alle Eltern, die Kinder in der Ausbildung oder Studium haben) zubuttern müssen, damit die Sprösslinge über die Runden kommen? Eher nicht: denn es entstehen Missverständnisse, die zur Klärung der Probleme kaum beitragen – zumal die Betroffenen ihre Lebenssituation nicht so schlecht sehen, wie offensichtlich die Untersucher mit der Studie suggerieren.

Glücksempfinden und Vorbilder

„Der Spitzensport in Deutschland produziert öffentliche Güter: nationale Repräsentation, Stolz, Glücksempfinden und Vorbilder“, lautet der erste Satz des Fazits, das die Studien-Autoren ziehen, eine alte These, die heute viele so nicht mehr unterschreiben würden. Denn: Zwar freuen sich einerseits BürgerInnen über Erfolge deutscher AthletInnen, lassen sich von Sport-Wettbewerben nach wie vor begeistern, aber Kommerz, Skandale und Doping dämpfen mehr und mehr die Begeisterung. SportlerInnen als Vorbilder? „Die sind eher so was wie Influencer – Klamotten, Frisur sind cool. Und die kommen auch easy rüber“, so die Meinung von SchülerInnen in einer Diskussion zum Themenkomplex „Vorbilder heute“.

Das Bundesinnenministerium begründet die Förderung des Spitzensports beziehungsweise der Spitzensportler nicht nur auf seiner Internet-Seite nach wie vor so: „Die Sportförderung des Bundes dient dazu, den Bundessportfachverbänden optimale Trainings- und Wettkampfbedingungen zu ermöglichen und die Stellung der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Sport zu sichern.“ Und unter dem Stichwort „Sportpolitik“ heißt es an anderer Stelle: „Kern der Spitzensportreform ist eine perspektivische, potenzialorientierte Förderstruktur, die den Athleten und seinen Trainer im Fokus hat.“ Und weiter: „Spitzensportlerinnen und -sportler sind Vorbilder. Ihre Erfolge motivieren viele junge Menschen zu eigener sportlicher Aktivität. Diese sind das Ergebnis von jahrelangem Fleiß, Disziplin und hoher Einsatzbereitschaft – Eigenschaften, die für das Funktionieren unserer Gesellschaft förderlich sind.“ Der Sportphilosoph und -soziologe Gunter Gebauer sagt, die Politik könne doch andere Ziele formulieren, etwa, „dass Sport für junge Leute ein Muster für Leistungshandeln, Lebensmanagement oder asketische Lebensführung sein könnte“.

Diffuser Status

Der Status der AthletInnen ist im deutschen Spitzensport diffus. Von Staatssportlern – da werden schnell Synopsen zu diktatorischen Systemen hergestellt – will man nicht gerne reden, obwohl man sie hat: Nämlich diejenigen, die in einer Sportfördergruppe bei Bundeswehr, Bundespolizei, Zoll etc. untergebracht sind. Und da sind dann die anderen, die Studierenden, die Auszubildenden – oder diejenigen, die schon im Beruf sind. Dann gibt es noch diejenigen, die von ihrem Sport gut leben können, die im Profi-Ligabetrieb oder Sportarten wie Golf, Reiten, Tennis ihr Geld verdienen. Sie vereint, dass sie alle Spitzensport treiben,  jeweils mit ungleichem Auskommen. Ein sportinternes Problem, das aber nun endlich mal aufgearbeitet werden müsste.

Sagt Weltklasse-Kanutin Silke Kassner. „Es ist wichtig endlich zu klären, welchen Spitzensport diese Gesellschaft denn haben will. Und wie die Rolle der AthletInnen in olympischen, nicht olympischen und paralympischen Verbänden darin in Zukunft aussehen soll.”

Individuelles Hobby?

