Irritationen um Forsa-Umfrage und ein DOSB -Sitzungsmarathon für die Olympiakür
Berlin, 4. März. Am Ende das Fazit: Zeit verplempert. Ja, der gute Wille war da, aber mit wirklicher Aufklärung und inhaltlichen Ergebnissen hat wohl niemand im Bundestagssportausschuss gerechnet, als der Tagesordnungspunkt „Olympische Spiele – Zeitplan und Ausgestaltung der Entscheidungsfindung durch den Deutschen Olympischen Sportbund sowie Anforderungen an die Bundesregierung“ für die Sitzung am Mittwoch aufgenommen wurde. Der DOSB überholt sich selbst mit einem Sitzungsmarathon, um den deutschen Bewerber für die Olympischen Spiele 2024 zu küren. Das ist im wesentlichen die Erkenntnis, die die Mitglieder gewinnen konnten. Dass die beiden Vertreter des DOSB, der Vorstand für Internationales/Olympia Bernhard Schwank, und der Leiter des Hauptstadtbüros Christian Sachs oder gar der Staatssekretär im Bundesinnenminsterium Ole Schröder Wesentliches zu offenen Fragen in der nichtöffentlichen Sitzung beitragen würden, war natürlich Wunschdenken.
Aber die Parlamentarier erfuhren einmal mehr, dass ihnen Sportfunktionäre in Sachen „Sitzungsjagd“ in nichts nachstehen. Denn ab Montag (9. März) eilen die DOSB-Granden von einer Gremiumssitzung zur anderen, um den Entscheidungsprozess zu forcieren. Bei dem Gremien-Langstreckenlauf muss man schon besorgt die Frage stellen, ob die Herrschaften sich nicht übernehmen, ob sie überhaupt dazu kommen, an den diversen Tischen Platz zu nehmen, bevor sie zum nächsten Meeting eilen müssen.
Einlullender Zeitplan
Nun Schwank versuchte die Parlamentarier noch einmal mit dem Aufzählen des Zeitplans einzulullen: Also am 9. und 10. März wird das Präsidium tagen, dem an einem der Tage dann das Ergebnis der Forsa-Umfrage in Hamburg und Berlin zu Olympia unterbreitet wird. Dann wird beratschlagt.
Am 15. März tagen Präsidium und Spitzenverbände – dort wird es aber keine Abstimmung über einen der Kandidaten geben. Am 16. März setzen sich Präsidium und „Experten“ der Zivilgesellschaft, des Präsidiums und des DOSB-Vorstandes zusammen. Dort werden ab 10 Uhr die Gäste 15 Minuten lang vom DOSB-Präsidenten eingestimmt. Ihm folgt als Redner der Berliner Innensenator Frank Henkel. Er präsentiert das Bewerbungskonzept der Hauptstadt. Er hat, wie der nachfolgende Redner, sein Hamburger Senator-Kollege Michael Neumann, 15 Minuten Zeit dafür. Dann dürfen die Bewerber 60 Minuten befragt werden. Nach einer Pause steht eine 120 Minuten lange interne Diskussion an. Der letzte Tagungspunkt ist unpräzise: „Abschluss und weiteres Verfahren“ steht da.
Nicht sehr erhellend
Fragen hatten auch die Sportausschuss-Mitglieder. Grünen-Sportpolitiker Özcan Mutlu kann mit der Informationspolitik des DOSB wenig anfangen. „Die Fragen, nach welchen Kriterien der DOSB eine Entscheidung für Berlin oder Hamburg treffen möchte, blieben offen“, kritisiert er. Und weiter: „Nachhaltigkeit, Bürgerbeteiligung, finanzielle Solidität und ein Sicherheitskonzept – welche Rolle spielen diese Kriterien bei der Wahl des deutschen Kandidaten?“ Auch die Transparenz bei der Finanzierung lasse zu wünschen übrig. Mutlu: „Das war nicht sehr erhellend, was wir da gehört haben.“ Schwank verwies auf die Präsidiumssitzung am 9., wo diese Fragen erörtert würden.
