An einem DOSB-Strategiepapier dürfen – aus gutem Grund – auch die Mitgliedsorganisationen mitarbeiten
Berlin, 9. März. Man kann nicht sagen, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) habe nicht dazugelernt: Nach der geheimen Kommandosache Leistungssportreform und der heftigen Kritik wegen dieses Vorgehens und der Art der Kommunikation will er nun im Rahmen des Projektes „Anstoß 2016“ die Mitgliedsorganisationen, die MitarbeiterInnen und DOSB-nahe Institutionen einbinden. Allerdings wohl nicht ohne guten Grund.
Die Untersuchungsergebnisse der „Aufgaben- und Effizienzanalyse“ durch die Unternehmensberater von Ernst & Young, sollen nun Grundlage für eine neue Strategieentwicklung des DOSB sein. In fünf sogenannten Regionalwerkstätten in Köln (3. Mai), Berlin (12. Mai), München (13. Mai), Hamburg (19. Mai) und Frankfurt/Main (20. Mai) sollen bis zu fünf ehren- und hauptamtliche FunktionsträgerInnen je Organisation sich und ihre Ideen in in den Workshops einbringen. So weit, so gut.
Mit der Terminankündigung flatterte den Mitgliedsorganisationen ein als Entwurf gekennzeichnetes Papier unter dem Titel: „DOSB – Die starke Stimme des Sports – Eckpunkte für ein Strategiepapier“ ins Haus (liegt auch Sportspitzen vor).
Interessante Vorlage
Der Duden erklärt Strategie als „genauen Plan des eigenen Vorgehens, der dazu dient, ein militärisches, politisches, psychologisches, wirtschaftliches o.ä. Ziel zu erreichen, und in dem man diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren sind.“ Liest man das Strategiepapier des DOSB, ist das aber offensichtlich weit entfernt von einem exakten Handlungsplan, mit dem man Ziele verwirklichen will. Von Strategie keine Spur, von Lösungsansätzen erst recht nicht. In Abreiß- Kalender-Sprüchen erschöpft sich das meiste.
Nach genauerem Durchlesen wird auch schnell deutlich, warum der DOSB dringend Unterstützung braucht. „Dieses Papier beschreibt die grundlegende Positionierung des DOSB als Dach des deutschen Sports mit fünf übergreifenden strategischen Zielen, die mit Handlungszielen und strategischen Orientierungen hinterlegt sind. Daraus soll ein strategisches Steuerungsinstrument entwickelt werden, das bei sich verändernden Rahmenbedingungen oder neuen Optionen anzupassen ist“, heißt es da unter dem Stichwort „Positionierung“.
Die gesellschaftliche Anerkennung der Leistungen des Sports verbessern, die Attraktivität des Sporttreibens im Verein ausbauen, internationale Wettbewerbsfähigkeit im Spitzensport stärken, Olympische Spiele und Paralympics nach Deutschland holen sowie die Gestaltungskraft des DOSB nachhaltig erhöhen – das sind die fünf übergreifenden strategischen Ziele. Da fragen sich Kenner des deutschen Sports: Wozu brauchte man eine teuere Untersuchung durch Ernst& Young, wenn das nun die Quintessenz ist, und man mit Blabla schwammige und vor allem bekannte alte Ziele umschreibt?
Verein wieder entdeckt
Es gab schon vor geraumer Zeit ein Strategiepapier, das aber niemand kannte außer den Verfassern. Böse Zungen behaupten, das sei so schlecht gewesen, dass es ganz schnell in den DOSB-Schubladen verschwand. Man mag über diese Beurteilung lieber nicht nachdenken. Erstaunlich ist in diesem neuen Papier, wie in dem Vorgänger-Entwurf aus dem letzten Jahr, zunächst, dass der DOSB den Verein wieder entdeckt, der sich aber schon längst vom Dachverband abgenabelt hat. Im letzten Jahrzehnt endete das Interesse des DOSB bei den Verbänden. Eine Neuauflage der Beziehung Verein – DOSB? „Warum? Der DOSB ist viel zu weit weg von uns. Und interessiert uns nicht die Bohne“, sagt der Vorsitzende eines großen Mehrspartenvereins. „Mit allem, was wir hier erreicht haben, hat der DOSB Null zu tun.“
Diese kritische Distanzierung gefällt dem DOSB sicher nicht, der lange vergessen hat, dass er ja für den „Sport für alle“ zuständig sein sollte. Aber eigentlich nur in Sachen Leistungssport öffentlich präsent war. Breitensport zu vernachlässigen war wohl ein großes Versäumnis der DOSB-Bosse, was die Unternehmensberater von E&Y in ihrem Bericht auch zu Papier brachten. Einen Bericht, den allerdings in Gänze kaum jemand kennt. Sportausschuss-Mitglieder dürfen nun endlich, nach langem Drängen, unter DOSB-Aufsicht den Abschlussbericht einsehen.