Spitzensport treiben gilt in dieser Republik nach wie vor als ein individuelles Hobby, das staatlich gefördert wird. Die Frage, ob diese Rollenzuordnung der Komplexität modernen Spitzensports noch gerecht wird, zeigt auch, dass das deutsche, föderale Sportsystem nicht mehr zeitgemäß aufgestellt ist. Das war auch ein Grund, die Reform einzuleiten. Doch anstatt erst einmal in einem öffentlichen Diskurs einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, wie dieser Spitzensport denn nun aussehen und wo er angesiedelt werden soll, suchte man Orientierung am britischen Erfolgsmodell. Dass die Strukturen in Großbritannien ganz andere sind als die heimischen, dass man dort eine Art DDR-Sport light einführte – wenige Sportarten werden mit viel Geld gefördert –, ist kein Thema. Gerne schaut man nach Frankreich, wo ein Sportministerium sich um Spitzensport und Wohl und Wehe der Aktiven während und nach der Karriere sorgt – eben so ein Modell, das momentan hierzulande nicht machbar wäre. Und: Wollen deutsche AthletInnen wirklich so einen Spitzensport, der auf den ersten Blick viele Vorteile, aber auf dem zweiten eben auch ganz viele Nachteile hat?

Wenn der Staat SpitzensportlerInnen als seine Repräsentanten sieht, dann soll er auch dafür sorgen, dass ihnen keine Nachteile entstehen – so die Sicht von Betroffenen, die aber ja, wie beschrieben, schon unterschiedliche Ausgangspositionen haben: Hier Fördergruppe, dort diejenigen, die in Eigenregie agieren.

Schwierig

Wie schwierig das ist, lässt sich auch am Beispiel der Stiftung Deutsche Sporthilfe zeigen, die seit letztem Jahr noch mehr staatliche Zuwendungen bekommt.Wenn der Bund nun Geld gibt für die direkte Förderung von AthletInnen, dann schauen alle ganz genau hin. Denn 3,5 Millionen Euro für 2018 und das Doppelte, nämlich sieben Millionen, die der Bund nun 2019 an die Stiftung gibt, sind kein Pappenstiel. Das ist eine neue Qualität und Quantität.

Diese Millionen-Zuwendungen sorgen seit geraumer Zeit für Säuernis bei Mitgliedern des Bundestags-Sportausschusses. Nicht, weil die den Aktiven den Geldsegen nicht gönnen, sondern zunächst wegen der Umstände, unter denen mal wieder die Entscheidung zustande kam. Im April letzten Jahres war die Sporthilfe Gast im Ausschuss, um über die neue Förderkonzeption zu sprechen. Am Parlamentarischen Abend am 27. Juni 2018, konnte sich Michael Ilgner über den Zuschlag von 3, 5 Millionen freuen, die in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses an diesem Abend eingestellt worden waren. Seit dieser Zeit waren BMI und Sporthilfe in Verhandlungen, wie man nun das Geld an die AthletInnen auszahlen könnte, was bei dem Stiftungskonstrukt der Sporthilfe nicht so einfach ist. Als gangbare Lösung einigte man sich auf die „einmalige Auszahlung“ einer „Kaderprämie“. Dass es die gibt und dass die nun auch ausgezahlt wurde, erfuhr eine Reihe der Sportausschuss -Parlamentarier am 13. Dezember 2018 durch eine Pressemitteilung der Sporthilfe. Die Vertreter der Oppositionsparteien fühlten sich wieder mal von den Koalitionären „überrumpelt“. Wieder mal keine Diskussion, keine gutachterliche Stellungnahme. Sondern vollendete Tatschen.

Umfangreiche Nachfragen

Dabei hätte nicht nur mancher Abgeordnete zur Sporthilfe so einige Fragen. Etwa André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Linken. Zur Sporthilfe hat er schon einige Anfragen – die letzte im Oktober 2018 (Drucksache 19/5631) zu Transparenz und Offenlegung der Fakten in Sachen Sporthilfe an die Bundesregierung gestellt. Die Antworten waren nie befriedigend. Wie auch schon vorher (Drucksache 18/578) mit seiner Kleinen Anfrage, als er sich über „Die Deutsche Sporthilfe als Teil der Spitzensportförderung“ (Drucksache 18/578) 2015 schlau machen wollte. Auch damals nichts Konkretes. „Wenn die Deutsche Sporthilfe für die Bundesregierung als Institution des Spitzensports unverzichtbarer Bestandteil der Förderung des Leistungssports in der Bundesrepublik Deutschland ist, dann sollte sie auch in der Lage sein, alle diesbezüglichen Fragen aus dem Parlament sachgerecht zu beantworten. Dies ist erst recht angesichts der derzeitigen Diskussion um eine Reformierung des Spitzensports nötig“,so seine Reaktion.