Unbefangen ist…
Fragen gäbe es viele zu seltsamen Dingen. Etwa die zur „Unbefangenheitserklärung“. Diese wird gerade in Zusammenarbeit mit Transparency International ausgearbeitet und soll am 9. März den Präsidiumsmitgliedern zur Unterschrift vorgelegt werden. Was soll da nun unterschrieben werden? Also: Es gibt ja im Präsidium Mitglieder wie IOC-Chef Thomas Bach und IOC-Mitglied Claudia Bokel, die eigentlich qua Amt zur Neutralität verpflichtet wären und daher so im DOSB nicht mitstimmen dürften. Könnten die beiden sich also mit einer Unbefangenheitserklärung selbst unbefangen erklären? Die Mitgliedschaft Bachs ruht, also kommt er wohl nicht in Verlegenheit. Oder Gudrun Doll-Tepper, Mitglied der Präsidien des LSB Berlin und des DOSB? Mit einer Unterschrift – erklärt sie sich dann selbst für unbefangen? Oder wird sie unbefangen erklärt? Von wem? Vom Präsidenten Alfons Hörmann, vom Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper, vom Papst?
Good Governance
Wer mit dieser Zwickmühle nicht klar kommt, darf gerne die Hilfe des DOSB-Beauftragten für Good Governance, Jürgen R. Thumann, in Anspruch nehmen. Ob der einen dann für unbefangen erklären kann, darf, soll, ist auch nicht bekannt. Aber viele im Sport sammeln ja Ämter und haben meist keine Probleme Entscheidungen zu treffen, auch mal gegen das eine eigene Amt, weil man im anderen ja dafür sein muss – Hauptsache man selbst kommt gut weg.
Irritationen bei der Umfrage
Eine weitere Frage konnte im Sportausschuss auch nicht geklärt werden. Irritation rund um die Forsa-Umfrage. DOSB-Hauptstadtbüroleiter Sachs klärte auf, ohne aufzuklären: Bei der Umfrage sollen die Probanden mit ungleichen Methoden befragt worden sein. In Berlin – so Befragte – seien zunächst Fragen über die Verhältnisse in der Stadt, über die beliebtesten Politiker oder den BER gestellt worden, und als letzte Frage kam erst die entscheidende olympische. In Hamburg dagegen wurden die Angerufenen gleich nach Olympia gefragt. Sachs erklärte, es sei richtig, dass in Berlin das „Omnibusverfahren“ (ein Fragenverbund) angewandt wurde, aber die olympische Frage die erste gewesen sei wie in Hamburg – und somit seien beide Städte gleich behandelt worden. Das sieht der Berliner LSB-Präsident Klaus Böger aber ganz anders. Denn von Forsa befragte Zeugen erklärten, dass die Olympiafrage erst als letzte kam. Böger hat den DOSB schriftlich um Aufklärung gebeten.
Leitfaden zeitgleich im Internet
Sauer waren am Mittwoch Sportausschuss-Mitglieder nicht nur wegen dem Verlauf der Sitzung, sondern auch, weil während Schwanks Referat über Zeitplan und weiteres Verfahren der DOSB den über 100 Seiten umfassenden „Leitfaden für die Diskussion über Olympiabewerber“ ins Internet stellte. Der war Mitte Februar an die beiden Städte und eingeladenen Experten verschickt worden. „Zusammen mit den 13 Fragen, die Berlin und Hamburg im September 2014 beantwortet haben, ist dies die Grundlage für die Diskussion mit den Mitgliedern der Sportfamilie sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Gesellschaft am 16. März in Frankfurt/Main“, heißt es auf der Website.
„Wäre ja schön gewesen, wenn die dem Sportausschuss wenigstens heute vorgelegen hätten“, beklagten sich Teilnehmer, die sich vorgeführt fühlen. Vor allem auch deswegen, weil Schwank, der von der Veröffentlichung doch wohl gewusst haben sollte, das hätte sagen können. Wenn er es nicht wußte, um so peinlicher. Und somit ein weiterer Beitrag zum Thema Transparenz und professionelle Sportführer im DOSB.