DOSB-Präsident Alfons Hörmann spricht ja gerne von Professionalisierung des deutschen Sports, dessen föderale wie ehrenamtliche Ausrichtung häufig Bremsklötze in den Augen des Unternehmers Hörmann sind. Interessiert werden die Vertreter der Mitgliedsorganisationen deshalb auch den Punkt lesen, wo es um die „zielgerichtete Personalentwicklung“ für ehrenamtliche Spitzenfunktionen geht. „Insbesondere für die Nachfolge auf Spitzenpositionen will der DOSB auf Karrieren vorbereiten und sinnvolle Übergänge schaffen. Er berücksichtigt dabei in besonderem Maße Gleichstellung und Vielfalt“. Spannend. Was sagt uns das? Und wie muss man sich da die konkrete Umsetzung vorstellen?
Wer die 16 Seiten liest, dessen Neugier ist schnell befriedigt. Dafür steigt der Ärger: Denn der Leser wird hauptsächlich mit Allgemeinplätzen gefüttert. „Der DOSB ist das Dach des deutschen Sports. Als starke Stimme des Sports vertritt er die Interessen des Sports auf Bundesebene und begeistert für den Sport in seiner ganzen Vielfalt – von der Breite bis in die Spitze.“ Was soll man mit so einem Satz anfangen, der als „Zielbild“ verkauft wird? „Eine besondere Verantwortung übernimmt er für die Absicherung der Ressourcen für den Spitzensport.“ Wer hätte das gedacht? Und was ist mit der Absicherung des Sports für alle, für den der DOSB angeblich begeistern will? Ein Fall für die Reste-Rampe?
Es liest sich eher wie die Präambel einer beliebigen Satzung denn wie ein Strategiepapier. Ziele und Strategien werden vermengt. Klare Linie: Fehlanzeige. Weder eine Einschätzung der wirklichen Rolle des DOSB in Deutschland noch die gesellschaftliche Verankerung des Sports mittelfristig und in der nationalen und internationalen (Sport-) Politik sind in diesem Papier zu finden, geschweige denn reelle Umsetzungsvorschläge. Wie will man zum Beispiel „die Bevölkerung in Deutschland vom Sinn und Nutzen sportlicher Großveranstaltungen bis hin zu den Olympischen Spielen und Paralympics“ überzeugen, wie es in dem Entwurf heißt. Konkrete Ideen? Keine. Da reicht auch nicht der Leitfaden, der noch entwickelt wird.
Das Papier zeigt einmal mehr, dass der DOSB im alten Gewässer dahin dümpelt, hehre Ansprüche wie Fair play und Good Governance predigt, an die sich manche(r) aus der Führungsetage selbst nicht hält. Es zeigt auch, dass der DOSB offensichtlich nicht bereit ist, sich ehrlich auf einen Selbstfindungstrip zu begeben und nach einer Standortbestimmung die nötigen Schlüsse zu ziehen. Und dann zu einer Strategie mit Lösungen zu finden.
Nach der E&Y-Untersuchung scheinen die Zweifel am eigenen Sein im DOSB noch gewachsen zu sein, denn gäbe es nicht die Funktion als Verbandskoordinator und Entsender einer Olympiamannschaft – was bleibt für den auf Spitzensport fixierten Dachverband noch übrig? Breitensport interessiert immer noch nicht wirklich Pilot und Kopilot im DOSB-Cockpit. Trotz vielfältigem Aktionismus und launiger Sonntagsreden. Die einst laute politische Stimme eines D(O)SB-Präsidenten oder eines Generalsekretärs, der sich heute Vorstandsvorsitzender nennt, ist bei breitensportrelevanten Themen seit langem nicht mehr zu hören. Und wenn, dann nicht glaubwürdig.
„Die Lobbyarbeit zu gesellschaftlich relevanten Themenfeldern soll verbessert werden“, heißt es da in dem Entwurf. Teilweise gibt es im DOSB diese gute Lobbyarbeit – doch die findet (und fand) bisher auf der obersten Etage wenig Gehör, weil es sich „nur“ um Breitensport handelt. Neue Themen, die der DOSB übernehmen könnte, sollen überprüft werden? Da wäre es erst mal gut, sich um die schon vorhandenen zu kümmern. Und dann endlich auch den Menschen mal zu erklären, was denn nun Sportdeutschland ist. Denn diese Kampagne wird fortgesetzt, wie in dem Papier zu lesen ist.
Mithilfe und Unterstützung. Die hat der DOSB wirklich nötig. Das weiß er vermutlich auch selbst. Und hat sich deshalb trotz sonst ausgeprägter Beratungsresistenz für unterstützende Maßnahmen via Workshop entschieden. Die was bringen sollen? Noch mehr Quer-Beet-Vorschläge, die dann wieder in einem Phrasen-Papier enden? Absicherung, wenn es nichts wird, dass wieder andere schuld sind ? DOSB – Die starke Stimme des Sports? Davon ist er weiter weg denn je.