Und weiter: „Im Interesse der Sportlerinnen und Sportler, aber auch der zahlreichen Menschen und Unternehmen, welche finanziell die Deutsche Sporthilfe unterstützen, fordere ich mehr Transparenz und Beteiligung des Bundestages bei der Einsetzung der Mittel für die Förderung des Spitzensports. Obwohl der Bundesinnenminister im Aufsichtsrat der Sporthilfe und in deren Kuratorium die Bundeskanzlerin, drei Bundesminister und diverse ehemalige Spitzenpolitiker sitzen und die Sporthilfe jährlich mehr als fünf Millionen Euro von staatlichen Lottogesellschaften aus der „Glücksspirale“ sowie von Zuschlägen der Briefmarkenserie „Für den Sport“ und eine nicht benannte Summen aus großen bundeseigenen Unternehmen erhält, verweigert die Bundesregierung entsprechende Auskünfte mit dem Verweis, dass die Deutsche Sporthilfe eine Stiftung bürgerlichen Rechts sei. Auch jetzt hätte man eben viele Fragen…

Kaderprämien einmalige Sache

Die Kaderprämie, für die der 1. Oktober 2018 Stichtag war, wurde im vergangenen Dezember in Höhe von 3649,63 Euro pro AthletIn an 959 Antragssteller ausgezahlt, wie in der genannten Pressemitteilung der Sporthilfe zu lesen war. Wer gefördert werden wollte, musste folgende Kriterien erfüllen: Mitglied im Olympia- oder Perspektivkader der olympischen Spitzenverbände oder im A- oder B-Kader des Deutschen Behindertensportverbandes sein. Wer eine Förderstelle bei Bund oder Land besetzt, oder wessen Gesamteinkünfte 2018 nach Selbstauskunft über 45 000 Euro liegen, ist nicht im Kreis der Geförderten.

Die Kaderprämie war wohl eine einmalige Auszahlungsform. Denn über welchen Weg nun in Zukunft das zusätzliche Geld an den Mann und die Frau gebracht werden soll, das muss erst noch geklärt werden. Fest steht, dass sich die durchschnittliche monatliche Athletenförderung dann nahezu verdoppeln wird: von 500-600 Euro auf 1000–1200 Euro.

In der Konzeption, die die Sporthilfe dem Sportausschuss vor kurzem vorstellte, ist unter anderem zu lesen, dass Ansprüche nur AthletInnen haben, die zum Zeitpunkt der Auszahlung von keiner weiteren staatlichen Förderung über Sportförderstellen (Bund/Land) profitieren (Nachteilsausgleich). „Anspruchsberechtigt sind auch Weltklasse-AthletInnen sowie die perspektivreichsten AthletInnen für die nächsten und übernächsten Olympischen und Paralympischen Spiele“, heißt es in dem Konzept. Von den Assen, die genügend Geld mit Werbung einnehmen, hätte aber keines Anspruch auf zusätzliche Mittel.

Ausgeschlossen aus den derzeitigen Überlegungen sind die A-Nationalmannschaften der Männer im Fußball, Basketball, Handball, Volleyball, Eishockey und Straßenradsport, die Profis im Golf, Tennis, der Olympiakader der SpringreiterInnen und Dressur, ebenso wie die Olympiakader Ski alpin, Biathlon und die Skispringer.

Selbstauskunft

Wer sich mit Studie und Konzept genauer beschäftigt, stolpert über den Begriff „Selbstauskunft“. Offensichtlich haben damit auch manche Parlamentarier ihre Probleme. BürgerInnen, die heute staatliche Transferleistungen beanspruchen, müssen umfangreiche Formulare ausfüllen. Nicht so der Spitzenathlet: Da reicht die Selbstauskunft, dass man weniger als 45 000 Euro an Gesamteinkünften im Kalenderjahr hat, auch wenn man die Erklärung wie die für die Kaderprämie schon im Oktober (2018) abgibt. Warum die Grenze von 45 000 Euro? Der Geldgeber orientiert sich an dem durchschnittlichen Einkommen eines Beamten im mittleren Dienst. Gibt es eine Bedürftigkeitsprüfung? Werden die Angaben überprüft? Von wem? Es werde Stichproben geben – so die Antwort auf die Fragen im Sportausschuss.

Es gebe noch viele ungelöste Probleme und fehlende Antworten – vor allem auch juristische Abklärung – etwa, welche Rolle die Sporthilfe selbst als Stiftung bürgerlichen Rechts nun übernehmen kann und vor allem darf. Bis Ostern sollen nun alle Fragen beantwortet und Unklarheiten beseitigt sein und ein umsetzbares Konzept vorliegen. Ob das nun wirklich so einfach geht? Schließlich basteln BMI und Sporthilfe schon seit dem Frühsommer letzten Jahres an einem „unanfechtbaren“ Konzept.

Athlet als Tarifpartner?

Nochmal zurück zur Studie. Kann man eine freiwillige Beschäftigung, der SpitzensportlerInnen nachgehen, mit der „normalen“ Arbeitswelt und deren tarifrechtlichen Rahmen vergleichen? Da entsteht im gesamtgesellschaftlichen Kontext schnell eine Schieflage. „Wer hier von Mindestlohn redet, der soll mal sagen, von wem der gefordert werden soll? Von DOSB, BMI, Spitzenverband? Welcher Stundenlohn ist in welcher Sportart angemessen – wer bestimmt das? Wer Spitzensport treibt, für den ist doch nicht in erster Linie Geld die Motivation. Wir müssen versuchen, für die AthletInnen das Bestmögliche zu tun, dass sie ihren Sport unbelastet treiben können. Und keine skurrilen Diskussionen um Gehaltsstrukturen führen.“ Das ist die Quintessenz aus mehreren Anfragen zu der Studie bei Aktiven, Verbandsvertretern und Wissenschaftlern.

Wenn schon diese Studie, so sagen einige, dann wäre es interessant gewesen, mal Sportfördergruppen mit der Gruppe der Studierenden oder Auszubildenden zu vergleichen. Oder eben eine umfangreiche Untersuchung, die alle SpitzensportlerInnen der Republik einbezieht.

In den deutschen Spitzensport ist noch nie so viel Geld gesteckt worden wie in den letzten Jahren. Über 230 Millionen Euro allein gibt der Bund, der nun auch seinem sozialen Gewissen und seiner Fürsorgepflicht gerecht werden soll. Denn der Staat soll den AthletInnen quasi für die Erfüllung ihres Dienstes im Auftrag der Nation eine Art Ausfallentschädigung und Altersvorsorge garantieren, was den staatlichen Geldgeber nun im Sinn der Gleichbehandlung und Gerechtigkeit gegenüber anderen Gruppen in die Bredouille bringt.

Wo aber sind die Sportverantwortlichen, die gerne auf die Autonomie ihres Beritts pochen, aber schnell die Verantwortung abschieben, wenn es etwa um mehr Förderung, Fürsorge für AthletInnen und TrainerInnen oder den Anti-Dopingkampf geht?

Nicht nur auf internationaler Ebene wickeln SportfunktionärInnen Millionen- und Milliardengeschäfte ab, kokettieren mit Macht und Einfluss, wenn sie bei Politikern und Mediengesellschaften Unsummen abgegriffen haben. Die unerschöpfliche Geldmaschine Spitzensport läuft wie geschmiert. Und die Sportführer sorgen mit teilweise exorbitanten Gehältern,die selten offengelegt werden, dafür, dass sie nicht zu kurz kommen. Die AthletInnen  dagegen sind die kleinen Rädchen, die die Machinerie am Laufen halten, aber nur minimal bei der Ausschüttung bedacht werden.

Geld-Anteil für AthletInnen

Deshalb wird es Zeit, dass sie den Großteil der Mittel endlich auch bekommen, die sie durch ihre „Arbeit“ bei internationalen und nationalen Sportgroßereignissen verdienen. Damit könnte auch der Übergang in das Leben nach der Karriere problemlos gestaltet werden. Vor allem auch für die, die es nicht ganz nach oben geschafft haben – oder aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aussteigen mussten. Ein (internationaler) Solidaritätsfonds wäre da eine Überlegung. Die „mündigen AthletInnen“, die einst dem ehemaligen Athletenvertreter Thomas Bach so wichtig waren, müssen allerdings dem IOC-Präsidenten Thomas Bach und seinen KollegInnen aus den Weltverbänden immer wieder verklickern, das sie sich nicht mehr so billig abspeisen lassen. Auch die nationalen SportführerInnen sollten sich endlich bequemen, AthletInnen nicht nur einen gerechten finanziellen Anteil zuzugestehen, sondern sie auch gebührend in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, die vor allem sie betreffen.

Umverteilung ist auch ein Reform-Wort. Seriöse Sport-Experten und Kenner des deutschen Sportsystems sind sich einig: Der Spitzensport in Deutschland hat nicht zu wenig Geld, sondern er setzt es ineffizient ein und verteilt es falsch. Nicht nur Sportökonomen sagen, grenzenloses Wachstum staatlicher Fördermitteln bei einem immer kommerzieller werdenden und Millionen scheffelnden Spitzensport, könne auf Dauer gegenüber Steuerzahlern selbst von sportaffinen PolitikerInnen kaum noch vertreten geschweige denn verantwortet werden – weil die Relationen in Bezug auf andere gesellschaftliche Gruppen nicht mehr stimmen.

Das Spitzensportsystem muss sich also selbst runderneuern, meinen Experten. Und als erstes müsse man eine Reihe von Playern aus dem Spiel nehmen, denn: Im deutschen Sport wuseln zu viele herum, die zu viel Sand ins Getriebe streuen.

Runderneuern

Ideen braucht also das von DOSB-Präsident Alfons Hörmann kreierte und geführte Sportdeutschland. Die gibt es – aber kaum einer nimmt sie wahr. Querdenken verbietet sich offensichtlich bei den Verantwortlichen des deutschen Sports, „die hauptsächlich ihre eigenen Pfründe sichern wollen“, wie schon Rudertrainer Karl Adam in den 70-er Jahren feststellte. Umverteilung von Geld und Verantwortung – ohne uns.

Was wäre ein umsetzbares Modell für Deutschland?

Beispiel 1: Spitzenverbände, ausgestattet von den staatlichen Geldgebern mit einer Summe X über eine Wahlperiode von vier Jahren, werden Arbeitgeber mit den üblichen Rechten und Pflichten, AthletInnen und TrainerInnen sind deren Angestellte. Der DOSB wäre Serviceleister in Fragen der Organisation. Die Verbände können sich in der freien Wirtschaft als Akquisiteure tummeln, um zusätzliche Mittel zu aktivieren. Oder der Sporthilfe das wie bisher überlassen – allerdings in einer überarbeiteten Rolle.

Beispiel 2: Der DOSB als Arbeitgeber, der, ebenfalls mit der Summe x ausgestattet, in Eigenverantwortung agiert, ausreichend Mittel an die Verbände verteilt, damit diese erfolgreich arbeiten können und genug Geld für ihr Personal haben, zu dem dann auch AthletInnen gehören.

Zukunftsmodelle

Erfolgreiche Spitzensportmodelle der Zukunft? Medien- und Marketingexperten verweisen nicht nur auf den US-amerikanischen Profisport. Sondern auch auf individuelle Kleinunternehmen, wie sie im Tennis, Reiten, Golf oder Trendsportarten mittlerweile üblich sind.

Dann wären auch die Probleme der sozialen Absicherung und Altersversorgung gelöst. Da zerbrechen sich BMI und Sporthilfe nämlich gerade auch den Kopf, ob man so eine Art Sport-Riester-Rente einführen könnte, die dann mit 2,5 weiteren Millionen Euro zulasten des Steuerzahlers zu Buche schlagen würde.

Es wird Zeit, die Verhältnisse zu klären. Da reicht es allerdings nicht, wissenschaftlich herauszufinden, dass manche deutsche SpitzenathletInnen sich heute angeblich nur Selters statt Sekt leisten können.

————————Die Studie finden sie auf der Seite www.sporthilfe.de